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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
Kontenklärung des Tages (Junge Welt, 10.8. 2005)

Bankraub in Brasilien

Andere Länder, bessere Kriminalfälle. In der Bundesrepublik gilt es als spektakulär, wenn die untalentierte Schauspielerin Veronika Ferres ein Kosmetikprodukt, für dessen Reklame sie lächerliche Tantiemen bezieht, in einem Fernsehfilmchen so lange in die Höhe hält, bis der normale, also PISA-geschädigte Bundesbürger die Schriftzüge auf der Verpackung verarbeitet hat. Oder wenn ein Infineon-Manager, also einer aus der Branche, die neulich noch New Economy hieß und vor allem eine Abzockfalle für Kleinsparer war, sich wegen trivialer Freizeitvergnügen schmieren läßt. Oder wenn der VW-Betriebsrat mit Bordellbesuchen in Prag und anderswo ruhiggestellt wird etc. Das Land ist so: Schmierig und geldgeil sind die höheren Stände und führen das gern im Fernsehen vor. Kleinkriminelle haben kaum eine Chance, es zu etwas zu bringen.

In Brasilien hat ordentliches Panzerknackerhandwerk noch goldenen Boden. 150 Millionen Real (umgerechnet etwa 52 Millionen Euro) holten Bankräuber aus dem Tresorraum der brasilianischen Zentralbank in Fortaleza, der Hauptstadt des Bundesstaates Ceara. Es war der größte Bankraub in der Geschichte des Landes. Die Summe übertrifft die Beute aus dem Überfall von Ronald Biggs 1963 in England, als er und elf weitere Umverteiler aus einem Postzug von Glasgow nach London nach heutigem Wert rund 53 Millionen Dollar holten. Die Räuber von Fortaleza gingen mit derselben Gelassenheit wie jene damals an die Arbeit. Sie gruben drei Monate lang vier Meter unter der Erde mit High-Tech an einem 80 Meter langen Tunnel, den sie ordnungsgemäß abdichteten und mit elektrischem Licht ausstatteten – zum Wohlfühlen sozusagen. Ausgangspunkt war ein fiktives Gartengeschäft, wo Erdtransporte nicht besonders auffielen. Am vergangenen Wochenende schredderten sich die Profis durch den 1,10 Meter dicken Betonboden des Tresorraums und räumten fünf Container mit 50-Real-Scheinen aus. Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung von Banken mit Kunden wie Veronika Ferres, Infineonmanagern oder VW-Betriebsräten?

(asc)


PS. Das mit der Rolle von Biggs ("Die Summe übertrifft die Beute aus dem Überfall von Ronald Biggs 1963 in England, als er und elf weitere Umverteiler aus einem Postzug von Glasgow nach London nach heutigem Wert rund 53 Millionen Dollar holten") ist ziemlich schlampig ... und Anbetung ersetzt keine ordentliche Recherche (Hier ganz unten im Text)

Die Blogger machen sich auch über das Thema des Tunnel-Bankraubs in Brasilien her:

Im Schockblog meint blogschocker:

"Vergesst Topkapi und Ronald Biggs

Wie in einem Hollywood-Gentlemen-Bankräuberfilm hat eine eiskalte Gang die Nationalbank von Brasilien um ca. 150 Millionen Real im Wert von ca. 55 Millionen Euro erleichtert. (...)
Ich bin ja kein Typ, der Verbrechen duldet, aber vor der Leistung dieser Leute habe ich dann doch Respekt. Wer so dreist und ohne eine Menschenseele zu bedrohen oder zu verletzen einen Jahrhundertcoup durchzieht, verdient es auch, die Kohle zu behalten. Zumal das Geld versichert ist. Ich hoffe nur, der Kopf der Truppe ist kein Drogenbaron oder sonstiger Schwerverbrecher - das würde meine Meinung dann doch ändern...

Was gäbe ich für Insiderwissen! Hollywood würde mir dafür wahrscheinlich die Fußsohlen lecken. Nachdem ich aufm Dixie war..."


oder bei "Nur ein Test oder doch mehr" (9.8. 2005)

"Schwerer Bruch
Als filmreif wird der Bankraub einiger Einbrecher in Brasilien bezeichnet. (...)
Und sollten sich die Täter beim Einlösen der Scheine oder durch andere Umstände doch noch erwischen lassen, können sie ihre Story immer noch verkaufen. Hollywood hat bisher noch alles verfilmt."


Getkrafted (Malte) verbucht den Coup ("55 Millionen Euro erbeutet") unter "Lifestyle" (9.8. 2005).

