lautete ein zeitgenössischer Bericht der ZEIT über den Polizisten und Bankräuber Hugo Alffcke aus den 60er Jahren. 1966 verfaßte Dietrich Strothmann einen Artikel über die Urteilsverkündung in Oldenburg, der einmal mehr verdeutlicht, was die Titelzeile des Song der Sexpistols mit Ronnie Biggs "No one is innocent" eigentlich meint:
"Der Mann steht schon seit zwei Stunden an seinem Platz, kaum daß er sich rührt, seine Hände, die Schultern bewegt. Er ist schlank, hält sich gerade in sturer "Habt-acht"-Stellung. Fast eine hölzerne Figur. Der Mann ist 51 Jahre alt, das schüttere weiße Haar ist sorgfältig nach hinten gekämmt, akkurat sitzt der mitternachtsblaue Einreiher, korrekt das weiße Kavalierstuch; die sorgfältig gebundene Krawatte ist mit der Anzugsfarbe harmonisch abgestimmt. Auf den ersten Blick ein "Normalbürger", einer von Millionen, unauffällig, adrett, freundlich. Nur die Augenlider zucken nervös. Anspannung verraten die zusammengekniffenen Lippen, das energisch vorgeschobene Kinn. Sonst bleibt der Mann steif. Karg ist auch seine Rede, seine Antworten sind spröde, von stumpfer Zurückhaltung, kaum daß er einmal mehr als ein "Ja", ein "Nein" sagt. In den zwei Stunden geht er nicht ein einziges Mal aus sich heraus - in den zwei Stunden seines Prozesses vor der 1. Strafkammer des Oldenburger Landgerichtes."
Sprich, jeder ist verdächtig.
"Es ist ein langweiliger Prozeß, der Mann ein langweiliger Angeklagter. Dabei ist es der Prozeß gegen den "größten Bankräuber seit der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik", dabei gilt der Angeklagte als ein "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher", der bei elf Bankeinbrüchen in rund fünf Jahren 232 898,60 Mark erbeutete - ein Mann mit einem Doppelleben, im Dienst Polizeimeister, in der Freizeit Bandit: Hugo Hans Wilhelm Alffcke. Doch so, wie er da steht und aussagt, ein Biedermann vom Scheitel bis zur Sohle, stumpfsinnig und gleichgültig, ist er kein "Fall" mehr, ist um ihn keine Gloriole, weder im Guten, noch im Bösen. Er ist erschreckend normal, ein Alltagsmensch, ein Statist höchstens für das "Fernsehgericht", kein "Held" in einem Kriminalfilm."
Aha, schon 1966 wurde Bankräuber auf ihre Filmfähigkeit hin bewertet.
"Hugo Alffcke, für den die Zuhörerinnen im überfüllten Gerichtssaal mitleidige Sympathie empfinden, hat keine Geschichte zu erzählen. Er wollte Schlosser werden, aber das "Betriebsklima war schlecht", so lernte er bei seinem Vater die Weinküferei, bis er Soldat wurde und es zum Feldwebel brachte. Nach dem Krieg verkaufte er Heißgetränke; das langweilte ihn, so ging er zur Polizei, machte Streifendienst, schnappte einmal sogar einen Kirchenräuber, wurde selber erwischt, als er, um sein Taschengeld aufzufrischen, Autos für den "grauen Markt" von Süddeutschland zum Hamburger Hafen überführte, ließ sich zum Dienstjubiläum mit einer Urkunde "in Anerkennung treuer Dienste" und einem Zuschuß auszeichnen, wechselte als Pförtner in das Polizeipräsidium über und lebte unauffällig und bescheiden in einer Dachwohnung mit seiner Familie. Er lebte vor allem für seine drei Töchter und seine Hobbys, bastelte im Keller, fuhr mit dem Motorrad herum, ging auf Camping-Urlaub und half seiner Frau beim Abwaschen, holte ihr Kohlen und Kartoffeln. Einer von Millionen, brav, hausbacken, mit Familiensinn."
