Jewish Studies
"Wie man sich benimmt" lautet die Überschrift eines Artikels aus der Süddeutschen (5.1.2008) von Willi Winkler und erinnert dabei an die große alte Zeit der "Jewish Mobsters"
"Finanzgauner Bernie Madoff, der seine Umwelt um Milliarden betrogen hat, bietet einen Abglanz der heroischen Zeit, als noch nicht alle Juden gute Menschen sein mussten.
Die Geschichtsbücher, in denen zum Jahreswechsel wieder so eifrig geblättert wurde, sind schon recht überfüllt, und wahrscheinlich ist deshalb ein Ereignis nirgendwo festgehalten, das doch so bezeichnend ist für den Fortgang des amerikanischen 20. Jahrhunderts: In einer dunklen Nacht des Jahres 1927, die Wirtschaftskrise war noch weit, aber jedermann dankbar für eine kleine Ablenkung, überfiel eine schwerbewaffnete Gang einen Transport mit bestem irischen Whiskey. Es ging um viel Geld, und deshalb mussten elf Menschen ihr Leben lassen.
So brutal der Überfall war, in der anekdotenreichen Geschichte der Prohibition, die erst 1933 endete, wäre er nur einer unter vielen anderen geblieben, wenn nicht bei dieser Gelegenheit zwei mächtige Gegner aufeinandergetroffen wären, die um mehr als nur einen Geleitzug voller Alkohol kämpften. Der Whiskey, den die Schmuggler transportierten, sollte den nicht geringen Reichtum des irischstämmigen Bostoner Bankers Joseph Kennedy noch weiter mehren, und die Burschen, die sich der wertvollen Ladung bemächtigten, wurden von dem jüdischen Gangster Meyer Lansky angeführt, der wenige Jahre später die Spielerstadt Las Vegas etablieren sollte."
Und bei Willi Winkler ist so ein Thema doch sehr gut aufgehoben und erweitert die Perspektive mit seinem Blick auf die literarische Verarbeitung des Thema:
Feindselige Gesellschaft
Versteht sich, dass sich die beiden Gangs bald einigten und lieber den Markt unter sich aufteilten, als sich weiter zu bekriegen, denn beide waren Außenseiter in der strikt angelsächsisch geprägten amerikanischen Gesellschaft. Als sich die großen Gangster sämtlicher Syndikate zwei Jahre später zur Feier ihrer Fusion in einem Hotel in Atlantic City trafen, meldeten sie sich vorsichtshalber unter britisch klingenden Namen an; Juden und Katholiken waren im Atlantic City Break Hotel wie in den meisten anderen Hotels ebenso wenig erwünscht wie Schwarze.
Vollständige Mimikry war die einzige Möglichkeit, sich dieser feindseligen Gesellschaft aufzudrängen. Im "Großen Gatsby" (1925), F. Scott Fitzgeralds Studie über das jazz age, die Goldenen Jahre vor dem Zusammenbruch, erscheint im Mittelgrund ein Mann, der selbst den treuesten Lesern dieses Romans bis heute einige Schwierigkeiten bereitet. (In der deutschen Ausgabe wirkt der Übersetzer an den heiklen Stellen vorsichtshalber als Zensor.) Meyer Wolfsheim, der Mann, "der die 'World Series' von 1919 gedeichselt hat", ist auch der Mann, der den gutaussehenden Titelhelden "aus der Gosse" nach oben geholt hat.
Fitzgerald stattet ihn mit seltsamen Charakteristika aus: Wolfsheim pfeift einen Schlager jener Tage, der "The Rosary" (Der Rosenkranz) heißt, er trägt menschliche Backenzähne als Manschettenknöpfe, aus seiner Nase wuchern Haare büschelweise, und an seiner Bürotür entdeckt der Erzähler das Firmenschild einer "Swastika Holding Company". Dieser Meyer Wolfsheim ist, wie der Leser sofort merken soll, Jude. Die Swastika, das muss man in Deutschland nicht erklären, ist das Hakenkreuz, und in den antisemitischen zwanziger Jahren ist für einen jüdischen Gangster, der unbedingt ein Geschäftsmann sein will, eine bessere Tarnung kaum vorstellbar. Dieser Wolfsheim geht auf den 1882 geborenen Gangster Arnold Rothstein zurück. Er stammte aus einer ebenso frommen wie wohlhabenden New Yorker Familie; einer seiner Brüder war Rabbi.
Zu Arnold Rothstein
Arnold Rothstein aber hatte anderes im Sinn; statt sich über die Tora zu beugen, begründete er das organisierte Verbrechen in den USA. Auch wenn ihn Fitzgerald so zeichnet, hatte er nichts von einem Shylock, dafür sehr viel von einem Intellektuellen. Zwar widmete sich mit Hingabe dem Glücksspiel, doch setzte er dabei seinen messerscharfen mathematischen Verstand ein. Unermüdlich rechnete er Chancen und Risiken aus und verschob Wetten, wie er sie brauchte.
Der Moses der jüdischen Gangster
Die Prohibition, die 1920 aus den kalvinistischen USA einen gottesfürchtigen und wahrhaft nüchternen Staat machen sollte, verschaffte Rothstein die Eintrittskarte in die Gesellschaft, die Juden sonst gründlich verachtete. In der rasch aufblühenden Schattenwirtschaft eröffnete sich mit einem Mal die Möglichkeit, ein anerkannter Marktteilnehmer zu werden. Rich Cohen nennt Rothstein deshalb den Moses der jüdischen Gangster, den Mann, der den kleinen Ganoven New Yorks zeigte, wie man sich in der besseren Welt benimmt, wie man sich anzieht, wie man mit Stil auftritt und dabei vor allem viel Geld verdient.
Nebenbei war der gerissenste Gauner seiner Zeit als Wohltäter bekannt; mit seinem märchenhaften Reichtum finanzierte er den Bau mehrere Synagogen in New York, was ihn natürlich nicht hinderte, eine Katholikin zu heiraten. Arnold Rothstein starb 1928 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ein Killer erschoss ihn, weil er sich geweigert hatte, eine Pokerschuld von 320.000 Dollar zu begleichen.
Nirgendwo besser als bei den Gangstern zeigt sich ein Phänomen, das in der amerikanischen Gesellschaft sonst nicht vorkommt, weil es nicht vorkommen darf: der Klassenkampf. Ohne die grundlegende Arbeit dieser Außenseiter ist die amerikanische Gesellschaft gar nicht vorstellbar. Sie jagen dem amerikanischen Traum, der ihnen verwehrt wurde, umso verbissener hinterher und schaffen dabei ein Paralleluniversum, das dem der etablierten Mächte wie eine Karikatur nachgebildet ist.
