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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 

Edle Raeuber - Robin Hoods

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findet derzeit in Österreichs Zeitungen statt. Es geht um Robert Mang, den sogenannten "Saliera-Dieb", einem Salzfass des Renaissance-Künstlers Benvenuto Cellini aus dem Kunsthysterischen Museum Wien. Die beiden österreichischen Boulevardzeitungen, aber auch die landesspezifische Focus-Version "News" (Fanclub, Liebesbriefe, Heiratsanträge: Wie der Saliera-Dieb Robert Mang zum Idol wurde) überbieten sich darin, den inzwischen gefassten Alarmanlagengeschäfts-Besitzer als "Meisterdieb" oder "Sensationsdieb" zu konstruieren. Darüber hinaus wird er auch zum Sexsymbol und zum Ankläger der Wiener Museumsszene schlechthin erklärt.


Robert Mang


Inzwischen fand sich eine merkwürdige Koalition zusammen, die der Stilisierung Mangs zum Genetleman-Dieb nichts abgewinnen kann:

Die österreichische Innenministerin Liesel Prokop samt Anklagebehörde, der Standard und der Falter (5/06), der den Wiener Kriminologen Christian Grafl zu Wort kommen lässt.

Grafl löst seine Aufgabe am elegantesten, da er die distinktionsmäßig am besten erreichbare Position begründet:

"Woran liegt es, dass einige Kriminelle in den Augen der Öffentlichkeit in erster Linie nicht als 'Verbrecher' wahrgenommen werden, sonder das Image eines Spitzbuben, 'tollen Kerls' oder Robin Hood genießen?' (...)"

Grafl führt dann die Tat selbst, das Aussehen und den Charme des Täters, ein Faible für den "kleinen Mann" der gegen ein angesehenes Museum und seine Sicherheitssystem bzw. gegen "die da oben" obsiegte und bei seinem Diebstahl niemandem physischen Schaden zufügte. Dann weiß er noch die entscheidende Volte zu schlagen und punktet gegenüber unserer 'einfältigen' und aus seiner Sicht politisch unkorrekten Schadenfreude:

"Gälte unsere (un)heimliche Bewunderung auch dem oder den Dieben, wenn eine hochprofessionell agierende Bande von Ausländern, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, das Kunstwerk gestohlen hätte? Würde ein zwar fescher, aber beruflich nicht erfolgreicher und weniger intelligenter 50-jähriger rumänischer Tatverdächtiger auch tagelang die Schlagzeilen der Medien als sympathischer Millionendieb beherrschen udn Hunderte mitfühlende Liebesbriefe erhalten? Ich denke nicht. Die Berichterstattung würde wohl eher jenen unverklärten und negatvien Meldungen über ausländische gewerbsmäßige Einbrecherbanden gleichen, die auch bei wesentlich geringeren Schadensbeträgen für viele nicht rasch genug verurteilt und abgeschoben werden können."

Wo Grafl Recht hat, hat er Recht. Dass Österreicher sich rassistisch gebärden ist an sich nichts Bemerkenswertes und dass im Nationalstaat die Grenzen nicht zwischen unten und oben, sondern zwischen den Einheimischen und den Ausländern verlaufen ist jetzt nicht so überraschend; und dass 'die' Medien ihre jeweils eigenen Interessen verfolgen, geschenkt.

Aber für die Lufthoheit und die Absicht die Kritikerolle unisono zu besetzen, spielt Grafl die Klassenfrage gegen die Rassismuskarte aus. Damit hat er immer recht, doch lässt sich zugleich erwidern, dass das ein Strukturprinzip nationalstaatlich verfasster Gesellschaften ist. Aber dem Falter-Publikum wird's gefallen, vermittelt er ihm doch das Gefühl der Lufthoheit über die Diskurse und darf sich mit Grausen abwenden von all den Primitivos, die sich erdreisten ihren Spaß mit dem Salztopf zu haben.

Wenn es auch nicht als chic gilt, so ermöglicht die Perspektive der Klassenfraktionsanalyse die Analyse dieser Haltung weit mehr, als die Sorge um die "ethnisierten" 'Verbrecherkollegen' des Herrn Mang. In etwas modifizierter und despektierlicher Anlehnung an Marx könnte man sagen: Das Distinktionsbedürfnis bestimmt das Reflexionsvermögen. Aber daran gibt es nichts zu rütteln: Herr Professor Grafl geht als Punktsieger vom Platz.