Nun, auch der Biedermann hat Träume, und in den 60er Jahren sind es Konsumträume, die sich andere erfüllen können, bloss ein kleiner Polizist eben nicht.
"Nach dem Urteil des medizinischen Sachverständigen ist Hugo Alffcke farblos, ohne Temperament. Als er bei seinem letzten Einbruchsversuch am 3. Januar 1966 bei der Oldenburger Landesbank in Delmenhorst überwältigt wurde, zuckte er nur mit den Schultern, wie einer, dem alles egal ist: Es mußte ja so kommen, eines Tages ... Und der nun büßen will, nachdem er alles zugab und auch einsah, daß er dem "Ansehen der Polizei" geschadet hat; der ergeben ist, ohne mit seinem Los zu hadern, in das Schicksal eines Kleinbürgers; der immer unbedeutend bleiben wird, nun für zwölf Jahre hinter Zuchthausmauern verschwinden muß und Zeit seines Lebens unter Polizeiaufsicht stehen wird."
Tja, gegenüber Abtrünnigen aus den eigenen Reihen ist der Staat eben schon damals gnadenlos gewesen.
"Hugo Alffcke, der sich schon als Polizist abkapselte - er hatte keine Freunde - und auch als Durchschnittsgangster ein Einzelgänger blieb - in der Untersuchungshaft trug er, um nicht aufzufallen, Sträflingskleidung -, ist kein gebrochener Mann. Tränen kennt er nicht, seine innere Not um die Zukunft zeigt er mit keiner Gebärde. Nur einmal, so berichtete der Gutachter, weinte Alffcke: als er nach seiner Frau fragte und wissen wollte, ob sie zu ihm halte, als er sich nach seiner neunjährigen Tochter erkundigte. Und daß er sich heute seiner Verbrechen schämt, gestand er nur mit der Bitte an seine Familie ein, ihn nicht im Zuchthaus zu besuchen."
Auch dort wird er, wie schon in der Oldenburger Untersuchungshaft, ein "idealer Gefangener" sein, unauffällig, bescheiden, devot. Nicht bei den Vernehmungen durch die Kriminalpolizei nicht während der Verhandlung brüstete er sich mit seinen Taten. In seinen kurzen Antworten war kein Anflug von Stolz, ein gewiegter Bandit gewesen zu sein. Auch später, wenn er seine Zeit abgesessen hat, wird er sich nicht rühmen wollen, elfmal "alles riskiert" zu haben.
Solche Texte sagen doch mehr über ihre Autoren, als über den beschriebenen Bankräuber aus. Jedenfalls eine Menge darüber, wie ein richtiger Verbrecher auszusehen hat:
Denn Hugo Alffcke, der geheimnislose Bankräuber, ist nicht einmal ein sonderlich couragierter Verbrecher gewesen. Er hatte Glück, kaum mehr. Glück, daß die Geldinstitute nicht ausreichend gesichert waren, daß die Angestellten angewiesen waren, keinen Widerstand zu leisten, daß die alarmierte Polizei immer zu spät kam. Einfach war sein Rezept: er kundschaftete die Banken vorher genau aus, zeichnete sich seinen Fluchtweg in eine Karte ein, suchte sich einen günstigen Zeitpunkt für den Überfall aus, sprang mit einem gewandten Satz über den Tresen, zwang die völlig verdutzten Kassierer an die Wand, rief ihnen kurz zu: "raus", "weg", griff sich das Geld und war auch schon verschwunden. Alffcke brauchte nur ein, zwei Minuten, dann war seine Tasche voll und er über alle Berge.
Aah, wenigstens ist er sportlich gewesen ...
"Bei den ersten Malen, so berichtete er stockend, mußte er noch seinen ganzen Mut zusammennehmen. Damals stülpte er sich auch noch Damenstrümpfe über das Gesicht und fuhr mit dem Fahrrad los. Bald aber, als alles wie am Schnürchen klappte. wurde er leichtsinnig und dreist: "Da bin ich in die Garage gegangen", das heißt, er brach sie auf. "Da habe ich mich nach einem Wagen umgesehen", das heißt, er stahl ihn und schraubte falsche Nummernschilder vor die Kennzeichen. Masken trug er bald auch nicht mehr, so schnodderig wurde Alffcke. Er fürchtete nicht mehr, erkannt zu werden. Sogar seinen Polizeiausweis hatte er manchmal bei sich."
