Laut Donaukurier (04.09.2006) ist in Neuburg eine Debatte um eine Stadttheater-Inszenierung entbrannt, die das Psychogramm des hier bereits bekannten "Al Capone aus dem Donaumoos" zeichnen soll. Die Premiere ist für den 27. Oktober vorgesehen:
"Die Freiheit der Kunst"
"Bruchstücke" schon im Vorfeld der Aufführung umstritten
Donaukurier
Neuburg (DK) Noch sind die Vorhänge im Stadttheater geschlossen, schon wird heftig über das Theaterstück um Theo Berger debattiert. Im Stadtrat fand die geplante Aufführung des Psychogramms "Bruchstücke" des im November 2003 verstorbenen Al Capone aus dem Donaumoos keineswegs ungeteilte Zustimmung. Oberbürgermeister Bernhard Gmehling war gegen die Realisierung des Projekts, weil er den konkreten Inhalt nicht kannte und in Sorge war, die Gefühle noch lebender Angehöriger Bergers könnten verletzt werden. Die Tochter des Ausbrecherkönigs wurde jedoch von Hauptdarsteller Winfried Frey informiert und zeigte sich mit der Inszenierung einverstanden. Gmehling ist zwar sicher, dass das Stück gut beim Publikum ankommen wird, hofft aber auch, dass es nicht zu glorifizierend wird. Einige Stadträte stellten sich im Kulturausschuss auf die Seite des OB. Insgesamt wird die Inszenierung mit Spannung erwartet. Das Publikumsinteresse dürfte groß sein, zumal viele Zeitgenossen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Theo Berger persönlich begegnet sind und sich Legenden und Erzählungen um den gebürtigen Ludwigsmooser ranken.
Liebe ist kein Zufall
Oberbürgermeister Bernhard Gmehling war gegen die Realisierung des Projekts, weil er den konkreten Inhalt nicht kannte und in Sorge war, die Gefühle noch lebender Angehöriger Bergers könnten verletzt werden. Die Tochter des Ausbrecherkönigs wurde jedoch von Hauptdarsteller Winfried Frey informiert und zeigte sich mit der Inszenierung einverstanden. Gmehling ist zwar sicher, dass das Stück gut beim Publikum ankommen wird, hofft aber auch, dass es nicht zu glorifizierend wird. Einige Stadträte stellten sich im Kulturausschuss auf die Seite des OB. Insgesamt wird die Inszenierung mit Spannung erwartet. Das Publikumsinteresse dürfte groß sein, zumal viele Zeitgenossen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Theo Berger persönlich begegnet sind und sich Legenden und Erzählungen um den gebürtigen Ludwigsmooser ranken.
Bürgermeister Heinz Enghuber hält nichts von übertriebener Skepsis: "Ich glaube, dass wir es uns zutrauen können, so ein Stück aus jüngerer Zeit aufzuarbeiten. Man sollte positiv damit umgehen." Stadtrat Klaus Eisenhofer, eines der Überfallopfer Theo Bergers, mochte zu der ganzen Thematik nichts sagen, spricht sich aber grundsätzlich gegen das Stück aus, "weil der Mann damit verherrlicht wird".
Eine Heroisierung Bergers befürchtet auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Fritz Goschenhofer . "Ich habe meine Probleme damit und bin dagegen. Gerade jungen Leuten wird signalisiert, dass man kriminell sein kann und dann wird einem noch ein Theaterstück gewidmet." Kritik von Goschenhofer gibt es auch an Kulturreferent Walter Friemel . Der hätte seiner Ansicht nach den Stadtrat früher von der geplanten Inszenierung informieren sollen. Das war nach Friemels Worten nicht möglich, nachdem er nur gewusst habe, dass ein solches Stück in Arbeit ist. Darüber hinaus ist der Kulturreferent aber der Überzeugung, "dass sich unsere Gesellschaft solchen Themen stellen und damit fertig werden muss". Die kontroverse Diskussion im Vorfeld em-pfindet Friemel als durchaus positiv. Nicht zuletzt dürfte sie für ein volles Haus an den neun Spieltagen im Oktober und November sorgen.