Lucky Luciano, Bugsy Siegel und vor allem Meyer Lansky waren die Meisterschüler des Gründervaters Rothstein. Las Vegas wurde das Symbol dieses Erfolgs. Bis in den Zweiten Weltkrieg existierte der Ort allenfalls als Rastplatz für Lastwagenfahrer, doch die liberalen Gesetze im Mormonenstaat Nevada erlaubten den im Osten reich gewordenen Gangstern, ihr Kapital in ein utopisches Projekt zu investieren: eine Stadt, in der Freizeit industriell herstellbar und wiederum zu verkaufen war. Hier gab es alles, was anderswo verboten war: Frauen, Alkohol, Drogen und Casinos.
Auch Hollywood strickte am Mythos mit:
Wir sind größer als U.S. Steel
Das Gangster-Syndikat, das sich bald über die gesamten Vereinigten Staaten ausbreitete, expandierte schließlich von Las Vegas weiter nach Havanna, wo es unfreiwillig den Boden für die kubanische Revolution in der Neujahrsnacht 1959 bereitete. Der Diktator Batista existierte zuletzt nurmehr als Marionette des Syndikats, das auf Kuba mit dem Segen der nordamerikanischen Wirtschaft seine besten off shore-Geschäfte betrieb. "Wir sind größer als U.S. Steel", sagt der Meyer Lansky liebevoll nachgebildete Hyman Roth (Lee Strasberg) in Francis Ford Coppolas zweitem "Paten"-Film.
Seit den dreißiger Jahren wuchs die Bewunderung für die Gangster vor allem unter der jüdischen Bevölkerung Amerikas ins Ungemessene. Während sie in Europa verfolgt, geschlagen, schließlich systematisch umgebracht wurden, setzten sich diese endlich zur Wehr. Sie waren nicht bereit, sich willig zur Schlachtbank führen zu lassen, sondern kämpften um ihren Platz in der Gesellschaft.
Meyer Lansky rühmte sich, dass er ein ganzes Schiff mit Waffen für die Freischärler ausgerüstet habe, die 1947/48 mit terroristischen Anschlägen gegen die britische Besatzung für ein unabhängiges Israel kämpften. Bis zuletzt blieb er glühender Zionist und konnte sich sogar eine Zeitlang in Israel vor den Nachstellungen der amerikanischen Finanzaufsicht verstecken.
Rich Cohen, der ein Buch über die jüdischen Gangster geschrieben hat, trauert der Zeit nach, als es den amerikanischen Juden noch nicht um die Anerkennung durch die herrschende angelsächsische Schicht ging. "Ich glaube, dass es der jüdischen Gemeinde besser ginge, wenn es erfolgreiche jüdische Gangster auch heute noch gäbe."
Wohl wahr, Kriminalität gehört zu jeder Gesellschaft und selbstverständlich gibt es dann auch jüdische Kriminelle. Aber ob Madoff nun die geeignete Figur ist, den Jewish Mobster wieder aufleben zu lassen? Da ging es doch noch etwas handfester zur Sache:
Für die jüdische Sache
Dabei liegt nichts näher, als sich Reputation, die einem sonst verweigert wird, durch Geld zu erkaufen. "Für mich und meine Generation, die mit ausschließlich guten Juden aufwuchs, mit Spendensammlern und Aktivisten, bieten die Gangster einen Blick in eine vergangene Zeit. Es ist wie eine Erinnerung an eine weniger gefestigte Epoche, wie eine Eiszeit, als die Erde noch über eine viel größere Artenvielfalt verfügte."
Bernie Madoff, der sich seit seinem Geständnis im Dezember als einer der größten Schwindler der Finanzgeschichte offenbart hat, wirkt wie ein solches Überbleibsel aus der Eiszeit, ein mammutähnliches Wesen, wie es die Taxonomie der modernen Wirtschaft sonst nicht mehr zulässt.
Wenn seinem Mitte Dezember abgelegten Geständnis zu trauen ist, war Madoff der größte, wenn auch nicht der gerissenste Finanzjongleur seit Arnold Rothstein. Wie Meyer Lansky gab er Geld für die jüdische Sache, zog damit aber auch jüdische Wohlfahrtsorganisationen an, die jetzt ihr Geld in einem schwindelerregenden Abgrund verloren haben. Als wollte er die amerikanische Klassengesellschaft parodieren, fand Madoff fand seine reputationssüchtigen Kunden im Country Club, diesem Inbegriff des angelsächsischen Aristokratentums.
Der Finanzgauner Madoff, der seine Umwelt um Millionen und Milliarden betrogen hat, bietet einen Abglanz der heroischen Zeit, als noch nicht alle Juden gute Menschen sein mussten. Niemand hat die Mimikry weiter getrieben, niemand hat es besser verstanden, sich in einer tendenziell judenfeindlichen Gesellschaft zu assimilieren als dieser Schwindler.
"Finanzgauner Bernie Madoff, der seine Umwelt um Milliarden betrogen hat, bietet einen Abglanz der heroischen Zeit, als noch nicht alle Juden gute Menschen sein mussten.
Die Geschichtsbücher, in denen zum Jahreswechsel wieder so eifrig geblättert wurde, sind schon recht überfüllt, und wahrscheinlich ist deshalb ein Ereignis nirgendwo festgehalten, das doch so bezeichnend ist für den Fortgang des amerikanischen 20. Jahrhunderts: In einer dunklen Nacht des Jahres 1927, die Wirtschaftskrise war noch weit, aber jedermann dankbar für eine kleine Ablenkung, überfiel eine schwerbewaffnete Gang einen Transport mit bestem irischen Whiskey. Es ging um viel Geld, und deshalb mussten elf Menschen ihr Leben lassen.
So brutal der Überfall war, in der anekdotenreichen Geschichte der Prohibition, die erst 1933 endete, wäre er nur einer unter vielen anderen geblieben, wenn nicht bei dieser Gelegenheit zwei mächtige Gegner aufeinandergetroffen wären, die um mehr als nur einen Geleitzug voller Alkohol kämpften. Der Whiskey, den die Schmuggler transportierten, sollte den nicht geringen Reichtum des irischstämmigen Bostoner Bankers Joseph Kennedy noch weiter mehren, und die Burschen, die sich der wertvollen Ladung bemächtigten, wurden von dem jüdischen Gangster Meyer Lansky angeführt, der wenige Jahre später die Spielerstadt Las Vegas etablieren sollte."