Die eigentlich interessierende Frage, wird aber im ganzen Artikel nicht gestellt. Nämlich was Bankräuber und Polizisten gemeinsam haben könnten. Demgegenüber wird der Bursche als harmlos konstruiert, um das strukturell vergleichbare Moment in der jeweiligen Tätigkeit nicht benennen zu müssen. Und dann geht es natürlich um Autos:
"Raub wurde für den räuberischen Polizeimeister Alffcke zu einem Kinderspiel. Der Richter wunderte sich, wie er so schnell die gestohlenen Wagen aufbrechen und in Fahrt bringen konnte. Völlig grundlos: Alffcke, der Autonarr, brauchte dazu nur einen Schraubenzieher; mit einer Zange schloß er die Zündung kurz. "Das dauerte nur ein paar Minuten, ja." Der Richter wollte wissen, warum er nicht davor zurückgeschreckt sei, die Bankangestellten mit einer geladenen und entsicherten Pistole zu bedrohen; wie leicht hätte sie einmal losgehen können. Eine deplacierte Frage: Alffcke, der Revolverliebhaber und geübte Schütze, hätte im Ernstfall nur so zum Schreck in die Decke geschossen. Die Kugel wäre nicht etwa abgeprallt. "Die Decken sind ja aus Gips, da bleiben Kugeln stecken." "
Und das Motiv: Schulden und Konsum - ganz gewöhnliche Probleme und Wünsche
"Verwunderlicher waren da schon die Erklärungen des Angeklagten, warum er auf die Idee kam, auf Raubzüge zu gehen; erstaunlicher seine Beteuerungen, das meiste Geld - über 100 000 Mark - habe er ausgegeben (für Kleidung, Möbel, Werkzeuge, Urlaubsreisen, Gebrauchtwagen, den Kauf eines Reihenhauses); unglaubwürdiger für den Staatsanwalt seine Behauptungen, seine Frau habe nichts geahnt, sie habe ihm die Ausrede geglaubt, er verdiene sich in den dienstfreien Stunden bei Gemüsefahrten für einen Freund nebenbei etwas dazu.
Anfangs seien es Schulden gewesen, die sich angehäuft hätten; die eine Tochter sei krank geworden, die Frau zur Kur gefahren. Er mußte Geld herbeischaffen. Und dann, nach einem Einbruch, sei das Geld bald "wieder alle" gewesen. Alffcke suchte sich eine neue Bank aus. Einmal, nachdem er seinen größten Coup gelandet hatte - 118 000 Mark in Bad Oeynhausen -, wollte er "das nicht mehr weiter machen". Doch da las er eines Tages in den Zeitungen, die Banken würden in Zukunft besser gesichert. Rechtzeitig wollte sich Alffcke noch eine Reserve anlegen. Er ging nach Delmenhorst, suchte sich ein geeignetes Objekt aus, ließ sich in der Landesbank-Zweigstelle einen Tausendmarkschein wechseln, hechtete plötzlich über den Schaltertresen, zog seine Pistole, raffte 100 000 Mark zusammen, wollte noch mehr in die umgehängte Aktentasche einstecken, wurde von dem beherzten Kassierer niedergeschlagen, wehrte sich verzweifelt, biß einem Angestellten ins Bein - und wurde von der Polizei abgeführt."
Der Bankräuber ist immer der Buchhalter ....
"Der fügsame Hugo Alffcke, auch darin ist er ein ganz "gewöhnlicher" Bandit, trank nie, rauchte nicht und hatte keine Freundin. Er lebte für seine Familie, ein stilles, sonst gleichförmiges Leben. Nichts setzte ihn je in Erstaunen, nicht einmal sein Mißgeschick an jenem 3. Januar 1966 in Delmenhorst. Auf die letzte Frage des Richters, was er denn mit seiner Beute gemacht habe, gab der Angeklagte zur Antwort: "Ich hab' mir das alles noch mal so durchgerechnet, und da hab' ich festgestellt, wie schnell und unauffällig man Geld ausgeben kann." Es war das einzige Mal in seinem Prozeß, daß Hugo Alffcke sich wunderte."
