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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
Endlich mal wieder ein Artikel, der nicht nur die Agenturmeldungen nachbetet. Die Schweizer Sonntagszeitung (14.8. 2005) hat Marco Morell recherchieren lassen. Der Beitrag beginnt mit einer uns nur zu bekannten Erkenntnis:

Geld am Ende des Tunnels
»Keine Waffen, kaum Spuren, riesige Beute: Der fast perfekte Bankraub von Fortaleza

Wenn dreiste Diebe eine reiche Institution auf einen Schlag arm machen und die Polizei dabei alt ausschaut, schlagen die Herzen der Normalbürger heimlich höher. Das funktioniert so seit Robin Hood und Jesse James und jetzt erneut in Anbetracht der unglaublichen Ereignisse, die sich letzte Woche in der brasilianischen Stadt Fortaleza abspielten.


Wenn es gegen "die da oben" geht, gibt es offensichtlich auch im Braslien des linksgerichteten Präsidenten Lula genügend Gründe zur Schadenfreude:

"Auf Mitleid kann die ausgeraubte Zentralbank in Brasilien umso weniger hoffen, als das Ansehen der Machtelite derzeit so tief ist wie selten zuvor: wegen des immer weitere Kreise ziehenden Korruptionsskandals in der Arbeiterpartei Präsident Lulas. Endlich zeigt es jemand «denen da oben» so richtig! "

Richtig ungemütlich wird es für "die da oben", wenn der Tathergang Stil und Format aufweist:

"Erstaunlich am Bankraub von Fortaleza ist nicht nur die Höhe der Beute, sondern vor allem die perfekte Durchführung. Von der monatelangen Vorbereitung bis zur Flucht scheint alles minuziös nach Plan abgelaufen zu sein. Sogar die Polizei zeigte sich davon fasziniert. «Es ist wie im Film», meinte der Polizeichef des Bundesstaats Cear á, dessen Hauptstadt Fortaleza ist. "

Der Sonntagszeitungs-Artikel benennt die Faktoren des öffentlichen Erfolgs, nämlich präzises Handwerk:
Vorbereitung und Tarnung (Einen Tunnel sowie eine Tätigkeit, die die Arbeit daran unauffällig erscheinen lässt), Überwindung der HighTech-Sicherungen sowie der Abgang.
Was noch fehlt ist die enorme Summe, die in einem Land wie Brasilien märchenhaft anmutet:
  • Der Tunnel: Als die Polizisten durchs Loch im Tresorraum hinunterstiegen, entdeckten sie einen Tunnel von 78 Meter Länge. Er war mit Holzverstrebungen abgestützt, mit Holzplatten und Plastik verkleidet und mit elektrischem Licht, einer Klima- und einer Gegensprechanlage ausgerüstet. Die 3,5 Tonnen schwere Beute zogen die Einbrecher offenbar mit einer Art Fliessband aus Plastiksäcken und Schnüren durch den Tunnel. Ein Ingenieur sprach gegenüber der Zeitung «O Globo» von einer «technisch einwandfreien Konstruktion», die angesichts des hohen Sandanteils im Untergrund einiges an Fachwissen erfordert habe.
  • Die Tarnung: Der Tunnel führte die Polizisten in ein einen Häuserblock entferntes Wohnhaus. Dort hatte sich im Erdgeschoss vor drei Monaten eine Gartenbaufirma niedergelassen mit dem Namen Grama Sintética, die sich als Spezialist für Kunstrasen ausgab. In Wirklichkeit war es eine Tarnfirma. Sie ermöglichte es den Einbrechern, die ausgegrabene Erde ohne Verdacht zu erwecken aus dem Herzen der Zwei-Millionen-Stadt zu transportieren. Insgesamt mussten sie hundert Tonnen Erde wegschaffen oder sechs grosse Lastwagen voll. Nachbarn beschrieben die angeblich zehn Männer, die im Haus verkehrten, als freundlich. Sie seien häufig in den Restaurants und Bars des Quartiers anzutreffen gewesen und hätten einen fremden Akzent gesprochen. Ihr Chef hatte am 2. Mai die Gartenbaufirma registrieren lassen, mit einem gefälschten Ausweis, der auf den Namen Paulo Sérgio de Souz a lautete.
  • Der Einbruch: Die Polizei vermutet, dass die Täter in der Nacht auf vergangenen Samstag in den Tresorraum eindrangen. Das Werkzeug zum Aufbrechen des Betonbodens liessen sie am Tatort zurück. Die Bewegungs- und Lichtsensoren erzeugten keinen Alarm. Den drei Überwachungskameras war von einem Gabelstapler und den Containern, aus denen das Geld entwendet wurde, die Sicht verdeckt. Die Polizei gibt sich überzeugt, dass die Bande über Komplizen in der Zentralbank verfügte. Im Tresor befanden sich hauptsächlich gebrauchte Noten, deren Zustand überprüft werden sollte. Die frisch gedruckten mit zusammenhängenden Seriennummern liessen die Einbrecher im Safe zurück. Die Nummern der gebrauchten Noten sind nicht registriert.
  • Die Flucht: Laut der Polizei hatte die Bande ihr Werk am Samstagmorgen «zwischen zehn und zwölf Uhr» vollbracht. Bis zur Entdeckung des Überfalls am Montag verblieben den Mitgliedern 44 Stunden zur Flucht. In der Wohnung am Ende des Tunnels verstreuten sie überall Löschkalk, um die Spurensicherung zu erschweren; trotzdem ist es der Polizei gelungen, an der Gegensprechanlage zum Tunnel und einem Schrank Fingerabdrücke zu sichern. Am Samstag um 14 Uhr wurden am Flughafen Fortalezas acht Flugtickets nach São Paulo gekauft. Bezahlt wurde bar mit 50er-Noten. Um 17 Uhr wurden laut der Zeitung «O Povo» in der Einstellgarage eines weiteren Wohnhauses zwei Männer beobachtet, wie sie einen Geländewagen mit Säcken beluden. Die Polizei vermutet, dass das Haus ein zweiter Stützpunkt der Bande war.