Und bei Willi Winkler ist so ein Thema doch sehr gut aufgehoben und erweitert die Perspektive mit seinem Blick auf die literarische Verarbeitung des Thema:
Feindselige Gesellschaft
Versteht sich, dass sich die beiden Gangs bald einigten und lieber den Markt unter sich aufteilten, als sich weiter zu bekriegen, denn beide waren Außenseiter in der strikt angelsächsisch geprägten amerikanischen Gesellschaft. Als sich die großen Gangster sämtlicher Syndikate zwei Jahre später zur Feier ihrer Fusion in einem Hotel in Atlantic City trafen, meldeten sie sich vorsichtshalber unter britisch klingenden Namen an; Juden und Katholiken waren im Atlantic City Break Hotel wie in den meisten anderen Hotels ebenso wenig erwünscht wie Schwarze.
Vollständige Mimikry war die einzige Möglichkeit, sich dieser feindseligen Gesellschaft aufzudrängen. Im "Großen Gatsby" (1925), F. Scott Fitzgeralds Studie über das jazz age, die Goldenen Jahre vor dem Zusammenbruch, erscheint im Mittelgrund ein Mann, der selbst den treuesten Lesern dieses Romans bis heute einige Schwierigkeiten bereitet. (In der deutschen Ausgabe wirkt der Übersetzer an den heiklen Stellen vorsichtshalber als Zensor.) Meyer Wolfsheim, der Mann, "der die 'World Series' von 1919 gedeichselt hat", ist auch der Mann, der den gutaussehenden Titelhelden "aus der Gosse" nach oben geholt hat.
Fitzgerald stattet ihn mit seltsamen Charakteristika aus: Wolfsheim pfeift einen Schlager jener Tage, der "The Rosary" (Der Rosenkranz) heißt, er trägt menschliche Backenzähne als Manschettenknöpfe, aus seiner Nase wuchern Haare büschelweise, und an seiner Bürotür entdeckt der Erzähler das Firmenschild einer "Swastika Holding Company". Dieser Meyer Wolfsheim ist, wie der Leser sofort merken soll, Jude. Die Swastika, das muss man in Deutschland nicht erklären, ist das Hakenkreuz, und in den antisemitischen zwanziger Jahren ist für einen jüdischen Gangster, der unbedingt ein Geschäftsmann sein will, eine bessere Tarnung kaum vorstellbar. Dieser Wolfsheim geht auf den 1882 geborenen Gangster Arnold Rothstein zurück. Er stammte aus einer ebenso frommen wie wohlhabenden New Yorker Familie; einer seiner Brüder war Rabbi.
Zu Arnold Rothstein
Arnold Rothstein aber hatte anderes im Sinn; statt sich über die Tora zu beugen, begründete er das organisierte Verbrechen in den USA. Auch wenn ihn Fitzgerald so zeichnet, hatte er nichts von einem Shylock, dafür sehr viel von einem Intellektuellen. Zwar widmete sich mit Hingabe dem Glücksspiel, doch setzte er dabei seinen messerscharfen mathematischen Verstand ein. Unermüdlich rechnete er Chancen und Risiken aus und verschob Wetten, wie er sie brauchte.
Der Moses der jüdischen Gangster
Die Prohibition, die 1920 aus den kalvinistischen USA einen gottesfürchtigen und wahrhaft nüchternen Staat machen sollte, verschaffte Rothstein die Eintrittskarte in die Gesellschaft, die Juden sonst gründlich verachtete. In der rasch aufblühenden Schattenwirtschaft eröffnete sich mit einem Mal die Möglichkeit, ein anerkannter Marktteilnehmer zu werden. Rich Cohen nennt Rothstein deshalb den Moses der jüdischen Gangster, den Mann, der den kleinen Ganoven New Yorks zeigte, wie man sich in der besseren Welt benimmt, wie man sich anzieht, wie man mit Stil auftritt und dabei vor allem viel Geld verdient.
Nebenbei war der gerissenste Gauner seiner Zeit als Wohltäter bekannt; mit seinem märchenhaften Reichtum finanzierte er den Bau mehrere Synagogen in New York, was ihn natürlich nicht hinderte, eine Katholikin zu heiraten. Arnold Rothstein starb 1928 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ein Killer erschoss ihn, weil er sich geweigert hatte, eine Pokerschuld von 320.000 Dollar zu begleichen.
Nirgendwo besser als bei den Gangstern zeigt sich ein Phänomen, das in der amerikanischen Gesellschaft sonst nicht vorkommt, weil es nicht vorkommen darf: der Klassenkampf. Ohne die grundlegende Arbeit dieser Außenseiter ist die amerikanische Gesellschaft gar nicht vorstellbar. Sie jagen dem amerikanischen Traum, der ihnen verwehrt wurde, umso verbissener hinterher und schaffen dabei ein Paralleluniversum, das dem der etablierten Mächte wie eine Karikatur nachgebildet ist.
Lucky Luciano, Bugsy Siegel und vor allem Meyer Lansky waren die Meisterschüler des Gründervaters Rothstein. Las Vegas wurde das Symbol dieses Erfolgs. Bis in den Zweiten Weltkrieg existierte der Ort allenfalls als Rastplatz für Lastwagenfahrer, doch die liberalen Gesetze im Mormonenstaat Nevada erlaubten den im Osten reich gewordenen Gangstern, ihr Kapital in ein utopisches Projekt zu investieren: eine Stadt, in der Freizeit industriell herstellbar und wiederum zu verkaufen war. Hier gab es alles, was anderswo verboten war: Frauen, Alkohol, Drogen und Casinos.
Auch Hollywood strickte am Mythos mit:
Wir sind größer als U.S. Steel
Das Gangster-Syndikat, das sich bald über die gesamten Vereinigten Staaten ausbreitete, expandierte schließlich von Las Vegas weiter nach Havanna, wo es unfreiwillig den Boden für die kubanische Revolution in der Neujahrsnacht 1959 bereitete. Der Diktator Batista existierte zuletzt nurmehr als Marionette des Syndikats, das auf Kuba mit dem Segen der nordamerikanischen Wirtschaft seine besten off shore-Geschäfte betrieb. "Wir sind größer als U.S. Steel", sagt der Meyer Lansky liebevoll nachgebildete Hyman Roth (Lee Strasberg) in Francis Ford Coppolas zweitem "Paten"-Film.