Moins - das Blog von Rainer Ny Bendig (9.8. 2005) setzt tags wie "Tags: Bankraub, Brasilien, Zentralbank, Bank, Micky, Mouse, Panzer, Knacker, Tresor, Coup, Genial":

"Panzerknacker in Brasilien
Passend zum Zitat:
In Brasilien haben mehrere Bankräuber, wie in einem Micky Mouse Heft, einen Tunnel zur Zentralbankzentrale in Forteleza (Wikipedia gegraben. Insgesamt huben sie einen Tunnel von circa 200 Metern aus, und verkauften den Aushub in der eigens dafür angemieteten Gärtnerei. Sie schafften circa 3,5 Tonnen unregistrierte Geldscheine im Gegenwert von etwa 55 Millionen durch den Tunnel in die freie Wildbahn. Da die Scheine nicht registriert sind können sie normal langsam unter die Leute gebracht werden.
Das Kuriose daran: der etwa 500 m² große Tresorraum war auch mit Bewegungsmeldern gesichert. Die Wände bestanden aus 2 Meter dickem Stahlbeton.
Meine Meinung? Go on!"


Christian Wiedwald (9.8. 2005) in "ge-blog-t":

" Es gibt sie noch...

...die großen Coups der Weltgeschichte - wieder ein filmreifes Stück Kriminalität - diesmal in Brasilien - schaut hier:

Tunnel in die Zentralbank: Der Räuber ist immer der Gärtner - SPIEGEL ONLINE"



Mark (Irgendwas ist immer, 9.8.05):

"Die Jungs haben ausgesorgt!

Ein echter Klassiker ereignete sich am vergangenen Wochenende in Brasilien. Nein, es wird in der Meldung zunächst nicht die Summe des bei diesem Bankraub erbeuteten Geldes genannt, sondern das Gewicht: 3,5 Tonnen brasilianische Banknoten. Entspricht in 50 Real Scheinen etwa 55 Millionen Euro...

Respekt! Keine Verletzten oder gar Toten, keine verängstigten Geiseln, nur ein nach allen Regeln der Kunst leergeräumter Tresor zeugt von diesem Coup in allerfeinster Rififi-Manier. Was würde ich für ein Photo des dämlichen Gesichtsausdrucks des Bankangestellten geben, der am Montag Morgen den Safe aufschloss...

Drei Monate Dreck schippen, die sich mal richtig gelohnt haben."


Hendrix, Ein Berliner in Brasil (9.8. 2005) preist "Kreative Bankräuber":

"Gestern frueh wurde in der Metropole Fortaleza im Nordosten Brasiliens ein spektakulaerer Bankraub entdeckt. (...)
Also ziemlich viel Aufwand fuer etwas Geld, koennte man meinen. Aber die gestohlene Summe kann sich sehen lassen: 150 Millionen Real (ca. 50 Millionen Euro).
Das waere doch mal ein neuer brasilianischer Exportschlager - Kurse fuer Hightech-Bankraub (in Brasilien eher unuebliche Barzahlung fuer die Kursgebuehr waere wohl Bedingungung). Da wuerde die brasilianische Aussenhandelsbilanz doch noch viel besser aussehen...."


Und ein Besucher (Martin) meint: " das haben sich die jungs und maedels redlich verdient...."

Auf Jacopo meint mlohmann (9.8. 2005):
"Und ich dachte, dass gibts nur im Film. Hut ab vor der Cleverness, die Jungs werden wohl eine ähnliche Popularität erreichen, wie Biggs mit dem Postraub in England."

Wolf Bente: noch so´n überflüssiger blog (9.8. 2005):
Der Tunnel zum Erfolg

In Brasilien wurde eine Bank geplündert, in dem sich die Leutchen einen hübschen, langen Tunnel gebuddelt haben berichtet Spiegel Online. Das bringt mich natürlich auf eine Idee. Ich kauf mir ein paar Schaufeln, hol mir ein paar 1-Euro-Jobber und los gehts. Das hat gleich mehrere Vorteile.
1. Wenn ich nicht erwischt werde, dann brauch ich mir keine Zukunftssorgen mehr zu machen und die 1-Euro-Jobber hatten eine durchaus sinnvolle Beschäftigung.
2. Wenn ich erwischt werde, dann brauch ich mir keine Zukunftssorgen mehr zu machen, bekomme regelmäßig etwas zu essen, muss keine Miete mehr bezahlen und die 1-Euro-Jobber hatten eine durchaus sinnvolle Beschäftigung.
Blöd wäre nur, wenn der Tunnel vor der Fertigstellung zusammenfällt.