"Große Ganoven sind beliebt"

Auch der ansonsten jeden Sonntag in der Kronenzeitung "vagabundierende Kulturwissenschaftler" Robert Girtler erklärt uns in der Presse (25.1. 2006), dass "große Ganoven beliebt sind":

"Soziologe Roland Girtler analysiert die Sympathie-Welle für den Saliera-Dieb."

WIEN. "Für die Leute auf der Straße ist der Saliera-Dieb Robert Mang ein Held", sagt der Soziologe Roland Girtler im Gespräch mit der "Presse". Seit Tagen schwimmt der gelernte Alarmanlagen-Spezialist und Kunsträuber der Nation auf einer Welle der Sympathie. Warum?

Girtler: "Alle großen Ganoven, die gewisse Regeln eingehalten haben, sind beliebt." Die Regeln lauten: "Die kleinen Leute durften nicht in Mitleidenschaft gezogen werden und die Tat musste gegen eine bestimmte Schicht, etwa Reiche oder Aristokraten, gerichtet sein." Oder - wie im Saliera-Fall - gegen Staatsbedienstete und Politiker. "Der KHM-Direktor Seipel oder die Ministerin Gehrer sind ja nicht gerade Sympathieträger für die Bevölkerung."

Für Girtler ist Mang ein moderner Robin Hood, der dem "System" nimmt und stellvertretend für die unteren Schichten den Kampf mit diesem ausficht.

Außerdem würden viele Personen davon profitieren. Girtler: "Mangs Wohnort Brand ist plötzlich überall bekannt und die Medien haben gute Geschichten zu erzählen."


Tja und dann melden sich auch noch die zu Wort, die oft verzweifelt so einen Effekt künstlich herstellen wollen. Die Presse (23.1 2006) lässt sich von
Wolfgang Bachmayer, dem Chef der 'OGM - österreichische Gesellschaft für Marketing' erklären wie das funktioniert, das "Image des "Gentleman-Gauners". Interessant ist auch der Bezugsrahmen, für das was hier als "die Öffentlichkeit" ausgegeben wird, nämlich "diverse Internetforen":

"Vorerst durchaus Sympathien in der Öffentlichkeit genießt der mutmaßliche Dieb der Saliera, Robert Mang (50). Das geht zumindest aus den Reaktionen in diversen Internetforen hervor. "Der Verdächtige hat jetzt einmal das Image eines 'Gentleman-Gauners'", bestätigte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. "Die Bevölkerung ist erleichtert, dass der mutmaßliche Täter nicht einer internationalen Mafia angehört.

Die bisherige Darstellung des Diebstahls und des Verdächtigen erzeugt ein Art "Robin-Hood- oder Räuber-und-Gendarm-Romantik", so Bachmayer. "Es ist kein Blut und auch kein Geld geflossen. Der mutmaßliche Täter war ein bisher anständiger Mensch, schaut durchaus adrett aus. Die Fotos zeigen das Bild eines Mannes, wie sich die Öffentlichkeit einen anständigen Menschen, aber nicht einen Kriminellen vorstellt."

Viele würden von einem "Bubenstreich" ausgehen: "So nach der Meinung: 'Er hat halt was ausprobiert.' Viele ziehen den Hut vor einer solchen vermeintlichen Heldentat, auch wenn es sich in Wahrheit um eine Straftat handelt." Bachmayer: "Die Reaktion ist verständlich, weil viele der Meinung waren, hinter dem Verschwinden der Saliera stecke ein internationales Netzwerk an Kunstdieben. Nun stellt sich heraus, dass es ein bisher unbescholtener Österreicher war." Mildernd in der Beurteilung durch die Öffentlichkeit hätten nicht zuletzt das Geständnis und im Anschluss daran die sofortige Übergabe der Saliera gewirkt.

Der OGM-Chef glaubt aber, dass die Öffentlichkeit ihre Sicht der Dinge bald ändern wird. "Das mit dem 'Bubenstreich' wird sich nicht halten, man wird dem Verdächtigen über längere Zeit nicht mehr abnehmen, dass es sich lediglich um eine Spielerei gehandelt hat."