Gelassen betrachtet SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Betscher die Sache. "Ich will der Verherrlichung der Person Berger und ihres Tuns nicht das Wort reden, aber für mich ist die Freiheit der Kunst ein ganz hohes und wertvolles Gut. Man kann eine Theateraufführung nicht schon vorher geißeln."
" Hundertprozentig glücklich bin ich nicht. Aber ich bin gespannt, was da rauskommt", sagt Klaus Babel , Vorsitzender der Freie-Wähler-Fraktion. Er rechnet damit, dass die Aufführung wegen des Loakalkolorits auf großes Interesse beim Publikum stoßen wird.
Wenn Theo Berger, wie von Kulturamtsleiter Dieter Distl versichert, nicht heroisiert wird, hat Theo Walter (Grüne) nichts gegen die Darstellung. Er sieht darin eine Dokumentation von Zeitgeschichte., Auch Theo Walter ist von den Umtrieben der ehemaligen Bergerbande betroffen. Als zehnjähriger Knabe musste der Rechtsanwalt miterleben, wie ein Kumpan Bergers seinen Vater anschoss. Es war kein versuchter Mord, vielmehr wollte der Täter dem Beamten auf der Münchener Straße aus reinem Übermut den Hut vom Kopf schießen. Das lederne Hutband fing einen Teil der Energie auf, dennoch blieb die Kugel im Kopf des Angeschossenen stecken und verletzte Walter sen. schwer.
Insgesamt sind neun Aufführungen vorgesehen.
Die Debatte ist inzwischen voll entbrannt.
"Die Freiheit der Kunst"
"Bruchstücke" schon im Vorfeld der Aufführung umstritten
Donaukurier
Neuburg (DK) Noch sind die Vorhänge im Stadttheater geschlossen, schon wird heftig über das Theaterstück um Theo Berger debattiert. Im Stadtrat fand die geplante Aufführung des Psychogramms "Bruchstücke" des im November 2003 verstorbenen Al Capone aus dem Donaumoos keineswegs ungeteilte Zustimmung. Oberbürgermeister Bernhard Gmehling war gegen die Realisierung des Projekts, weil er den konkreten Inhalt nicht kannte und in Sorge war, die Gefühle noch lebender Angehöriger Bergers könnten verletzt werden. Die Tochter des Ausbrecherkönigs wurde jedoch von Hauptdarsteller Winfried Frey informiert und zeigte sich mit der Inszenierung einverstanden. Gmehling ist zwar sicher, dass das Stück gut beim Publikum ankommen wird, hofft aber auch, dass es nicht zu glorifizierend wird. Einige Stadträte stellten sich im Kulturausschuss auf die Seite des OB. Insgesamt wird die Inszenierung mit Spannung erwartet. Das Publikumsinteresse dürfte groß sein, zumal viele Zeitgenossen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Theo Berger persönlich begegnet sind und sich Legenden und Erzählungen um den gebürtigen Ludwigsmooser ranken.
Liebe ist kein Zufall
Oberbürgermeister Bernhard Gmehling war gegen die Realisierung des Projekts, weil er den konkreten Inhalt nicht kannte und in Sorge war, die Gefühle noch lebender Angehöriger Bergers könnten verletzt werden. Die Tochter des Ausbrecherkönigs wurde jedoch von Hauptdarsteller Winfried Frey informiert und zeigte sich mit der Inszenierung einverstanden. Gmehling ist zwar sicher, dass das Stück gut beim Publikum ankommen wird, hofft aber auch, dass es nicht zu glorifizierend wird. Einige Stadträte stellten sich im Kulturausschuss auf die Seite des OB. Insgesamt wird die Inszenierung mit Spannung erwartet. Das Publikumsinteresse dürfte groß sein, zumal viele Zeitgenossen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen Theo Berger persönlich begegnet sind und sich Legenden und Erzählungen um den gebürtigen Ludwigsmooser ranken.
Bürgermeister Heinz Enghuber hält nichts von übertriebener Skepsis: "Ich glaube, dass wir es uns zutrauen können, so ein Stück aus jüngerer Zeit aufzuarbeiten. Man sollte positiv damit umgehen." Stadtrat Klaus Eisenhofer, eines der Überfallopfer Theo Bergers, mochte zu der ganzen Thematik nichts sagen, spricht sich aber grundsätzlich gegen das Stück aus, "weil der Mann damit verherrlicht wird".
