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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 

Brutalisierung des Bankraubs

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Der Zürcher Tages-Anzeiger vom 12.01.2006 aus einer Hochburg des Bankwesens, bricht eine Lanze gegen den Robin-Hoodianismus der öffentlichen Meinung in Sachen Bankraub. Soweit so gut. Bloss Eric Hobsbawm, werter Martin Vetterli, kann man so billig nicht beikommen:

"Alle 90 Minuten ein Banküberfall

In Europa werden Jahr für Jahr 6000 Banken überfallen. Und die Räuber gehen immer brutaler vor – auch in der Schweiz.

Wenn Bankräuber zuschlagen, sind ihnen immer wieder bewundernde Kommentare sicher - sofern niemandem ein Haar gekrümmt wird. Das war 1997 beim Millionencoup auf die Fraumünsterpost so. Und erst recht war es letzten August der Fall, als in der brasilianischen Stadt Fortaleza 3,5 Tonnen Geld durch einen 80 Meter langen Tunnel den Weg in die Freiheit - sprich: einen Blumenladen - fanden. Der Coup war in monatelanger Präzisionsarbeit vorbereitet und in filmreifer Art durchgezogen worden.

Die Verehrung von Banditen hat Tradition. Gemäss dem britischen Historiker Eric Hobsbawn handelt es sich um eine Urform des Sozialprotests, um eine Spielart der Auflehnung gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit. Quasi ein in Erzählungen gelebter Robin-Hoodianismus. Die Realität hat damit wenig zu tun. "


Das Problem besteht doch darin, dass es nicht unbedingt im Belieben des Historikers steht, ob es sich so verhält oder nicht. Und noch ein Trugschluss: Bloss weil etwas Sozialprotest ist, muss es noch lange nicht gut sein. Aber lassen wir das ...

Der Artikel beschäftigt sich dann mit dem bereits erwähnten Bericht der Europäischen Bankföderation (deren Webseite übrigens nicht wirklich einfach zu finden ist) und der dort angeblich ausgemachten Brutalisierung des Bankraubs:

"5864 Überfälle in einem Jahr
Europäische Bankräuber üben ihr Handwerk mit zunehmender Brutalität aus. Die Hemmschwelle, Schusswaffen oder gar Sprengstoff anzuwenden, sinkt. Die Zahl der Geiselnahmen steigt. Zu diesem erschreckenden Schluss kommt der Europäische Bankenverband, der neben den 25 EU-Staaten auch Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz untersucht hat.

Bankraub ist kein exotisches Phänomen. In Europa kommt es alle 90 Minuten zu einem Überfall. 2004 waren es 5864 Fälle, 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg geht zwar vor allem auf das Konto der neuen EU-Staaten; in Westeuropa ist die Zahl leicht rückläufig, so der Bericht. Die Geldinstitute verloren durch Überfälle insgesamt 149,1 Millionen Franken. Im Jahr zuvor waren es 19 Prozent mehr.

Dass die Deliktsumme rückläufig ist, erklärt sich vor allem mit dem Wandel im Bankwesen. In den Banken sei schlicht weniger Bargeld zu holen, weil die Kunden für den Zahlungsverkehr zunehmend das Onlinebanking benützen, mit Plastikgeld ihre Einkäufe bezahlen und Bargeld nicht mehr am Schalter, sondern am Bancomaten beziehen."


Inwiefern diese Tendenz - wenn es sie denn gibt - vielleicht auch etwas mit den gestiegenen Sicherheitsmaßnahmen zu tun haben könnte, war aber noch nie Gegenstand kritischer Selbstreflexion von Banken.

Und im Hinblick auf die Schweiz heisst es:

" Die Schweiz ist in Sachen Banküberfall kein Sonderfall, auch wenn sie deutlich schwächer davon betroffen ist als der EU-Durchschnitt. In den letzten drei Jahren berichteten Zeitungen von jeweils knapp einem Dutzend Fällen. Das Bundesamt für Polizei hat keine Zahlen zur Verfügung, weil sie bisher nicht gesammelt wurden, wie Sprecher Guido Balmer sagt. Gemäss Kriminalstatistik hat die Zahl der Raubüberfälle 2004 um 9,2 Prozent zugenommen. Die Gewaltbereitschaft ist in den letzten Jahren generell kontinuierlich gestiegen.