Nunmehr läuft die Fahndung und natürlich bleiben bei einem solchen Projekt unfreiwillige Spuren nicht aus:

"Lippenstiftspuren sollen zu den Tätern führen
Nicht nur der Raffinesse der Einbrecher ist das Gelingen des grössten Banküberfalls in der Geschichte Brasiliens zu verdanken, sondern auch den krassen Mängeln im Sicherheitsdispositiv der Bank. Zum Schrecken der Polizei wurden die von den Videokameras im Tresorraum aufgenommenen Bilder nicht auf Band aufgezeichnet, sondern nur auf einen Monitor einer privaten Sicherheitsfirma übertragen. Die wiederum beteuerte, ihr Auftrag habe sich auf die Ein- und Ausgänge der Bank sowie deren Umgebung beschränkt und das, obwohl gemäss «O Povo» bei der Polizei seit Jahresbeginn wiederholt Warnungen eingegangen waren, wonach in Fortaleza ein «grosses Ding» in Vorbereitung sei. Zu allem hinzu ist das erbeutete Geld nicht versichert, von der Versicherung gedeckt sind nur die Geldtransporte womit letztlich die brasilianischen Steuerzahler für den Schaden werden aufkommen müssen.

Immerhin hat die Polizei inzwischen einen Bruchteil der Beute sicherstellen können. In drei Personenwagen, die auf einem Autotransporter unterwegs waren, hat sie fünf Millionen Real in 50er-Noten gefunden. Der Transporter war bei Belo Horizonte, 1900 Kilometer südlich von Fortaleza, angehalten worden, nachdem die Polizei Hinweise erhalten hatte, dass die Autos mit Bargeld gekauft worden waren. Der Fahrer des Transporters und drei weitere Insassen befinden sich in Polizeigewahrsam. Auf einem Parkplatz in Fortaleza wurde ausserdem ein Lieferwagen beschlagnahmt, in dem sich 5000 Real in 50er-Noten befanden, der Grossteil davon in Bündeln mit dem Siegel der Zentralbank.

Hoffnung für die Jagd nach den Tätern macht sich die Polizei vor allem wegen der Zigarettenstummel, die sie im Lieferwagen fand. Einige trugen Spuren von Lippenstift. So perfekt der Bankraub von Fortaleza ausgeführt wurde, eine uralte Weisheit hat auch er nicht widerlegen können: Kein Mensch ist fehlerfrei."

 

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