Eine Heroisierung Bergers befürchtet auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Fritz Goschenhofer . "Ich habe meine Probleme damit und bin dagegen. Gerade jungen Leuten wird signalisiert, dass man kriminell sein kann und dann wird einem noch ein Theaterstück gewidmet." Kritik von Goschenhofer gibt es auch an Kulturreferent Walter Friemel . Der hätte seiner Ansicht nach den Stadtrat früher von der geplanten Inszenierung informieren sollen. Das war nach Friemels Worten nicht möglich, nachdem er nur gewusst habe, dass ein solches Stück in Arbeit ist. Darüber hinaus ist der Kulturreferent aber der Überzeugung, "dass sich unsere Gesellschaft solchen Themen stellen und damit fertig werden muss". Die kontroverse Diskussion im Vorfeld em-pfindet Friemel als durchaus positiv. Nicht zuletzt dürfte sie für ein volles Haus an den neun Spieltagen im Oktober und November sorgen.
Gelassen betrachtet SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Betscher die Sache. "Ich will der Verherrlichung der Person Berger und ihres Tuns nicht das Wort reden, aber für mich ist die Freiheit der Kunst ein ganz hohes und wertvolles Gut. Man kann eine Theateraufführung nicht schon vorher geißeln."
" Hundertprozentig glücklich bin ich nicht. Aber ich bin gespannt, was da rauskommt", sagt Klaus Babel , Vorsitzender der Freie-Wähler-Fraktion. Er rechnet damit, dass die Aufführung wegen des Loakalkolorits auf großes Interesse beim Publikum stoßen wird.
Wenn Theo Berger, wie von Kulturamtsleiter Dieter Distl versichert, nicht heroisiert wird, hat Theo Walter (Grüne) nichts gegen die Darstellung. Er sieht darin eine Dokumentation von Zeitgeschichte., Auch Theo Walter ist von den Umtrieben der ehemaligen Bergerbande betroffen. Als zehnjähriger Knabe musste der Rechtsanwalt miterleben, wie ein Kumpan Bergers seinen Vater anschoss. Es war kein versuchter Mord, vielmehr wollte der Täter dem Beamten auf der Münchener Straße aus reinem Übermut den Hut vom Kopf schießen. Das lederne Hutband fing einen Teil der Energie auf, dennoch blieb die Kugel im Kopf des Angeschossenen stecken und verletzte Walter sen. schwer.
Insgesamt sind neun Aufführungen vorgesehen.
Die Debatte ist inzwischen voll entbrannt.
contributor - am Montag, 11. September 2006, 20:23 - Rubrik: Theater
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Konf: Kriminalitätsgeschichte im Wandel. Interdisziplinäre
Perspektiven von der Frühneuzeit zur Moderne - Göttingen
02.11.2006-04.11.2006, Eden-Hotel, Rheinhäuser Landstraße 22a
Organisation: Prof. Dr. Rebekka Habermas/Prof. Dr. Gerd Schwerhoff, Göttingen
Kriminalitätsgeschichte hat Konjunktur. Angeregt durch französische und angelsächsische Forschungen zur Kriminalitätsgeschichte kam es auch in der bundesrepublikanischen Ge-schichtswissenschaft ab den 1980er Jahren zu einem verstärkten Interesse an kriminalitätsgeschichtlichen Fragestellungen, welche sich gegenüber der Rechtsgeschichte durch eine dezidiert sozial- und kulturgeschichtliche Perspektive auszeichneten. Inzwischen hat sich die Kriminalitätsgeschichte als eigenes Forschungsfeld arrondiert, wobei dieses zunächst als klas-sische Domäne der Frühneuzeitforschung galt. Erst in jüngster Zeit nimmt die Zahl einschlägiger Arbeiten zum 19. und frühen 20. Jahrhundert sprunghaft zu. Dieses Ungleichgewicht zugunsten der frühneuzeitlichen Kriminalitätsgeschichte geht einher mit unterschiedlichen Schwerpunkten in Fragestellung, Methoden und genutzten Quellen.