Die Bankiervereinigung erklärte aber, die «nicht sehr hohe Zahl von Banküberfällen» sei rückläufig wie auch die Deliktsumme. Mehr zum Thema wollte Sprecher Thomas Sutter «aus Sicherheitsgründen» nicht sagen. Auch nicht die dem Verband bekannte Zahl von Banküberfällen."


Es könnte ja zusammenhängen. Wenn denn die Sache immer schwieriger wird, dann wird die Durchführung immer gefährlicher:

"Wie eine Kurzumfrage bei Geldinstituten ergab, sind sie über die gestiegene Gewaltbereitschaft besorgt. Deshalb investieren sie weiterhin «grosse Summen» in die Schulung des Personals, die räumliche Gestaltung und Überwachungstechnik in den Filialen. «Personenschutz hat absolut Vorrang», erklärte etwa CS-Sprecher Georg Söntgerath. «Wir warnen unsere Mitarbeitenden insbesondere vor falschem Heldentum», sagte UBS-Sprecher Rudolf Bürgin.

Zu Details der Sicherheitsvorkehrungen wollte sich keine Bank äussern. «Jeder Hinweis auf unser Sicherheitsdispositiv ist eine potenzielle Informationsquelle für Kriminelle», begründete die CS. Raiffeisen-Sprecher Franz Würth sagt nur so viel: «Wir versuchen, die Attraktivität der Bank für Räuber so tief wie möglich zu halten.»

Dabei setzen immer weniger Banken auf Panzerglas, weil es gewaltbereite Räuber nicht abschrecke. Der optimale Schutz der Angestellten führe nur «zu einem Risikotransfer an die Kunden», erklärte ein nicht genannt sein wollender Sprecher. Das Rezept seiner Bank: Wenn nur wenig Bargeld in einer Bank zu holen ist, das Personal viel Zeit braucht, um grössere Summen überhaupt aushändigen zu können, und die Überwachung optimal ist, dann werde Bankraub zu einem risikoreichen Gewerbe mit mageren ökonomischen Perspektiven."


Das die gestiegenen Überwachungsmaßnahmen einerseits diejenigen Anfänger und Gelegenheitsbank abschreckt mag sein. Doch diejenigen, die "Profis" sind wissen allzu gut, dass nur ein entsprechend gezeigte Gewaltbereitschaft unter solchen Bedingungen zum Erfolg führt. Ein klassisches Henne-und-Ein-Problem.

Die Euronews (6.1. 2006) verweisen auf einen Bericht der Europäischen Bankenföderation, die schon mal als NGO gehandelt wird, wonach die Anzahl der Banküberfälle in Europa stabil geblieben ist, wohl aber die Brutalität gestiegen sei (fragt sich nur wie das zu messen ist):

"Die Zahl der Banküberfälle in Europa ist mehr oder weniger gleich geblieben, doch wird dabei mit größerer Brutalität vorgegangen. So die Ergebnisse einer Erhebung der Europäischen Bankenföderation, die neben den 25 EU-Staaten Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz vertritt. Die Verluste durch Bankraub seien dagegen zurückgegangen.

2004 gab es knapp 6.000 Banküberfälle, 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr, wobei der Anstieg vor allem in den neuen EU-Staaaten verzeichnet wurde. Die Geldinstitute verloren dabei ingesamt 96,6 Millionen Euro, 19 Prozent weniger als 2003. Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass durch den Wandel im Bankwesen weniger Bargeld in den Filialen zu holen ist, da viele Kunden auf Geldautomaten und andere Alternativen ausweichen.

Insofern befürchtet die Bankenföderation, dass auch die Kriminellen dies tun werden und künftig Überfälle an Geldautomaten und Kartenfälschung zunehmen werden. Alarmiert zeigen sich die Banker von der wachsenden Gewalt, mit der die Räuber vorgehen."