Seit den dreißiger Jahren wuchs die Bewunderung für die Gangster vor allem unter der jüdischen Bevölkerung Amerikas ins Ungemessene. Während sie in Europa verfolgt, geschlagen, schließlich systematisch umgebracht wurden, setzten sich diese endlich zur Wehr. Sie waren nicht bereit, sich willig zur Schlachtbank führen zu lassen, sondern kämpften um ihren Platz in der Gesellschaft.
Meyer Lansky rühmte sich, dass er ein ganzes Schiff mit Waffen für die Freischärler ausgerüstet habe, die 1947/48 mit terroristischen Anschlägen gegen die britische Besatzung für ein unabhängiges Israel kämpften. Bis zuletzt blieb er glühender Zionist und konnte sich sogar eine Zeitlang in Israel vor den Nachstellungen der amerikanischen Finanzaufsicht verstecken.
Rich Cohen, der ein Buch über die jüdischen Gangster geschrieben hat, trauert der Zeit nach, als es den amerikanischen Juden noch nicht um die Anerkennung durch die herrschende angelsächsische Schicht ging. "Ich glaube, dass es der jüdischen Gemeinde besser ginge, wenn es erfolgreiche jüdische Gangster auch heute noch gäbe."
Wohl wahr, Kriminalität gehört zu jeder Gesellschaft und selbstverständlich gibt es dann auch jüdische Kriminelle. Aber ob Madoff nun die geeignete Figur ist, den Jewish Mobster wieder aufleben zu lassen? Da ging es doch noch etwas handfester zur Sache:
Für die jüdische Sache
Dabei liegt nichts näher, als sich Reputation, die einem sonst verweigert wird, durch Geld zu erkaufen. "Für mich und meine Generation, die mit ausschließlich guten Juden aufwuchs, mit Spendensammlern und Aktivisten, bieten die Gangster einen Blick in eine vergangene Zeit. Es ist wie eine Erinnerung an eine weniger gefestigte Epoche, wie eine Eiszeit, als die Erde noch über eine viel größere Artenvielfalt verfügte."
Bernie Madoff, der sich seit seinem Geständnis im Dezember als einer der größten Schwindler der Finanzgeschichte offenbart hat, wirkt wie ein solches Überbleibsel aus der Eiszeit, ein mammutähnliches Wesen, wie es die Taxonomie der modernen Wirtschaft sonst nicht mehr zulässt.
Wenn seinem Mitte Dezember abgelegten Geständnis zu trauen ist, war Madoff der größte, wenn auch nicht der gerissenste Finanzjongleur seit Arnold Rothstein. Wie Meyer Lansky gab er Geld für die jüdische Sache, zog damit aber auch jüdische Wohlfahrtsorganisationen an, die jetzt ihr Geld in einem schwindelerregenden Abgrund verloren haben. Als wollte er die amerikanische Klassengesellschaft parodieren, fand Madoff fand seine reputationssüchtigen Kunden im Country Club, diesem Inbegriff des angelsächsischen Aristokratentums.
Der Finanzgauner Madoff, der seine Umwelt um Millionen und Milliarden betrogen hat, bietet einen Abglanz der heroischen Zeit, als noch nicht alle Juden gute Menschen sein mussten. Niemand hat die Mimikry weiter getrieben, niemand hat es besser verstanden, sich in einer tendenziell judenfeindlichen Gesellschaft zu assimilieren als dieser Schwindler.
sparkassenkunde - am Dienstag, 6. Januar 2009, 00:33 - Rubrik: Jewish Studies
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Andrea Hoffmann (Celle/Tübingen) ist Autorin des Artikels " 'Nur wer überlebt hat Recht' - Bankraub im Wilden Westen" in Vabanque und war lange Jahre Mitarbeiterin der Tübinger Geschichtswerkstatt.
Am kommenden Donnerstag, 2.2. 2006, 20.15 Uhr, spricht sie im Tübinger DAI (Deutsch-Amerikanisches Institut) zum Thema
„Jewish Mobsters“ – Jüdische Mafiosi
Jewish Life in New York: Um 1900 war fast ein Drittel der New Yorker Bevölkerung jüdischer Herkunft, bis 1920 stieg ihr Anteil an der Bevölkerung weiter. Juden waren also keine Minderheit und hatten an allen gesellschaftlichen Entwicklungen proportionalen Anteil – auch an der Entwicklung des Gangsterwesens. Armut und Elend, sozialer Druck und die Erfahrungen von Verfolgung und Ausbeutung in den Herkunftsländern brachten einige der Einwanderer dazu, im Gangsterwesen ihr Glück zu versuchen und so am „American Dream“ teilzuhaben, dessen Erfüllung ihnen oft genug verwehrt war. Letztlich stellte es für manch einen auch eine Form von Freiheit dar, Krimineller zu werden, zurück zu schlagen und so für Selbsterhaltung und Selbstbehauptung zu sorgen.
Preis: 3 €, ermäßigt 2 €, d.a.i.-Mitglieder und volunteers/ehrenamtlich Tätige frei"
Weitere Beiträge zum Thema "Jewish Mobsters" vgl. die Einträge unter "Jewish Studies" in diesem Blog (einfach scrollen).
Am kommenden Donnerstag, 2.2. 2006, 20.15 Uhr, spricht sie im Tübinger DAI (Deutsch-Amerikanisches Institut) zum Thema
„Jewish Mobsters“ – Jüdische Mafiosi
Jewish Life in New York: Um 1900 war fast ein Drittel der New Yorker Bevölkerung jüdischer Herkunft, bis 1920 stieg ihr Anteil an der Bevölkerung weiter. Juden waren also keine Minderheit und hatten an allen gesellschaftlichen Entwicklungen proportionalen Anteil – auch an der Entwicklung des Gangsterwesens. Armut und Elend, sozialer Druck und die Erfahrungen von Verfolgung und Ausbeutung in den Herkunftsländern brachten einige der Einwanderer dazu, im Gangsterwesen ihr Glück zu versuchen und so am „American Dream“ teilzuhaben, dessen Erfüllung ihnen oft genug verwehrt war. Letztlich stellte es für manch einen auch eine Form von Freiheit dar, Krimineller zu werden, zurück zu schlagen und so für Selbsterhaltung und Selbstbehauptung zu sorgen.