Ausgehend von diesem Hintergrund möchte die Tagung die frühneuzeitliche mit der Kriminalitätsgeschichtsforschung des 19. Jahrhunderts erstmals zusammenbinden, um zum einen die impliziten Grundannahmen, die über die jeweils andere Epoche bestehen, explizit zu machen und zu überprüfen.
Zum anderen soll es darum gehen, die Dialogfähigkeit zu erweitern, d.h. Optionen zum gegenseitigen Lernen, insbesondere hinsichtlich
theoretischer und methodischer Prämissen, zu eröffnen. Bis dato werden nämlich beide Epochen strikt getrennt betrach-tet, was nicht nur zur unüberprüften Fortschreibung etwa Foucaultscher Perspektiven führt, sondern auch die Vorstellungen der klassischen Rechtsgeschichte über die Entstehung des modernen Rechtsstaats unhinterfragt lässt.
Eine weitere Ungleichzeitigkeit der Forschungsgeschichte (und ein
zweiter Ausgangspunkt der Tagung) wurzelt in der unterschiedlichkeit der jeweiligen Disziplinen. So sind es nicht nur die Geschichtswissenschaft, nicht nur die Rechtsgeschichte, die sich mit Kriminalität be-schäftigen, sondern auch, um nur einige zu nennen, die Literaturwissenschaft, die Kriminologie, die Kunst-, bzw. spezieller, Fotogeschichte wie auch die Kultur- und Sozialanthropologie. Diese auf der Tagung zusammenzuführen und für eine historische Analyse von Kriminalität fruchtbar zu machen bzw. die dabei neu entstehenden Fragen und Probleme zu diskutieren, markiert ein zweites wichtiges Ziel der Tagung.
Tagungsbeitrag: 10 EUR
Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Land
Niedersachsen
------------------------------------------------------------------------
Donnerstag, 2. November 2006
14.00 Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden):
Eröffnung
I. Interdisziplinäre Perspektiven der Kriminalitätsgeschichte
Moderation: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden)
Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
14.30 PD Dr. Holger Dainat (Magdeburg):
Literatur und Kriminalität
15.30 Prof. Dr. Monika Frommel (Kiel): Kriminalität als
Problem der strafrechtlichen, historischen und
kriminalpolitischen Analyse
16.30 Kaffeepause
17.00 Prof. Dr. Peter Becker (Linz/Florenz): Kriminalität als
interdisziplinärer Begegnungsraum von Geschichte,
Anthropologie, Recht und Medizin
20.30 Sabine Rückert (DIE ZEIT): Aus dem Leben einer
Gerichtsreporterin
Freitag, 3. November 2006
Moderation: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden)
Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
9.00 Prof. Dr. Achim Landwehr (Düsseldorf):
Recht und Kriminalität jenseits von Praktiken und
Diskurs
10.00 Kaffeepause
II. Interepochale Perspektiven der Kriminalitätsgeschichte
Moderation: Prof. Dr. Norbert Fintzsch (Köln)
10.30 Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen):
Kriminalität in der Frühen Neuzeit – revisited
11.30 Prof. Dr. Joachim Eibach (Bern): Streit und Gewalt –
Ein konzeptioneller Blick über den Sattel in das
fremde 19. Jahrhundert
Moderation: Prof. Dr. Jürgen Martschukat (Erfurt)
14.00 Prof. Dr. Karl Härter (Frankfurt a. M.):
Rittlings auf der Sattelzeit – Entwicklungen von
Kriminalisierung und Strafrecht vom Übergang des
Ancien Régime zur Moderne
15.00 Dr. des. Falk Bretschneider (Paris): Strafen durch
Einsperrung – ein langes 18. Jahrhundert?
16.00 Kaffeepause
16.30 Dr. Peter Wettmann-Jungblut (Saarbrücken):
„Modern times, modern crimes?“ Kriminalität in
Baden zwischen Ancien Regime und 19. Jahrhundert
III. Repräsentationen und Medien
Moderation: Dr. Philipp Müller (London)
17.30 Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden): Kriminalität im
frühneuzeitlichen Medienverbund (16./17. Jh.)