In der Heilbronner Stimme (26.11. 2005) wird auf den brutalen Banküberfall im schwäbischen Siegelsbach zurückgekommen. Verdächtigt wird ein ortsansässiger Bäckermeister:

Die blutige Spur hat exakt Alfred B.s Schuhgröße

Der Mann, der in der Siegelsbacher Sparkasse zum Räuber und Mörder wurde, trug bei der Tat seltene Jagdstiefel. Stiefel, wie der Angeklagte Alfred B. sie nachweislich besaß. Der blutige Abdruck am Tatort hat außerdem Alfred B.s Schuhgröße, bewies ein Gutachter am Freitag vor Gericht.
(...)
Der grüne Gummistiefel in Schuhgröße 44, den der Gutachter für den Versuch benutzt und in den Großen Strafkammersaal mitgebracht hat, gehört zwar nicht dem angeklagten Siegelsbacher Bäckermeister. Der Angeklagte hat aber genau dasselbe Modell des seltenen französischen Jagdstiefels der Firma Le Chameau besessen. In Schuhgröße 44. Jagdstiefel dieser Marke wurden auf dem Anwesen von Alfred B. nicht gefunden , sagt ein Kriminaloberkommissar der Unterländer Kripo zwar aus.

Der 57-jährige Büchsenmachermeister und Waffenhändler aber, der in Heilbronn ein Fachgeschäft betreibt und ebenfalls als Zeuge geladen ist, hat dem Siegelsbacher Bäckermeister und Hobby-Jäger zwei Paar ,Le Chameau' mit wärmedämmendem Futter verkauft. Den Rechnungsbeleg vom 4. Februar 1997 hat er noch, auch die Größe, 44, ist dort vermerkt.
(...)
Entkräftet wird am Freitag im Prozess eine bislang für möglich gehaltene Erklärung, woher das viele Geld gestammt haben soll, das der hoch verschuldete Alfred B. teils auf seinem Grundstück versteckt, teils wenige Stunden nach dem Bankraub bei der Siegelsbacher Volksbank eingezahlt hatte.

Es sei nicht möglich , dass der Bäckermeister eine fünfstellige Summe aus der Ausschlachtung des Siegelsbacher Militärdepots erlöst habe, sagt als Zeuge ein 44-jähriger Hüffenhardter aus, ein guter Bekannter , der mindestens 15 Mal mit B. im Depot war. Der Prozess wird am 6. Dezember fortgesetzt."

In der taz vom 11.7. 2005 und in der heutigen Süddeutschen Zeitung (25.7. 2005) wird ausführlich über den Siegelsbacher Bankraubmord berichtet:

"In Heilbronn steht zurzeit ein Mann vor Gericht, der bis zum 7. Oktober 2004 brav seine Brötchen gebacken hat. Dann soll der Bäcker von Siegelsbach eine Pistole genommen, die Bank überfallen und eine Rentnerin erschossen haben
AUS SIEGELSBACH PHILIPP MAUSSHARDT"

Der ganze Text in der taz


Weitere Einträge zum Fall:

Prozesseröffnung

"Es war der Bäcker"

Was passierte?

dpa u.a. Quellen, 11.04.2005
Bankräuber kann jeder sein: Dorfbäcker vor Gericht

Sechs Monate nach einem tödlichem Banküberfall steht in Heilbronn der 47jährige Dorfbäcker vor dem Landgericht. Ihm wird vorgeworfen, am 7.10. 2004 die Sparkasse in Siegelsbach (Kreis Heilbronn) überfallen, und dabei eine 65-jährige Rentnerin erschossen und deren Ehemann (66) und einen Bankangestellten (29) lebensgefährlich verletzt zu haben. Die Anklage gegen den Bäckermeister lautet auf Mord, zweifachen versuchten Mord, räuberische Erpressung mit Todesfolge und zweifache gefährliche Körperverletzung. 43 Zeugen und drei Sachverständige sollen gehört werden. Das Urteil ist für den 29. Juni vorgesehen.

Keine 36 Stunden nach der Tat nahm die Polizei einen Verdächtigen fest. Als die Identität des Mannes an die Öffentlichkeit drang, schwankte Siegelsbach zwischen Entsetzen und Erleichterung: Es war der Dorfbäcker, den jeder im Ort kannte.

Der angeklagte Bäcker bestreitet die Tat und schweigt. Auch die Tatwaffe ist bisher nicht gefunden worden. Nach Auswertung von fast 300 Spuren geht aber die Staatsanwaltschaft davon aus, den richtigen Täter auf die Anklagebank gebracht zu haben. Die beiden Überlebenden des Banküberfalls, der Angestellte und der 66-jährige Pensionär, sollen den Bäcker identifiziert haben. Im Auto des 47-Jährigen seien Blutspuren gefunden worden, deren DNA-Muster dem des Bankangestellten ähnelt.
Zum weiteren Tatverlauf vgl. diverse Eintragungen in diesem Blog

Katja Seefeldt beschäftigt sich in telepolis (04.04.2005) mit der Tendenz zur Kriminalprävention:

Sicherer leben im Wohnsilo
Gute Beleuchtung, schlanke Grünpflanzen – was ist nötig, um kriminelle Tatgelegenheiten zu entschärfen und was helfen solche Maßnahmen wirklich?