Preis: 3 €, ermäßigt 2 €, d.a.i.-Mitglieder und volunteers/ehrenamtlich Tätige frei"
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vabanque - am Mittwoch, 25. Januar 2006, 19:19 - Rubrik: Jewish Studies
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Am Mittwoch, 29. September um 20.45 Uhr auf ARTE:
ReConstruCtion
Regie: Irene Lusztig, Rumänien/USA 2001, Video, 90min., OV mit engl. UT
Über die Doku:
Im Jahr 1959 wurde die Grossmutter der Filmemacherin für ihre Beteiligung an einem Banküberfall durch die «Ioanid-Bande» zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Vierzig Jahre später geht Rekonstruktion allen Verästelungen eines Verbrechens und eines politischen Prozesses nach, die zu den umstrittensten in der Geschichte des Kommunismus in Rumänien zählen. Der Film fügt Teile eines Puzzles (Interviews, Archivmaterial) zu einer bewegenden kollektiven Geschichte und einem einfühlsamen Porträt der Grossmutter zusammen.
Obwohl der Ausgangspunkt für Rekonstruktion ein Banküberfall ist, der 1959 in Bukarest stattfand, erzählt der Film vor allem eine bewegende Familiengeschichte, die drei Generationen umfasst, und lässt sich als Detektivarbeit einer Dokumentarfilmerin über das heutige Rumänien verstehen. Die Familienanekdote, die ja ziemlich «romantisch» daherkommt (die eigene Grossmutter als Bankräuberin!), ist nicht die Hauptsache; zahlreiche Problemkreise wie Ideologie, Rassismus, Familie, Freiheit und Liebe werden behandelt, nicht zu vergessen die Frage nach den Mitteln, die es braucht, um einen solchen Film überhaupt drehen zu können. Mit viel Sensibilität und Verstand nimmt uns Irene Lusztig auf zwei parallele Reisen mit (die eine objektiv, die andere emotional), welche am Ende des Films zu einer einzigen verschmelzen. Man verlässt die Vorführung mit erweitertem, reiferem Blick.
ReConstruCtion
Regie: Irene Lusztig, Rumänien/USA 2001, Video, 90min., OV mit engl. UT
Über die Doku:
Im Jahr 1959 wurde die Grossmutter der Filmemacherin für ihre Beteiligung an einem Banküberfall durch die «Ioanid-Bande» zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Vierzig Jahre später geht Rekonstruktion allen Verästelungen eines Verbrechens und eines politischen Prozesses nach, die zu den umstrittensten in der Geschichte des Kommunismus in Rumänien zählen. Der Film fügt Teile eines Puzzles (Interviews, Archivmaterial) zu einer bewegenden kollektiven Geschichte und einem einfühlsamen Porträt der Grossmutter zusammen.
Obwohl der Ausgangspunkt für Rekonstruktion ein Banküberfall ist, der 1959 in Bukarest stattfand, erzählt der Film vor allem eine bewegende Familiengeschichte, die drei Generationen umfasst, und lässt sich als Detektivarbeit einer Dokumentarfilmerin über das heutige Rumänien verstehen. Die Familienanekdote, die ja ziemlich «romantisch» daherkommt (die eigene Grossmutter als Bankräuberin!), ist nicht die Hauptsache; zahlreiche Problemkreise wie Ideologie, Rassismus, Familie, Freiheit und Liebe werden behandelt, nicht zu vergessen die Frage nach den Mitteln, die es braucht, um einen solchen Film überhaupt drehen zu können. Mit viel Sensibilität und Verstand nimmt uns Irene Lusztig auf zwei parallele Reisen mit (die eine objektiv, die andere emotional), welche am Ende des Films zu einer einzigen verschmelzen. Man verlässt die Vorführung mit erweitertem, reiferem Blick.
- Eine instruktive Filmkritik findet sich in "Die Jüdische"
contributor - am Sonntag, 5. September 2004, 12:37 - Rubrik: Jewish Studies
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unter diesem Titel veranstaltet Zátopek im Club Voltaire in Tübingen am Dienstag, 27.4. 2004 einen multimedialen Abend "über jüdische Gangster in New York, im Film und in unseren Köpfen" mit der Kulturwissenschaftlerin Andrea Hoffmann (Autorin "Vabanque").
vabanque - am Sonntag, 4. April 2004, 13:56 - Rubrik: Jewish Studies
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Kurzportraits aus der Jewish Virtual Library
Meyer-Lanskiy (1902-1983). Vgl. a. St. James Encyclopedia of Popular Culture, 2002 Gale Group.
Dutch Schultz (1902-1935)
On October 24, 1935, in the last few hours of his life, the gangster Arthur Flegenheimer a.k.a Dutch Schultz (1902-1935), had more to say to the cops than he had in his entire previous 33 years. As the life leaked out of him through multiple gunshot wounds, Dutch babbled, ranted and raved to the policemen in his room at Newark City Hospital (New Jersey, USA).
Mehr zu Dutch Schultz
Meyer-Lanskiy (1902-1983). Vgl. a. St. James Encyclopedia of Popular Culture, 2002 Gale Group.
Dutch Schultz (1902-1935)
On October 24, 1935, in the last few hours of his life, the gangster Arthur Flegenheimer a.k.a Dutch Schultz (1902-1935), had more to say to the cops than he had in his entire previous 33 years. As the life leaked out of him through multiple gunshot wounds, Dutch babbled, ranted and raved to the policemen in his room at Newark City Hospital (New Jersey, USA).
Mehr zu Dutch Schultz
contributor - am Montag, 8. März 2004, 00:03 - Rubrik: Jewish Studies
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Das hier beschriebene Buch von Robert Rockaway ist auch auf Deutsch erschienen:
Robert A. Rockaway: Meyer Lansky, Bugsy Siegel & Co.
Lebensgeschichten jüdischer Gangster in den USA. Konkret Literatur Verlag 1998.
"Bugsy Siegel wanted to "live fast, die young and have a good-looking corpse," but according to author and historian Robert Rockaway, the Jewish gangster's bullet-ridden corpse was anything but good-looking.
Rockaway is the author of "But - He Was Good to His Mother: The Lives and Crimes of Jewish Gangsters," the newest edition of which has just been released by Gefen Publishing House."
Mehr in "Jewish News" (February 11, 2000/5 Adar 1 5760, Vol. 52, No.23) von CHRIS GARIFO
Robert A. Rockaway: Meyer Lansky, Bugsy Siegel & Co.
Lebensgeschichten jüdischer Gangster in den USA. Konkret Literatur Verlag 1998.
"Bugsy Siegel wanted to "live fast, die young and have a good-looking corpse," but according to author and historian Robert Rockaway, the Jewish gangster's bullet-ridden corpse was anything but good-looking.