Samstag, 4. November 2006
Moderation: Dr. Philipp Müller (London)
9.00 Prof. Dr. Joy Wiltenburg (New Jersey):
Kriminalität als Medien-Sensation
10.00 Prof. Dr. Susanne Regener (Siegen):
Fotographien des Kriminellen
11.00 Kaffeepause
11.30 PD Dr. Miloš Vec (Frankfurt a. M.):
Indizien des Kriminellen. Zum
Verhältnis von Kriminologie und Kriminalistik im 19.
Jahrhundert
12.30 Dr. Thomas Weitin (Münster):
Literaturen des Kriminellen
IV. Vor Gericht
Moderation: Prof. Dr. Peter Oestmann (Münster)
15.00 Dr. Claudia Töngi (Basel): Zu Gericht gehen auf dem
Land
16.00 Dr. Benjamin Carter Hett (New York): Berlin sitzt zu
Gericht
17.00 Kaffeepause
17.30 Dr. Lars Behrisch (Bielefeld): Kriminalität in der Stadt –
das Beispiel Görlitz
20.00 Abschlussdiskussion: Kriminalität- und
Rechtsgeschichte – neue Perspektiven?
Dr. Herbert Reinke (Berlin) – Dr. Richard Wetzell
(Washington) - Prof. Dr. Susanna Burghartz (Basel) –
Dr. Ulinka Rublack (Cambridge)
Homepage Rebekka Habermas, Rubrik: Aktuelles
Perspektiven von der Frühneuzeit zur Moderne - Göttingen
02.11.2006-04.11.2006, Eden-Hotel, Rheinhäuser Landstraße 22a
Organisation: Prof. Dr. Rebekka Habermas/Prof. Dr. Gerd Schwerhoff, Göttingen
Kriminalitätsgeschichte hat Konjunktur. Angeregt durch französische und angelsächsische Forschungen zur Kriminalitätsgeschichte kam es auch in der bundesrepublikanischen Ge-schichtswissenschaft ab den 1980er Jahren zu einem verstärkten Interesse an kriminalitätsgeschichtlichen Fragestellungen, welche sich gegenüber der Rechtsgeschichte durch eine dezidiert sozial- und kulturgeschichtliche Perspektive auszeichneten. Inzwischen hat sich die Kriminalitätsgeschichte als eigenes Forschungsfeld arrondiert, wobei dieses zunächst als klas-sische Domäne der Frühneuzeitforschung galt. Erst in jüngster Zeit nimmt die Zahl einschlägiger Arbeiten zum 19. und frühen 20. Jahrhundert sprunghaft zu. Dieses Ungleichgewicht zugunsten der frühneuzeitlichen Kriminalitätsgeschichte geht einher mit unterschiedlichen Schwerpunkten in Fragestellung, Methoden und genutzten Quellen.
Ausgehend von diesem Hintergrund möchte die Tagung die frühneuzeitliche mit der Kriminalitätsgeschichtsforschung des 19. Jahrhunderts erstmals zusammenbinden, um zum einen die impliziten Grundannahmen, die über die jeweils andere Epoche bestehen, explizit zu machen und zu überprüfen.
Zum anderen soll es darum gehen, die Dialogfähigkeit zu erweitern, d.h. Optionen zum gegenseitigen Lernen, insbesondere hinsichtlich
theoretischer und methodischer Prämissen, zu eröffnen. Bis dato werden nämlich beide Epochen strikt getrennt betrach-tet, was nicht nur zur unüberprüften Fortschreibung etwa Foucaultscher Perspektiven führt, sondern auch die Vorstellungen der klassischen Rechtsgeschichte über die Entstehung des modernen Rechtsstaats unhinterfragt lässt.
Eine weitere Ungleichzeitigkeit der Forschungsgeschichte (und ein
zweiter Ausgangspunkt der Tagung) wurzelt in der unterschiedlichkeit der jeweiligen Disziplinen. So sind es nicht nur die Geschichtswissenschaft, nicht nur die Rechtsgeschichte, die sich mit Kriminalität be-schäftigen, sondern auch, um nur einige zu nennen, die Literaturwissenschaft, die Kriminologie, die Kunst-, bzw. spezieller, Fotogeschichte wie auch die Kultur- und Sozialanthropologie. Diese auf der Tagung zusammenzuführen und für eine historische Analyse von Kriminalität fruchtbar zu machen bzw. die dabei neu entstehenden Fragen und Probleme zu diskutieren, markiert ein zweites wichtiges Ziel der Tagung.