"Der Mann steht schon seit zwei Stunden an seinem Platz, kaum daß er sich rührt, seine Hände, die Schultern bewegt. Er ist schlank, hält sich gerade in sturer "Habt-acht"-Stellung. Fast eine hölzerne Figur. Der Mann ist 51 Jahre alt, das schüttere weiße Haar ist sorgfältig nach hinten gekämmt, akkurat sitzt der mitternachtsblaue Einreiher, korrekt das weiße Kavalierstuch; die sorgfältig gebundene Krawatte ist mit der Anzugsfarbe harmonisch abgestimmt. Auf den ersten Blick ein "Normalbürger", einer von Millionen, unauffällig, adrett, freundlich. Nur die Augenlider zucken nervös. Anspannung verraten die zusammengekniffenen Lippen, das energisch vorgeschobene Kinn. Sonst bleibt der Mann steif. Karg ist auch seine Rede, seine Antworten sind spröde, von stumpfer Zurückhaltung, kaum daß er einmal mehr als ein "Ja", ein "Nein" sagt. In den zwei Stunden geht er nicht ein einziges Mal aus sich heraus - in den zwei Stunden seines Prozesses vor der 1. Strafkammer des Oldenburger Landgerichtes."
Sprich, jeder ist verdächtig.
"Es ist ein langweiliger Prozeß, der Mann ein langweiliger Angeklagter. Dabei ist es der Prozeß gegen den "größten Bankräuber seit der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik", dabei gilt der Angeklagte als ein "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher", der bei elf Bankeinbrüchen in rund fünf Jahren 232 898,60 Mark erbeutete - ein Mann mit einem Doppelleben, im Dienst Polizeimeister, in der Freizeit Bandit: Hugo Hans Wilhelm Alffcke. Doch so, wie er da steht und aussagt, ein Biedermann vom Scheitel bis zur Sohle, stumpfsinnig und gleichgültig, ist er kein "Fall" mehr, ist um ihn keine Gloriole, weder im Guten, noch im Bösen. Er ist erschreckend normal, ein Alltagsmensch, ein Statist höchstens für das "Fernsehgericht", kein "Held" in einem Kriminalfilm."
Aha, schon 1966 wurde Bankräuber auf ihre Filmfähigkeit hin bewertet.
"Hugo Alffcke, für den die Zuhörerinnen im überfüllten Gerichtssaal mitleidige Sympathie empfinden, hat keine Geschichte zu erzählen. Er wollte Schlosser werden, aber das "Betriebsklima war schlecht", so lernte er bei seinem Vater die Weinküferei, bis er Soldat wurde und es zum Feldwebel brachte. Nach dem Krieg verkaufte er Heißgetränke; das langweilte ihn, so ging er zur Polizei, machte Streifendienst, schnappte einmal sogar einen Kirchenräuber, wurde selber erwischt, als er, um sein Taschengeld aufzufrischen, Autos für den "grauen Markt" von Süddeutschland zum Hamburger Hafen überführte, ließ sich zum Dienstjubiläum mit einer Urkunde "in Anerkennung treuer Dienste" und einem Zuschuß auszeichnen, wechselte als Pförtner in das Polizeipräsidium über und lebte unauffällig und bescheiden in einer Dachwohnung mit seiner Familie. Er lebte vor allem für seine drei Töchter und seine Hobbys, bastelte im Keller, fuhr mit dem Motorrad herum, ging auf Camping-Urlaub und half seiner Frau beim Abwaschen, holte ihr Kohlen und Kartoffeln. Einer von Millionen, brav, hausbacken, mit Familiensinn."