Rockaway is the author of "But - He Was Good to His Mother: The Lives and Crimes of Jewish Gangsters," the newest edition of which has just been released by Gefen Publishing House."
Mehr in "Jewish News" (February 11, 2000/5 Adar 1 5760, Vol. 52, No.23) von CHRIS GARIFO
contributor - am Sonntag, 7. März 2004, 23:59 - Rubrik: Jewish Studies
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Wer nicht akzeptieren kann, dass Menschen jüdischer Herkunft wie Angehöriger anderer sozialer Gruppen auch, normale wie außergewöhnliche "Verbrecher" sein können, der befindet sich tendenziell selbst auf einer antisemitischen Linie, weil er dieser Gruppe von Menschen einen Sonderstatus zuschreiben will, die sie wiederum gegenüber anderen sozialen Gruppen gesellschaftlich ausgrenzt.
Im übrigen sei vielleicht darauf hingewiesen, dass Rick Cohen in seinem Buch "Murder Inc., oder Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn" das Handeln der "Jewish Mobster" auch als Gegenprogramm zu den traumatischen Erfahrungen des europäischen Judentums in der Shoah umdeutet.
"Mehr noch: Er behauptet, daß die jüdischen Gemeinden in den USA besser dran wären, treibe die jüdische Mafia der 30er Jahre noch heute ihr Unwesen, "denn", so behauptet Cohen, 'jeder braucht jemanden, der einen starken Eindruck auf ihn macht.
(...)
Dabei trauert Cohen dem hinterher, was die jüdischen Mafiosi der nachfolgenden Generation auf keinen Fall vererben wollten: sich verteidigen zu müssen, Gewalt anzuwenden. Doch Cohen und viele andere amerikanische junge Juden, schauen wehmütig zurück. "Wir sind anders als unsere Väter", gibt Cohen zu. "Israel wurde zur Identifikationsfigur für uns, so wie es die Gangster für unsere Väter waren. Da waren sie wieder, die 'tough jews'. Juden, die zurückschlugen, Aggression mit Aggression beantworten."
(Aus der Rezension von Tekla Szymanski im "Aufbau" vom 8.5.1998)
=====================================================
Zur Diskussion um die Ausstellung "Kosher Nostra" des Jüdischen Museums in Wien, hier Auszüge aus dem Artikel der Süddeutsche Zeitung, 25.2.2004
Streit um finstere Gesellen aus einer finsteren Zeit
Von Michael Frank
Das Wiener Jüdische Museum zeigt eine Ausstellung über jüdische Mafiosi, Kritiker sehen das jedoch als einen Ausdruck von Antisemitismus
Wien – Besucher des Jüdischen Museums der Stadt Wien können derzeit eine besondere Schönheitengalerie heimtragen – in Gestalt eines Katalogs, zwei Bändchen im CD-Format, dennoch voluminös und von der Kompaktheit einer Schlagwaffe. „Auf dem Grabstein sind alle Juden schön“, sagt das Sprichwort, doch die Porträts im Museum sind zu Lebzeiten entstanden, und so blickt man in ziemlich verwegene Gesichter von Menschen, deren Bedeutung sowieso weniger in ihrer Schönheit liegt: Beinahe ein Publikumsrenner ist derzeit die Ausstellung „Kosher Nostra – Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980“.
(....)
Schon bei der Vorstellung der originellen Schau ging es beinahe wie bei der Mafia zu. Konträre Interpretationen von dem, was politisch korrekt wäre, ließen einige Herren im Publikum mit geballten Fäusten auf den Ausstellungsmacher Oz Almog und die Museumsleitung losgehen: Die massenhafte Schaustellung jüdischer Verbrecher diene allein dazu, Antisemitismus zu schüren, so das Argument der Aufgebrachten.
Das Jüdische Museum will die Schau als „Konzentrat einer ganzen Epoche, gleichermaßen faszinierend und abschreckend“ verstanden wissen, „ohne romantisierende Neigung, mit dem Scharfblick des Aufklärers“ für diesen Teil „jüdischer Historie in all ihren Widersprüchlichkeiten“. Idealisierungen kommen da nicht vor, auch wenn Juden das Verbrechen als Ausweg aus dem Ghetto und oft einzige Aufstiegsmöglichkeit in der Gesellschaft begriffen.
(...)
Rich Cohen, Autor eines Buches zum selben Thema, vertritt die These, für manche Juden in der Verbrecherwelt sei Töten eine Art „Unterwelt Bar-Mizvah“, ein Mannbarkeitsritual gewesen. Almog ironisiert eher derlei religions-soziologische Tiefendeutung. Er und das Museum sehen diese Ausstellung – sie ist bis 25. April zu sehen – entgegen irritierter Kritik eher als Gegengift zum Antisemitismus: Als Darlegung nämlich, dass Juden Zeitgenossen und Mitmenschen sind, wie alle anderen auch – bis hinein in die finstersten Nischen des Seins."
Der ganze Text in der SZ
Im übrigen sei vielleicht darauf hingewiesen, dass Rick Cohen in seinem Buch "Murder Inc., oder Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn" das Handeln der "Jewish Mobster" auch als Gegenprogramm zu den traumatischen Erfahrungen des europäischen Judentums in der Shoah umdeutet.
"Mehr noch: Er behauptet, daß die jüdischen Gemeinden in den USA besser dran wären, treibe die jüdische Mafia der 30er Jahre noch heute ihr Unwesen, "denn", so behauptet Cohen, 'jeder braucht jemanden, der einen starken Eindruck auf ihn macht.
(...)
Dabei trauert Cohen dem hinterher, was die jüdischen Mafiosi der nachfolgenden Generation auf keinen Fall vererben wollten: sich verteidigen zu müssen, Gewalt anzuwenden. Doch Cohen und viele andere amerikanische junge Juden, schauen wehmütig zurück. "Wir sind anders als unsere Väter", gibt Cohen zu. "Israel wurde zur Identifikationsfigur für uns, so wie es die Gangster für unsere Väter waren. Da waren sie wieder, die 'tough jews'. Juden, die zurückschlugen, Aggression mit Aggression beantworten."