kalauert Spiegel Online (9.8. 2005) und liefert ein paar Hintergrundinformationen, deren Glaubwürdigkeit durch die namentlich genannten KorrespondentInnen verbürgt sein sollen:

"Brasília - Die Männer stammten nicht aus dem nordbrasilianischen Fortaleza, das sah man, und das hörte man: Sie hätten nicht mit dem in dem Bundesstaat Ceará verbreiteten melodischen Singsang gesprochen, berichten die Nachbarn. Vermutlich kämen sie aus Rio de Janeiro, sagten die Anwohner der brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo". Einer der Nachbarn, ein Besitzer einer Herberge, sagte dem Blatt, er habe mindestens acht verschiedene Männer beobachtet, die sich regelmäßig auf dem Grundstück aufgehalten hätten.

Andere Anwohner berichten von zwei Verdächtigen. Einer, vermutlich der Anführer der Bande, sei groß, schlank und habe einen Bart getragen. Seinen Namen habe er mit "Paulo" angegeben. Der andere Mann sei blond gewesen. Drei Monate lang spielten sie den Anwohnern ein scheinbar normales, und doch ein bisschen aufregendes Leben vor: Typen, die mit einer guten Geschäftsidee ihr Glück in der Ferne versuchen. Eine Firma für Gartenbau sollte es sein, spezialisiert auf Kunst- und Naturrasen. Ab und zu seien die beiden Männer auch in den Bars und Restaurants der Gegend aufgetaucht, versteckt hätten sie sich nicht.

Eingang zum Tunnel: Spezialisten am Werk

Doch statt sich ums Rasen-Geschäft zu kümmern, bereiteten die Männer den größten Bankraub in der Geschichte Brasiliens vor. Von dem seit März angemieteten Haus, dem zum Schein eröffneten Fachgeschäft aus, gruben sie einen 70 Meter langen Tunnel bis unter den Tresorraum der brasilianischen Zentralbank in der Hauptstadt des Bundesstaates Ceará. In vier Metern Tiefe buddelten sie den 70 Zentimeter hohen Tunnel, der mit Holzlatten abgestützt, mit Plastik abgedichtet und mit Elektrolicht ausgestattet war. Die Tarnung war perfekt: Der Gartenbaubetrieb machte es den Tätern möglich, große Mengen Erdreich fortzuschaffen, ohne Misstrauen zu erwecken."

Filmreifer Bankraub in Brasilien
titelt die Deutsche Welle (9.8. 2005) ihren Bericht über den brasilianischen Millionencoup.

TunnelFortalezaDiese Formulierung lässt bereits die Bewunderung anklingen. Die Bidlunterschriften unterstreichen diese Tendenz: "Der Weg zum Reichtum: Tunnel der Bankräuber"

Und so geht es dann weiter:
"Beim größten Bankraub in der Geschichte Brasiliens haben die Täter umgerechnet etwa 52 Millionen Euro erbeutet. Die Räuber hatten ihren Coup in monatelanger Präzisionsarbeit vorbereitet.
Es waren Experten am Werk: Rund 20 Bankräuber, darunter offenbar Spezialisten für Mathematik, Ingenieurwesen und Ausgrabungen, waren daran beteiligt, unbemerkt in die brasilianische Zentralbank in Fortaleza, der Hauptstadt des Bundesstaates Ceará, einzudringen."


Die Frage, die sich derzeit alle stellen, warum funktionierte das Alarmsystem nicht? Die Vermutung ist naheliegend. Gibt es Komplizen innerhalb der Bank?

Dann haben wir noch den DW-TV-Beitrag (9.8. 2005) anzubieten. Waren es zunächst noch 200 Meter, die der Tunnel lang gewesen sein soll, sind es hier nur noch 80 Meter. Bei Spiegel Online (9.8. 2005) nun sogar nur noch 70 Meter.

Schließlich ganz am Schluss will es die DW-Redaktion wissen und fragt:
"Finden Sie die Tat niederträchtig oder brillant?"
Schon klar, was die hören wollen ..,

Sie hat ein bisschen Zeit benötigt, die gute, alte taz (10.8. 2005), aber jetzt ist sie auch dabei, und auch unsere taz-JournalistInnen wissen zu räubern, oder sagen wir besser, lassen sich inspirieren, nämlich von Vabanque, aber deshalb ist der Artikel auch besser als das, was wir bisher so zu lesen bekommen haben:


Gangster nach unserem Geschmack

Rund 50 Millionen Euro haben vorgestern unbekannte Täter bei einem Bankraub in Brasilien erbeutet. Monatelang haben sie von einem zum Schein eröffneten Blumenladen aus einen 80 Meter langen Tunnel in den Tresorraum der Zentralbank in Fortaleza gegraben. Hut ab! Zehn Fragen von vier Fans, die gelernt haben, dass Verbrechen sich nicht lohnt, aber anderen gerne dabei zugucken