Demgegenüber bringt der Kurier (24.1. 2006) den Wiener Gerichtspsychiater Primarius Heinz Pfolz in Stellung, der sogar das sogenannte Stockholm-Syndrom zur Erklärung heranziehen will:

"Gentleman-Gauner: "Die böse Seite wird übertüncht"

Angeblich kann er sich vor lauter Post kaum retten, der "Saliera"-Dieb, es sollen auch schon Heiratsanträge darunter sein.
Wenn er sich über seine Wirkung auf Frauen nur nicht zu früh freut. Sollte Robert Mang wegen schweren Diebstahls vor einer Richterin landen, wird er sich nämlich nicht so gut herausreden können. Glaubt zumindest der Wiener Gerichtspsychiater Primarius Heinz Pfolz.

Gentleman-Gauner: "Die böse Seite wird übertüncht"

Angeblich kann er sich vor lauter Post kaum retten, der "Saliera"-Dieb, es sollen auch schon Heiratsanträge darunter sein.
Wenn er sich über seine Wirkung auf Frauen nur nicht zu früh freut. Sollte Robert Mang wegen schweren Diebstahls vor einer Richterin landen, wird er sich nämlich nicht so gut herausreden können. Glaubt zumindest der Wiener Gerichtspsychiater Primarius Heinz Pfolz.

Früher, als es fast nur männliche Richter gab, hätten sich so genannte Gentleman-Gauner noch ganz gut "winden" und die Herren im Talar ein bisserl "einwickeln" können. Inzwischen ist die Justiz weiblicher geworden, "und Frauen fallen darauf weniger hinein" (Pfolz).

Warum wirken manche Verbrecher überhaupt sympathischer als andere?
Heinz Pfolz nennt das so genannte Stockholm-Syndrom als Beispiel: 1973 wurden Angestellte einer Bank in Stockholm als Geiseln genommen. Sie bauten zu den Geiselnehmern (auch aus Angst) eine Art Beziehung auf und besuchten sie nach ihrer Befreiung im Gefängnis.

Schillernd

"Da spielen Elemente wie Machtfantasien mit. Im Stillen beneidet man die Verbrecher, das Negative wird abgespalten", erklärt der Psychiater. Vor Gericht funktioniert das ähnlich, der Angeklagte kehrt nur seine schillernde Seite hervor und "übertüncht die böse". Freilich gelinge das nur intelligenten, eloquenten Menschen, "emotional nicht ausgereifte Menschen können das nicht."


Auch die Oberösterreichischen Nachrichten (30.1. 2006) empören sich über die Medienberichterstattung und beschwören demgegenüber einen "seriösen Journalismus":

Das manipulierte Medien-Bild
Medien als Pinsel in der Hand des Saliera-Diebes

Jahrelang tappten alle im Dunkeln, wer die Saliera gestohlen hat. Seit der Dieb einen Namen ("Robert Mang") und ein Gesicht ("eine Mischung aus Till Eulenspiegel & George Clooney") hat, erfahren wir mehr über ihn, als uns lieb ist.

Das Fellner-Blatt "News" rühmt sich, dass es an einem Verhörstag vom Untersuchungshäftling Mang zu einer exklusiven Interview-Audienz vorgeladen wurde. "Es war einfach so ein lustiges Spiel", durfte Mang über seine Lösegeldforderung sagen.

Der ORF verblüffte in seinen Nachrichten mit der unkommentierten Expertenaussicht, der Saliera-Entwender könnte sogar straffrei ausgehen. Das hörte sich an, als sei das auf einen Wert von 50 Millionen Euro geschätzte Kunstwerk selbst davongelaufen.

SalieraDem (Salz)fass den Boden schlägt die Kronen Zeitung aus. Unter der Marke "Persönlich" druckte sie ein nicht persönlich geführtes Interview mit dem "Meisterdieb" ab. Dieses Mühsal nahm Mangs Rechtsanwalt der Journalistin ab. Die interessierten die drei Dinge, die der "Alarmexperte" mitnehmen würde - auf die Insel, nicht ins Gefängnis.