(Aus der Rezension von Tekla Szymanski im "Aufbau" vom 8.5.1998)
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Zur Diskussion um die Ausstellung "Kosher Nostra" des Jüdischen Museums in Wien, hier Auszüge aus dem Artikel der Süddeutsche Zeitung, 25.2.2004
Streit um finstere Gesellen aus einer finsteren Zeit
Von Michael Frank
Das Wiener Jüdische Museum zeigt eine Ausstellung über jüdische Mafiosi, Kritiker sehen das jedoch als einen Ausdruck von Antisemitismus
Wien – Besucher des Jüdischen Museums der Stadt Wien können derzeit eine besondere Schönheitengalerie heimtragen – in Gestalt eines Katalogs, zwei Bändchen im CD-Format, dennoch voluminös und von der Kompaktheit einer Schlagwaffe. „Auf dem Grabstein sind alle Juden schön“, sagt das Sprichwort, doch die Porträts im Museum sind zu Lebzeiten entstanden, und so blickt man in ziemlich verwegene Gesichter von Menschen, deren Bedeutung sowieso weniger in ihrer Schönheit liegt: Beinahe ein Publikumsrenner ist derzeit die Ausstellung „Kosher Nostra – Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980“.
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Schon bei der Vorstellung der originellen Schau ging es beinahe wie bei der Mafia zu. Konträre Interpretationen von dem, was politisch korrekt wäre, ließen einige Herren im Publikum mit geballten Fäusten auf den Ausstellungsmacher Oz Almog und die Museumsleitung losgehen: Die massenhafte Schaustellung jüdischer Verbrecher diene allein dazu, Antisemitismus zu schüren, so das Argument der Aufgebrachten.
Das Jüdische Museum will die Schau als „Konzentrat einer ganzen Epoche, gleichermaßen faszinierend und abschreckend“ verstanden wissen, „ohne romantisierende Neigung, mit dem Scharfblick des Aufklärers“ für diesen Teil „jüdischer Historie in all ihren Widersprüchlichkeiten“. Idealisierungen kommen da nicht vor, auch wenn Juden das Verbrechen als Ausweg aus dem Ghetto und oft einzige Aufstiegsmöglichkeit in der Gesellschaft begriffen.
(...)
Rich Cohen, Autor eines Buches zum selben Thema, vertritt die These, für manche Juden in der Verbrecherwelt sei Töten eine Art „Unterwelt Bar-Mizvah“, ein Mannbarkeitsritual gewesen. Almog ironisiert eher derlei religions-soziologische Tiefendeutung. Er und das Museum sehen diese Ausstellung – sie ist bis 25. April zu sehen – entgegen irritierter Kritik eher als Gegengift zum Antisemitismus: Als Darlegung nämlich, dass Juden Zeitgenossen und Mitmenschen sind, wie alle anderen auch – bis hinein in die finstersten Nischen des Seins."
Der ganze Text in der SZ
vabanque - am Donnerstag, 26. Februar 2004, 12:53 - Rubrik: Jewish Studies
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Jüdisches Museum Wien
3. Dezember 2003 - 25. April 2004
Kosher Nostra
Jüdische Gangster in Amerika 1890 - 1980
Bis 25. April 2004 präsentiert das Jüdische Museum unter dem Titel „Kosher Nostra – Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980“ die bereits dritte Kunstinstallation des österreichisch-israelischen Künstlers Oz Almog, die sich mit einem in Europa wenig beachteten Kapitel amerikanisch-jüdischer Geschichte auseinandersetzt, der Entwicklungsgeschichte des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten, bei der jüdische Gangster eine Rolle spielten.
Darunter sind auch etliche Bankräuber und Banküberfälle zu finden
Die Entwicklungsgeschichte des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten hatte einen relevanten jüdischen Anteil. Der weit verbreitete Mythos einer Dominanz der italienischen Mafia in Amerika überlagerte vor allem für das europäische Publikum die Bedeutung der Gangster jüdischer Herkunft diesem düsteren Kapitel der amerikanischen Geschichte. Doch niemand, der sich an der Geschichte der amerikanischen Mafia versucht, kann Männer wie Meyer Lansky, Benjamin “Bugsy” Siegel, Dutch Schultz oder Louis “Lepke” Buchalter negieren, die neben den klassischen sizilianischen “Paten” die Geschicke der Unterwelt bestimmten.
In seiner neuesten Kunstinstallation “Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980” erweitert der Künstler Oz Almog seine bisher geübte Disziplin des Porträtierens von Menschen in Bildern und Worten zum beeindruckenden dokumentarischen Konzentrat einer ganzen Epoche, das gleichermaßen faszinierend und abschreckend wirkt. Ohne romantisierende Neigung stellt sich der Künstler mit dem Scharfblick des Aufklärers diesem Teil jüdischer Historie und beleuchtet die Akteure in all ihren Widersprüchlichkeiten. Wie etwa den gnadenlosen Syndikatsboss Louis “Lepke” Buchalter, der seine Mutter über alles verehrte und deswegen auch von den traditionell familienbezogenen Sizilianern besonders respektiert wurde. Oder auch das strategische Genie Meyer Lansky, der sich neben seinen diversen Geschäften als herkunftsbewusster Jude immer für Anliegen seines Volkes einsetzte. Oz Almog zeichnet in dieser Geschichte mit gemalten Porträts und ausführlicher textlicher Begleitung nicht etwa das Bild eines “sauberen Krieges”, sondern bietet durch seine umfangreiche Fotodokumentation auch ein beklemmendes Bild vom Leben und Sterben in der Unterwelt.
Dazu gibt es auch einen Katalog:
„JÜDISCHE GANGSTER IN AMERIKA 1890 – 1980“ hrsg. von Oz Almog.
Aus der Einleitung von Erich Metz:
"Die Schwierigkeit bei der Rekonstruktion der Geschichte jüdischer Gangster in den USA liegt vor allem im Mangel an nachweisbaren, exakt dokumentierten Ereignissen. Was in der Unterwelt tatsächlich geschah, ist von zahllosen Mythen und Legenden umwoben. So kann auch die Geschichte jüdischer Gangster nur im Zusammenhang mit der gesamten Entwicklung der organisierten Kriminalität in den Vereinigten Staaten verständlich gemacht werden. Die Juden beanspruchten selbstbewusst und nicht minder skrupellos ihren Platz neben den klassischen italienischen Familienclans. Ihre berühmtesten Vertreter waren Meyer „Little Man“ Lanksy, Benjamin „Bugsy“ Siegel, Louis „Lepke“ Buchhalter und Arthur „Dutch Schultz“ Fleggenheimer. Die meisten von Ihnen unterschieden sich in ihrer Mentalität insofern von den Italienern, als sie ihre illegalen Geschäfte isoliert von familiären Bindungen betrieben und eher das Licht der Öffentlichkeit scheuten. Sie kamen und gingen wie eine Generation kommt und geht, während die italienischen Bosse ihre Einflusssphäre weiter vererbten. Die Italiener errichteten ihre Dynastien, die jüdischen Bosse begründeten ihre Imperien. Die Italiener zogen ihre eigenen Söhne als Nachfolger für das „Familiengeschäft“ heran. Sollte der Sohn für die elitäre Auslese nichts taugen, so nahm man den Sohn einer befreundeten Familie als potentiellen Nachfolger auf, indem man ihn mit einer seiner Töchter vermählte. Bei späteren Treffen italienischer Bosse nahm kaum noch einer teil, der nicht irgendwie mit einer der anderen Familien verschwägert oder verwandt war. In ihrem traditionell schwerblütigen, katholisch geprägten Hang zur Verklärung sahen sie sich selbst als „ehrenwerte Gesellschaft“."