1. Warum beschäftigt uns der Bankraub?

Wir wollen auch 50 Millionen Euro. Was man damit alles machen könnte. Nie wieder arbeiten, nie wieder einen Job suchen, nie wieder für die Rente vorsorgen, nie wieder für die Studiengebühren der Kinder sparen. Nie wieder sparen überhaupt. Wenn wir erst mal 50 Milliarden, äh, Millionen Euro haben, dann können wir endlich alles machen, was wir immer schon wollten. Alles. Immer. Überall. Luxus, Autos, Schmuck, Frauen, Männer. Oder oder oder. Kinder aus Afrika ("Live 8") adoptieren, unseretwegen auch. Wir hätten keine Existenzangst mehr. Nie wieder Geldsorgen. Nie nie nie mehr. Angie oder Gerd, Edmund oder Oskar? Nicht egal, aber nicht entscheidend. Wir wären endlich frei. Denn Geld ist gut.

2. Welche Bankräuber schätzen wir?

Sie sollen schlau sein. Männer (und, okay, Frauen), denen niemand so schnell etwas vormacht. Ein Bankräuber nach unserem Gusto setzt sich hin und macht einen Plan. Einen richtig komplizierten Plan. Er hat genau die richtigen Freunde, die seinen Plan umsetzen können. Der weiß, wann man einen Ingenieur einsetzt und wann einen Akrobaten. Und er weiß auch, wann er mit anpacken muss, und kann mit den Stärksten mithalten. Der Bankräuber behält den Überblick, koordiniert, sieht alles voraus. Und er wirkt dabei lässig - so wie James Bond, mindestens. Natürlich ist er auch gewitzt. Sonst könnte er ja gar nicht quer genug denken, um die Lücken in einem Sicherheitssystem zu sehen. Ein richtiger Bankräuber ist ein überlegener Nonkonformist.

3. Was wollen wir von den Bankräubern sehen?

Action! Wir wollen Tunnel, riskante Planungen, gewagtes Timing, vollen körperlichen und geistigen Einsatz, Menschlichkeit, Nerven aus Stahl, denen auch kleine Missgeschicke nichts anhaben können - aber bitte nicht zu viel Schweiß, denn Helden schwitzen nicht. Verzweiflung ist ein schlechtes Parfum. Kurzum: Wir wollen, dass sie unsere eigenen Unzulänglichkeiten ausgleichen; dass sie in Situationen, in denen wir den Überblick verlieren oder uns vor Angst in die Hose machen würden, einen kühlen Kopf bewahren. Wir wollen Helden! Es reicht ja völlig, dass wir beim Anblick eines Streifenwagens ein schlechtes Gewissen bekommen, und zwar grundlos.

4. Welche Bankräuber wollen wir nicht sehen?

Was wir nie verstanden haben: Warum wurde Ronald Biggs ein Held? Der hatte keinen schlauen Überfall mitgeplant. Es starb ein Mensch bei seinem Überfall auf einen Postzug. Außerdem war er auch nicht interessant oder witzig oder sah auch nur ein bisschen gut aus. Er war ein grober Brutalo. Bis hin zu den überkandidelten Hawaii-Hemden und dem schlechten Lied mit den Toten Hosen. Wir verachten Nick Leeson, unscheinbarer Technokrat, der eine ganze Bank zum Einsturz brachte, aber damit sämtliche Kunden in den Ruin trieb und die Angestellten arbeitslos machte. Und wir mögen "Phisher" nicht, die Bankkunden die PIN-Nummern klauen und deren Konten plündern. Das ist kein Banküberfall, sondern elektronischer Handtaschenraub.

5. Warum erlauben wir den Bankräubern das, warum fiebern wir mit ihnen mit?

Banken sind ein riesiges System. Und wenn dann ein Mastermind mit einer Schaufel, einem GPS-Gerät, seinen Freunden und seinem Grips diese Riesen zu Fall bringen können, dann fühlen wir uns gut. Wir sympathisieren gern. Wir bekommen vielleicht keinen Kredit und sie können unser Haus pfänden, aber da draußen gibt es noch Menschen, die diese Riesenwaben aus Technik und Bürokratie treffen können. Weil sie besser sind und schneller und schlauer. So wie wir es auch gerne wären.