Nun, auch der Biedermann hat Träume, und in den 60er Jahren sind es Konsumträume, die sich andere erfüllen können, bloss ein kleiner Polizist eben nicht.
"Nach dem Urteil des medizinischen Sachverständigen ist Hugo Alffcke farblos, ohne Temperament. Als er bei seinem letzten Einbruchsversuch am 3. Januar 1966 bei der Oldenburger Landesbank in Delmenhorst überwältigt wurde, zuckte er nur mit den Schultern, wie einer, dem alles egal ist: Es mußte ja so kommen, eines Tages ... Und der nun büßen will, nachdem er alles zugab und auch einsah, daß er dem "Ansehen der Polizei" geschadet hat; der ergeben ist, ohne mit seinem Los zu hadern, in das Schicksal eines Kleinbürgers; der immer unbedeutend bleiben wird, nun für zwölf Jahre hinter Zuchthausmauern verschwinden muß und Zeit seines Lebens unter Polizeiaufsicht stehen wird."
Tja, gegenüber Abtrünnigen aus den eigenen Reihen ist der Staat eben schon damals gnadenlos gewesen.
"Hugo Alffcke, der sich schon als Polizist abkapselte - er hatte keine Freunde - und auch als Durchschnittsgangster ein Einzelgänger blieb - in der Untersuchungshaft trug er, um nicht aufzufallen, Sträflingskleidung -, ist kein gebrochener Mann. Tränen kennt er nicht, seine innere Not um die Zukunft zeigt er mit keiner Gebärde. Nur einmal, so berichtete der Gutachter, weinte Alffcke: als er nach seiner Frau fragte und wissen wollte, ob sie zu ihm halte, als er sich nach seiner neunjährigen Tochter erkundigte. Und daß er sich heute seiner Verbrechen schämt, gestand er nur mit der Bitte an seine Familie ein, ihn nicht im Zuchthaus zu besuchen."
Auch dort wird er, wie schon in der Oldenburger Untersuchungshaft, ein "idealer Gefangener" sein, unauffällig, bescheiden, devot. Nicht bei den Vernehmungen durch die Kriminalpolizei nicht während der Verhandlung brüstete er sich mit seinen Taten. In seinen kurzen Antworten war kein Anflug von Stolz, ein gewiegter Bandit gewesen zu sein. Auch später, wenn er seine Zeit abgesessen hat, wird er sich nicht rühmen wollen, elfmal "alles riskiert" zu haben.
Solche Texte sagen doch mehr über ihre Autoren, als über den beschriebenen Bankräuber aus. Jedenfalls eine Menge darüber, wie ein richtiger Verbrecher auszusehen hat:
Denn Hugo Alffcke, der geheimnislose Bankräuber, ist nicht einmal ein sonderlich couragierter Verbrecher gewesen. Er hatte Glück, kaum mehr. Glück, daß die Geldinstitute nicht ausreichend gesichert waren, daß die Angestellten angewiesen waren, keinen Widerstand zu leisten, daß die alarmierte Polizei immer zu spät kam. Einfach war sein Rezept: er kundschaftete die Banken vorher genau aus, zeichnete sich seinen Fluchtweg in eine Karte ein, suchte sich einen günstigen Zeitpunkt für den Überfall aus, sprang mit einem gewandten Satz über den Tresen, zwang die völlig verdutzten Kassierer an die Wand, rief ihnen kurz zu: "raus", "weg", griff sich das Geld und war auch schon verschwunden. Alffcke brauchte nur ein, zwei Minuten, dann war seine Tasche voll und er über alle Berge.
Aah, wenigstens ist er sportlich gewesen ...
"Bei den ersten Malen, so berichtete er stockend, mußte er noch seinen ganzen Mut zusammennehmen. Damals stülpte er sich auch noch Damenstrümpfe über das Gesicht und fuhr mit dem Fahrrad los. Bald aber, als alles wie am Schnürchen klappte. wurde er leichtsinnig und dreist: "Da bin ich in die Garage gegangen", das heißt, er brach sie auf. "Da habe ich mich nach einem Wagen umgesehen", das heißt, er stahl ihn und schraubte falsche Nummernschilder vor die Kennzeichen. Masken trug er bald auch nicht mehr, so schnodderig wurde Alffcke. Er fürchtete nicht mehr, erkannt zu werden. Sogar seinen Polizeiausweis hatte er manchmal bei sich."