Hier sind Medien am Werk, die sich als willige Pinsel hergeben, um das Bild so zu malen, wie es sich der Untersuchungshäftling und sein Rechtsvertreter wünschen. Der Boulevard tanzt nach der Pfeife der Puppenspieler, die im medialen Theater die Fäden ziehen. Da darf der diebische Kasperl dem Seipel-Krokodil eine kräftig aufs Haupt klopfen. Ein Museumsdirektor, der ohnedies kein weißes Hemd hat, lässt sich eben publikumswirksam anpatzen. Wenn Mang als spitzbübischer, verspielter Gentleman-Gauner aus den Seiten grinst, vergeht dem seriösen, objektiven, informativen Journalismus das Lachen.


Der Frankfurter Rundschau (1.2. 2006) Theaterkritiker Peter Iden stellt dann zwar eine berechtigte Frage:
"Es ist für den Besucher Wiens in diesen Tagen noch eine ganz andere Frage, was es über eine Gesellschaft aussagt und von ihr zu halten ist, die sich durch "Sallys" Verschwinden und Wiederkehr im Innersten mindestens so erregen lässt, als hätte die Slowakei Wien den Krieg erklärt."
Allerdings ob sich Deutschland hierbei von Österreich unterscheidet, das wäre dann nochmals eine andere Frage

Ob nun Jan Zocha, der "König der Bankräuber" (aufgrund 40 gelungener oder versuchter Banküberfälle), eine Gentelman-Bankräuber war oder nicht, diskutieren die Medien landauf und landab. Stern Online (20.7.2004) und Spiegel online (20.7.2005) widmen dem Bankräuber ausführliche Artikel. auf 12 Jahre und Sicherungsverwahrung lautet das Urteil.

Filialleiter einer Bank als "Robin Hood"
Er leitete Geld von Konten Betuchter zu ärmeren Kunden

"Würzburg. (dpa) Wegen des Verdachts der Untreue ist ein Filialleiter einer Bank in Ochsenfurt festgenommen worden. Wie die Staatsanwaltschaft Würzburg am Dienstag auf Anfrage mitteilte, werden dem 57-Jährigen knapp 70 Fälle zur Last gelegt. Der Mann, der aus naheliegenden Gründen den Beinamen "Robin Hood" bekommen hat, soll 1,2 Millionen Euro von Konten wohlhabender Kunden auf die von weniger vermögenden umgeleitet haben, um sich als Samariter und Held der Gerechtigkeit fühlen zu können. Die gute Tat hatte allerdings mehr als einen Haken: Ein Betrag von 200 000 Euro sei verschwunden, ohne dass ihn angeblich Bedürftige erhalten haben. Eine Anzeige der Bank hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht."


Die Meldung ist schon vom 5.10. 2004. Interessant ist auch, dass in meisten Medien der fett gesetzte Satz nicht übernommen wurde. Die Medien brauchen eben die makellosen Helden. Na und? Robin Hoods müssen auch von irgendetwas leben. Da wollen wir mal nicht päpstlicher sein als der Papst.

Heribert J. Leonardy:
Der Mythos vom »edlen« Räuber
Untersuchungen narrativer Tendenzen und Bearbeitungsformen bei den Legenden der vier Räuberfiguren Robin Hood, Schinderhannes, Jesse James und Ned Kelly
Dissertation, Saarbrücken 1997, ISBN 3-932683-75-7, 264 S., 23,00 EUR

raeuberDutzende edler Räuber streiten auf Buch- und Comicseiten, Kinoleinwänden oder Fernsehschirmen für Gerechtigkeit, indem sie auf eigene Faust dort neu verteilen und rächen, wo ungerechte und unmenschliche Bedingungen herrschen. Diese Wunschvorstellung, die mit jeder Geschichte vom Kampf gegen das Unrecht neu beschworen wird, ist längst zum Mythos geworden. Wie der Räuber heißt, ist nicht entscheidend, hingegen aber die Art und Weise, in der er verherrlicht wird.

Das vorliegende Buch beschreibt die kulturgeschichtlichen Werdegänge von vier solcher Helden, die uns allen schon auf der Kinoleinwand oder im Fernsehen begegnet sind: Robin Hood, Schinderhannes, Jesse James und Ned Kelly.


Heribert Johannes Leonardy, geb. 1964, schloß 1991 das Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Anglistik und Amerikanischen Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes ab mit einer Magisterarbeit über Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Film. Die vorliegende Dissertation entstand von 1991 bis 1995.

Anna Mandel fragt nach Hinweisen und Material zu Janosik ("Held der Berge", dem Robin Hood der Karpaten jenseits von ebay und amazon.

 

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