6. Was dürfen Bankräuber stehlen? Was nicht?

Bankräuber dürfen nur das stehlen, was im Überfluss vorhanden ist und einzelnen Personen oder Organisationen gehört. Allgemeingüter, beispielsweise Museumsstücke, sind tabu. Wer den "Schrei" von Edvard Munch klaut, der enttäuscht nicht nur das Museum, sondern auch all jene, die in Oslo das Werk sehen möchten. Auch Gegenstände, die einen persönlichen Wert besitzen, sollen Bankräuber stets liegen lassen. Das letzte Geschenk des verstorbenen Ehemanns, Dinge, die vom ersten selbst verdienten Geld gekauft wurden, die Uhr des Vaters. Geschmeide und Geld aber, das nur im Tresor rumliegt, das kann mit. Dabei darf der Bankräuber Menschen weniger reich, aber nie arm und mittellos machen.

7. Wo wollen wir die Bankräuber treffen?

Am Meer. Das gehört zur materiellen Erfüllung eines Traums einfach dazu. Ihr Domizil ist gar kein Vergleich mit dem so genannten Traumhaus in der Bausparerwerbung. Weniger spießig, prolliger - aber auch dekadenter. Das Haus muss an einem Hang stehen, gern in der Nähe von Acapulco. Dort laden sie uns auf eine Cohiba und einen Whiskey ein. Wir saufen mit ihnen wie Hemingway. Oder die Villa steht an einem lange, weißen Sandstrand in Kenia. An der Côte d'Azur. in Rio. In Goa. Highlife. High Five. High Society. High Energy. Als Gastgeschenk bringen wir Spezialitäten aus der Heimat. Schwarzbrot, Schinken, Gummibärchen, Roederer Cristal. Heimwehnahrung für alle Fälle.

8. Wo treffen wir sie wirklich?

Gerade hat der TV-Sender ABC enthüllt: Der Führer der Tschetschenen wohnt in einem Zelt irgendwo unter einem Busch. Ussama Bin Laden hat wirklich viele Freunde, aber dennoch hat er kein Anwesen auf einer Insel, sondern eine Höhle aufm Berg. Und Saddam Hussein wurde von den Amis aus einem Erdloch gezogen. Klar taugt keiner dieser Männer zum Vorbild, doch machen diese Wohnorte eines deutlich: Wer sich heute mit der internationalen Staatengemeinschaft anlegt und sich nicht wie ein kolumbianischer Drogenbaron eine Privatarmee leisten kann, hat schlechte Karten. Wahrscheinlich müsste unser Bankräuber nach Myanmar ("Birma"), Nordkorea, Somalia oder auf eine abgelegene Insel fliehen, um sicher vor dem Arm des Gesetzes zu sein. Keine schöne Aussicht - trotz Meerblick. Selbst mit 50 Millionen Euro. Und wo zum Teufel soll man die dort ausgeben?

9. Welche Filme sehen wir uns zum Trost an?

"Topkapi" (1964)
"Rififi" (1955)
"Sass" (2001)
"Die Gentlemen bitten zur Kasse" (1969)
"Die Abenteuer des Robin Hood" (1938)
"Ocean's Eleven" (1960 bzw. 2001)
"Ocean's Twelve" (2004)
"Jetzt oder nie - Zeit ist Geld" (2000)
"Heist - der letzte Coup" (2001)
"Sneakers - die Lautlosen" (1991)
"The Italian Job" (2003)

10. Warum spielen wir immer nur Lotto?

Wir haben Angst vor dem Ausbruch aus dem System, der - das Leben ist ja kein Film, ach - doch zumeist im Gefängnis endet. Und was wird dann aus den Kindern? Dem Job? Der Skatrunde? Hinter diesen Überlegungen verbirgt sich das verhangene Gefühl, dass es uns so schlecht doch eigentlich auch wieder nicht geht. Auch weil sich bei den wenigsten von uns die Pläne für den perfekten Coup in der Schublade stapeln, riskieren wir unsere bürgerliche Existenz doch nicht für ein riskantes Verbrechen, ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Das überlassen wir dann doch lieber den Filmhelden und machen uns selber die Hände nicht schmutzig - außer vielleicht an der Tinte des Kulis, mit dem wir Lottoscheine ausfüllen.

Die Männern (und Frauen?) im brasilianischen Fortaleza sind auf der Flucht. Wir wollen wenigstens die Filmrechte. Das Geld werden wir uns besorgen.

DAVID DENK, SOLVEIG WRIGHT,
NATALIE TENBERG, PHILIPP LÖHLE


taz Nr. 7738 vom 10.8.2005, Seite 13, 255 Zeilen (TAZ-Bericht), DAVID DENK / SOLVEIG WRIGHT / NATALIE TENBERG / PHILIPP LÖHLE

 

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