Die eigentlich interessierende Frage, wird aber im ganzen Artikel nicht gestellt. Nämlich was Bankräuber und Polizisten gemeinsam haben könnten. Demgegenüber wird der Bursche als harmlos konstruiert, um das strukturell vergleichbare Moment in der jeweiligen Tätigkeit nicht benennen zu müssen. Und dann geht es natürlich um Autos:
"Raub wurde für den räuberischen Polizeimeister Alffcke zu einem Kinderspiel. Der Richter wunderte sich, wie er so schnell die gestohlenen Wagen aufbrechen und in Fahrt bringen konnte. Völlig grundlos: Alffcke, der Autonarr, brauchte dazu nur einen Schraubenzieher; mit einer Zange schloß er die Zündung kurz. "Das dauerte nur ein paar Minuten, ja." Der Richter wollte wissen, warum er nicht davor zurückgeschreckt sei, die Bankangestellten mit einer geladenen und entsicherten Pistole zu bedrohen; wie leicht hätte sie einmal losgehen können. Eine deplacierte Frage: Alffcke, der Revolverliebhaber und geübte Schütze, hätte im Ernstfall nur so zum Schreck in die Decke geschossen. Die Kugel wäre nicht etwa abgeprallt. "Die Decken sind ja aus Gips, da bleiben Kugeln stecken." "
Und das Motiv: Schulden und Konsum - ganz gewöhnliche Probleme und Wünsche
"Verwunderlicher waren da schon die Erklärungen des Angeklagten, warum er auf die Idee kam, auf Raubzüge zu gehen; erstaunlicher seine Beteuerungen, das meiste Geld - über 100 000 Mark - habe er ausgegeben (für Kleidung, Möbel, Werkzeuge, Urlaubsreisen, Gebrauchtwagen, den Kauf eines Reihenhauses); unglaubwürdiger für den Staatsanwalt seine Behauptungen, seine Frau habe nichts geahnt, sie habe ihm die Ausrede geglaubt, er verdiene sich in den dienstfreien Stunden bei Gemüsefahrten für einen Freund nebenbei etwas dazu.
Anfangs seien es Schulden gewesen, die sich angehäuft hätten; die eine Tochter sei krank geworden, die Frau zur Kur gefahren. Er mußte Geld herbeischaffen. Und dann, nach einem Einbruch, sei das Geld bald "wieder alle" gewesen. Alffcke suchte sich eine neue Bank aus. Einmal, nachdem er seinen größten Coup gelandet hatte - 118 000 Mark in Bad Oeynhausen -, wollte er "das nicht mehr weiter machen". Doch da las er eines Tages in den Zeitungen, die Banken würden in Zukunft besser gesichert. Rechtzeitig wollte sich Alffcke noch eine Reserve anlegen. Er ging nach Delmenhorst, suchte sich ein geeignetes Objekt aus, ließ sich in der Landesbank-Zweigstelle einen Tausendmarkschein wechseln, hechtete plötzlich über den Schaltertresen, zog seine Pistole, raffte 100 000 Mark zusammen, wollte noch mehr in die umgehängte Aktentasche einstecken, wurde von dem beherzten Kassierer niedergeschlagen, wehrte sich verzweifelt, biß einem Angestellten ins Bein - und wurde von der Polizei abgeführt."
Der Bankräuber ist immer der Buchhalter ....
