aus taz (30.8. 2005):
Die Kraft der Überflüssigen
Political Studies (IX): Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist längst aufgegeben, der Kampf gegen die Arbeitslosen hat gerade erst begonnen. Ein Versuch, die eigenen Hartz-IV-Träume zu verstehen.
"Wie immer die Neuwahlen ausgehen - auf dem weiten Feld zwischen Politik und Leben hat sich etwas verschoben. Was kann Politik, was soll sie können, was nicht? In unserer Serie "Political Studies" überlegen AutorInnen, welche Rolle Politik in ihrem Leben spielt, ob die offizielle Politik das Politische noch repräsentiert. (...)
Für einen inzwischen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung gilt, auch wenn das Politiker naturgemäß anders sehen: Ihre Würde wird mit jedem Gang zur Arbeitsagentur angetastet - meist schon in den elenden Wartefluren, die ihnen nichts mehr versprechen.
1-Euro-Jobs unterscheiden sich von ABM-Stellen nur durch die miesere Bezahlung. Gibt es noch die eher spaßige Variante, dass in der Westernstadt Templin mit Arbeitsagenturgeldern Angestellte sich als Bankräuber verdingten, so ist die Finanzierung einer Bürgerwehr auf 1-Euro-Basis in einer anderen brandenburgischen Stadt doch eher ein Alarmsignal. Es gibt längst Gegenden, wo Politik nicht mehr hinreicht, da kommt im Wahlkampf auch keine Kanzlerkandidatin mit orangefarbenem Angietross, kein auf seriös umgespritztes Guidomobil und kein grüner Fischerchor vorbei, dort sind die Menschen selbst als Konsumenten nicht mehr zu gebrauchen. Sie sind die Überflüssigen, die Soziologen sprechen von "nicht mehr verwertungsgeeigneten Personen in verfestigenden sozialen Randlagen", wo das öffentliche Geld im günstigsten Falle für den Rückbau reicht. Wer etwas will, muss weggehen. Werden die verödeten Gebiete in absehbarer Zeit unregierbar sein und somit für Experimente offen stehen oder wird es vereinzelte Wehrdörfer geben, die von Windparks flankiert werden und keine Parteien, sondern nur noch Gegner kennen?"
Die Kraft der Überflüssigen
Political Studies (IX): Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist längst aufgegeben, der Kampf gegen die Arbeitslosen hat gerade erst begonnen. Ein Versuch, die eigenen Hartz-IV-Träume zu verstehen.
"Wie immer die Neuwahlen ausgehen - auf dem weiten Feld zwischen Politik und Leben hat sich etwas verschoben. Was kann Politik, was soll sie können, was nicht? In unserer Serie "Political Studies" überlegen AutorInnen, welche Rolle Politik in ihrem Leben spielt, ob die offizielle Politik das Politische noch repräsentiert. (...)
Für einen inzwischen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung gilt, auch wenn das Politiker naturgemäß anders sehen: Ihre Würde wird mit jedem Gang zur Arbeitsagentur angetastet - meist schon in den elenden Wartefluren, die ihnen nichts mehr versprechen.
1-Euro-Jobs unterscheiden sich von ABM-Stellen nur durch die miesere Bezahlung. Gibt es noch die eher spaßige Variante, dass in der Westernstadt Templin mit Arbeitsagenturgeldern Angestellte sich als Bankräuber verdingten, so ist die Finanzierung einer Bürgerwehr auf 1-Euro-Basis in einer anderen brandenburgischen Stadt doch eher ein Alarmsignal. Es gibt längst Gegenden, wo Politik nicht mehr hinreicht, da kommt im Wahlkampf auch keine Kanzlerkandidatin mit orangefarbenem Angietross, kein auf seriös umgespritztes Guidomobil und kein grüner Fischerchor vorbei, dort sind die Menschen selbst als Konsumenten nicht mehr zu gebrauchen. Sie sind die Überflüssigen, die Soziologen sprechen von "nicht mehr verwertungsgeeigneten Personen in verfestigenden sozialen Randlagen", wo das öffentliche Geld im günstigsten Falle für den Rückbau reicht. Wer etwas will, muss weggehen. Werden die verödeten Gebiete in absehbarer Zeit unregierbar sein und somit für Experimente offen stehen oder wird es vereinzelte Wehrdörfer geben, die von Windparks flankiert werden und keine Parteien, sondern nur noch Gegner kennen?"
vabanque - am Sonntag, 4. September 2005, 23:58 - Rubrik: Theater