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Vgl. auch weitere bibliographische Angaben
3. Dezember 2003 - 25. April 2004
Kosher Nostra
Jüdische Gangster in Amerika 1890 - 1980
Bis 25. April 2004 präsentiert das Jüdische Museum unter dem Titel „Kosher Nostra – Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980“ die bereits dritte Kunstinstallation des österreichisch-israelischen Künstlers Oz Almog, die sich mit einem in Europa wenig beachteten Kapitel amerikanisch-jüdischer Geschichte auseinandersetzt, der Entwicklungsgeschichte des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten, bei der jüdische Gangster eine Rolle spielten.
Darunter sind auch etliche Bankräuber und Banküberfälle zu finden
Die Entwicklungsgeschichte des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten hatte einen relevanten jüdischen Anteil. Der weit verbreitete Mythos einer Dominanz der italienischen Mafia in Amerika überlagerte vor allem für das europäische Publikum die Bedeutung der Gangster jüdischer Herkunft diesem düsteren Kapitel der amerikanischen Geschichte. Doch niemand, der sich an der Geschichte der amerikanischen Mafia versucht, kann Männer wie Meyer Lansky, Benjamin “Bugsy” Siegel, Dutch Schultz oder Louis “Lepke” Buchalter negieren, die neben den klassischen sizilianischen “Paten” die Geschicke der Unterwelt bestimmten.
In seiner neuesten Kunstinstallation “Jüdische Gangster in Amerika 1890-1980” erweitert der Künstler Oz Almog seine bisher geübte Disziplin des Porträtierens von Menschen in Bildern und Worten zum beeindruckenden dokumentarischen Konzentrat einer ganzen Epoche, das gleichermaßen faszinierend und abschreckend wirkt. Ohne romantisierende Neigung stellt sich der Künstler mit dem Scharfblick des Aufklärers diesem Teil jüdischer Historie und beleuchtet die Akteure in all ihren Widersprüchlichkeiten. Wie etwa den gnadenlosen Syndikatsboss Louis “Lepke” Buchalter, der seine Mutter über alles verehrte und deswegen auch von den traditionell familienbezogenen Sizilianern besonders respektiert wurde. Oder auch das strategische Genie Meyer Lansky, der sich neben seinen diversen Geschäften als herkunftsbewusster Jude immer für Anliegen seines Volkes einsetzte. Oz Almog zeichnet in dieser Geschichte mit gemalten Porträts und ausführlicher textlicher Begleitung nicht etwa das Bild eines “sauberen Krieges”, sondern bietet durch seine umfangreiche Fotodokumentation auch ein beklemmendes Bild vom Leben und Sterben in der Unterwelt.
Dazu gibt es auch einen Katalog:
„JÜDISCHE GANGSTER IN AMERIKA 1890 – 1980“ hrsg. von Oz Almog.
Aus der Einleitung von Erich Metz:
"Die Schwierigkeit bei der Rekonstruktion der Geschichte jüdischer Gangster in den USA liegt vor allem im Mangel an nachweisbaren, exakt dokumentierten Ereignissen. Was in der Unterwelt tatsächlich geschah, ist von zahllosen Mythen und Legenden umwoben. So kann auch die Geschichte jüdischer Gangster nur im Zusammenhang mit der gesamten Entwicklung der organisierten Kriminalität in den Vereinigten Staaten verständlich gemacht werden. Die Juden beanspruchten selbstbewusst und nicht minder skrupellos ihren Platz neben den klassischen italienischen Familienclans. Ihre berühmtesten Vertreter waren Meyer „Little Man“ Lanksy, Benjamin „Bugsy“ Siegel, Louis „Lepke“ Buchhalter und Arthur „Dutch Schultz“ Fleggenheimer. Die meisten von Ihnen unterschieden sich in ihrer Mentalität insofern von den Italienern, als sie ihre illegalen Geschäfte isoliert von familiären Bindungen betrieben und eher das Licht der Öffentlichkeit scheuten. Sie kamen und gingen wie eine Generation kommt und geht, während die italienischen Bosse ihre Einflusssphäre weiter vererbten. Die Italiener errichteten ihre Dynastien, die jüdischen Bosse begründeten ihre Imperien. Die Italiener zogen ihre eigenen Söhne als Nachfolger für das „Familiengeschäft“ heran. Sollte der Sohn für die elitäre Auslese nichts taugen, so nahm man den Sohn einer befreundeten Familie als potentiellen Nachfolger auf, indem man ihn mit einer seiner Töchter vermählte. Bei späteren Treffen italienischer Bosse nahm kaum noch einer teil, der nicht irgendwie mit einer der anderen Familien verschwägert oder verwandt war. In ihrem traditionell schwerblütigen, katholisch geprägten Hang zur Verklärung sahen sie sich selbst als „ehrenwerte Gesellschaft“."
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Vgl. auch weitere bibliographische Angaben
- Hier auch noch eine Rezension zu Rick Cohens Buch im “Aufbau” (8.5.1998) von Tekla Szymanski: Moses der Unterwelt?
- Der ORF sprach mit Oz Almog
- Audiofile: Radio Bremen über die Wiener Ausstellung
vabanque - am Donnerstag, 26. Februar 2004, 12:01 - Rubrik: Jewish Studies
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Anna Mandel (hallo Du musst Deine Mitgliedschaft bestätigen, dann kannst Du selbst hier posten):
sucht noch dringend material über jewish mobsters in New York - also mafia (nicht nur auf bankraub beschränkt).
sucht noch dringend material über jewish mobsters in New York - also mafia (nicht nur auf bankraub beschränkt).
vabanque - am Mittwoch, 4. Februar 2004, 08:45 - Rubrik: Jewish Studies