"Der fügsame Hugo Alffcke, auch darin ist er ein ganz "gewöhnlicher" Bandit, trank nie, rauchte nicht und hatte keine Freundin. Er lebte für seine Familie, ein stilles, sonst gleichförmiges Leben. Nichts setzte ihn je in Erstaunen, nicht einmal sein Mißgeschick an jenem 3. Januar 1966 in Delmenhorst. Auf die letzte Frage des Richters, was er denn mit seiner Beute gemacht habe, gab der Angeklagte zur Antwort: "Ich hab' mir das alles noch mal so durchgerechnet, und da hab' ich festgestellt, wie schnell und unauffällig man Geld ausgeben kann." Es war das einzige Mal in seinem Prozeß, daß Hugo Alffcke sich wunderte."
vabanque - am Mittwoch, 12. April 2006, 18:22 - Rubrik: Biographien des Bankraubs
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würde ich meinen.
Die Hamburger Morgenpost (MoPo) berichtete aber anlässlich ihrer Serie über "100 JAHRE SANTA FU" auch über "berühmte Knast-Insassen", die keine andere Wahl hatten bzw. haben. Am gestrigen Dienstag (11.4. 2006) werden unter der Überschrift "Bestien und Schlitzohren" auch zwei in diesem Blog interessierende Insassen "portraitiert" (?):
"Ein Jahrhundert Santa Fu: In der Geschichte des legendären Knasts saßen eine Reihe von Verbrechern, die Kriminalgeschichte geschrieben hat. Die MOPO stellt fünf von ihnen vor:
Meisterdieb "Lord von Barmbeck": In Wirklichkeit heißt er Julius Adolf Petersen und ist das, was man einen Gentleman-Gauner nennen würde. Der stets elegant auftretende Meisterdieb gesteht 1922 der Polizei 49 "Einbrüche und Räubereien". Petersen sahnte groß ab: So etwa im Postamt 6 in der Susannenstraße (222000 Mark). 1923 wird er zu mehr als 50 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1933 erhängt er sich in seiner Zelle.
(...)
Polizei-Bankräuber Hugo Alffcke: An der Hauswache des Polizeipräsidiums sieht der Polizist viele Bankräuber vorbeiziehen. Von 1960 bis 1966 ist er selber einer, erbeutet bei zehn Überfällen mehr als 230000 Mark. Beim elften Mal überwältigen ihn Bankangestellte."
Hugo Alffcke, das war einer jener 60er Jahre Bankräuber, der als eine Inkarnation des Wirtschaftswunderzeitalters gelten könnte. Die ZEIT berichtete Anfang 1966 über die Verurteilung.
Die Hamburger Morgenpost (MoPo) berichtete aber anlässlich ihrer Serie über "100 JAHRE SANTA FU" auch über "berühmte Knast-Insassen", die keine andere Wahl hatten bzw. haben. Am gestrigen Dienstag (11.4. 2006) werden unter der Überschrift "Bestien und Schlitzohren" auch zwei in diesem Blog interessierende Insassen "portraitiert" (?):
"Ein Jahrhundert Santa Fu: In der Geschichte des legendären Knasts saßen eine Reihe von Verbrechern, die Kriminalgeschichte geschrieben hat. Die MOPO stellt fünf von ihnen vor:
Meisterdieb "Lord von Barmbeck": In Wirklichkeit heißt er Julius Adolf Petersen und ist das, was man einen Gentleman-Gauner nennen würde. Der stets elegant auftretende Meisterdieb gesteht 1922 der Polizei 49 "Einbrüche und Räubereien". Petersen sahnte groß ab: So etwa im Postamt 6 in der Susannenstraße (222000 Mark). 1923 wird er zu mehr als 50 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1933 erhängt er sich in seiner Zelle.
(...)
Polizei-Bankräuber Hugo Alffcke: An der Hauswache des Polizeipräsidiums sieht der Polizist viele Bankräuber vorbeiziehen. Von 1960 bis 1966 ist er selber einer, erbeutet bei zehn Überfällen mehr als 230000 Mark. Beim elften Mal überwältigen ihn Bankangestellte."
Hugo Alffcke, das war einer jener 60er Jahre Bankräuber, der als eine Inkarnation des Wirtschaftswunderzeitalters gelten könnte. Die ZEIT berichtete Anfang 1966 über die Verurteilung.
vabanque - am Mittwoch, 12. April 2006, 18:06 - Rubrik: Biographien des Bankraubs
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