Tagungsbeitrag: 10 EUR
Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Land
Niedersachsen
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Donnerstag, 2. November 2006
14.00 Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden):
Eröffnung
I. Interdisziplinäre Perspektiven der Kriminalitätsgeschichte
Moderation: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden)
Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
14.30 PD Dr. Holger Dainat (Magdeburg):
Literatur und Kriminalität
15.30 Prof. Dr. Monika Frommel (Kiel): Kriminalität als
Problem der strafrechtlichen, historischen und
kriminalpolitischen Analyse
16.30 Kaffeepause
17.00 Prof. Dr. Peter Becker (Linz/Florenz): Kriminalität als
interdisziplinärer Begegnungsraum von Geschichte,
Anthropologie, Recht und Medizin
20.30 Sabine Rückert (DIE ZEIT): Aus dem Leben einer
Gerichtsreporterin
Freitag, 3. November 2006
Moderation: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden)
Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
9.00 Prof. Dr. Achim Landwehr (Düsseldorf):
Recht und Kriminalität jenseits von Praktiken und
Diskurs
10.00 Kaffeepause
II. Interepochale Perspektiven der Kriminalitätsgeschichte
Moderation: Prof. Dr. Norbert Fintzsch (Köln)
10.30 Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen):
Kriminalität in der Frühen Neuzeit – revisited
11.30 Prof. Dr. Joachim Eibach (Bern): Streit und Gewalt –
Ein konzeptioneller Blick über den Sattel in das
fremde 19. Jahrhundert
Moderation: Prof. Dr. Jürgen Martschukat (Erfurt)
14.00 Prof. Dr. Karl Härter (Frankfurt a. M.):
Rittlings auf der Sattelzeit – Entwicklungen von
Kriminalisierung und Strafrecht vom Übergang des
Ancien Régime zur Moderne
15.00 Dr. des. Falk Bretschneider (Paris): Strafen durch
Einsperrung – ein langes 18. Jahrhundert?
16.00 Kaffeepause
16.30 Dr. Peter Wettmann-Jungblut (Saarbrücken):
„Modern times, modern crimes?“ Kriminalität in
Baden zwischen Ancien Regime und 19. Jahrhundert
III. Repräsentationen und Medien
Moderation: Dr. Philipp Müller (London)
17.30 Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Dresden): Kriminalität im
frühneuzeitlichen Medienverbund (16./17. Jh.)
Samstag, 4. November 2006
Moderation: Dr. Philipp Müller (London)
9.00 Prof. Dr. Joy Wiltenburg (New Jersey):
Kriminalität als Medien-Sensation
10.00 Prof. Dr. Susanne Regener (Siegen):
Fotographien des Kriminellen
11.00 Kaffeepause
11.30 PD Dr. Miloš Vec (Frankfurt a. M.):
Indizien des Kriminellen. Zum
Verhältnis von Kriminologie und Kriminalistik im 19.
Jahrhundert
12.30 Dr. Thomas Weitin (Münster):
Literaturen des Kriminellen
IV. Vor Gericht
Moderation: Prof. Dr. Peter Oestmann (Münster)
15.00 Dr. Claudia Töngi (Basel): Zu Gericht gehen auf dem
Land
16.00 Dr. Benjamin Carter Hett (New York): Berlin sitzt zu
Gericht
17.00 Kaffeepause
17.30 Dr. Lars Behrisch (Bielefeld): Kriminalität in der Stadt –
das Beispiel Görlitz
20.00 Abschlussdiskussion: Kriminalität- und
Rechtsgeschichte – neue Perspektiven?
Dr. Herbert Reinke (Berlin) – Dr. Richard Wetzell
(Washington) - Prof. Dr. Susanna Burghartz (Basel) –
Dr. Ulinka Rublack (Cambridge)
Homepage Rebekka Habermas, Rubrik: Aktuelles
vabanque - am Montag, 11. September 2006, 18:17 - Rubrik: Kriminalitaetsgeschichte allgemein
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