In Projekte zur Kriminalprävention fließt derzeit viel Geld. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das Thema Städtebau und Kriminalprävention an Bedeutung. Gemeint sind damit städtebauliche Vorgaben und Bestandserhaltungsmaßnahmen, mit denen Stadträume und ihre Nutzung mitgestaltet werden können, um Kriminalität zu vermeiden.
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat jetzt ein internationales Projekt gestartet, in dem städtebauliche Maßnahmen zur Kriminalitätsprophylaxe auf den Prüfstein kommen, mit dem Ziel, Empfehlungen für die Sanierung von in die Jahre gekommenen Großwohnsiedlungen zu erarbeiten.


In diesem Zusammenhang wird auch auf die Erfahrung mit den Sicherungsmaßnahmen der Banken verwiesen:

"Zum Schluss sollen Erfahrungen und Erkenntnisse in einem Handbuch zusammengeführt werden, um gute Beispiele allgemein zugänglich zu machen. Denn etwas soll vermieden werden: Deliktsverlagerung und Täteranpassung. So wie ausgelöst durch technische Sicherheitsmaßnahmen der Bankraub heutzutage häufig in Geiselnahmen mündet, ist auch in "präventiv gesicherten" Wohnsiedlungen zu beobachten, dass die Kriminalität nur abwandert."


Das berichtet Ede Zimmermann in seinem "Sicherheits"-Portal (27.12.2004).

Zur Vorgeschichte vgl. die diversen Eintragungen in diesem Blog.

Anscheinend verdichten sich die Indizien und Beweise laut SWR, so dass der Bäcker von Siegelsbach demnächst angeklagt werden wird.

behaupten nun Polizei, Zeuge und die Pforzheimer Zeitung (13.10.2004)

SIEGELSBACH. Fünf Tage nach dem tödlichen Bankraub in Siegelsbach (Kreis Heilbronn) und der Festnahme eines Tatverdächtigen sucht die Polizei weiter nach Tatwaffe und Beute. "Das Problem ist, dass der Täter einen ganzen Tag lang Zeit hatte, die Sachen zu verstecken", sagte gestern ein Polizeisprecher. Auch das Ergebnis einer Untersuchung von Blutspuren, die an der Kleidung des dringend Tatverdächtigen in dessen Wohnung gefunden wurden, liege noch nicht vor.

Der dringend unter Tatverdacht stehende Bäckermeister bestreite noch immer die Tat, obwohl der 46-Jährige vom schwer verletzten Ehemann der getöteten Frau eindeutig als Täter identifiziert worden sei. (...)
Laut Polizei sprechen viele Indizien gegen den tatverdächtigen Bäckermeister, auch sein Alibi sei nicht hundertprozentig. Der 46-Jährige gibt an, zur Tatzeit im Wald gewesen zu sein. Dort sei er auch gesehen worden."

In Siegelsbach wurde nun ein anderer Bäcker festgenommen, der a.) in finanziellen Schwierigkeiten stecken soll, b.) Jäger ist.

Mutmaßlicher Bankräuber von Siegelsbach bestreitet die Tat

Heilbronn (AP) Der mutmaßliche Bankräuber von Siegelsbach bestreitet die Tat. Der 46 Jahre alte Bäckermeister aus dem kleinen Ort bei Heilbronn erklärte nach Angaben eines Polizeisprechers, dass er zur fraglichen Zeit im Wald unterwegs gewesen sei. Der passionierte Hobbyjäger soll dabei auch von anderen Menschen gesehen worden sein. Der in Untersuchungshaft sitzende Mann soll bei einem Überfall am vergangenen Donnerstag eine Kundin des Kreditinstituts erschossen und zwei Männer schwer verletzt haben.

Einer der bei dem Überfall schwer verletzten Männer, ein 66-Jähriger, habe den Bäcker bei seiner nochmaligen Befragung als mutmaßlichen Täter identifiziert, hieß es.


Wenn das zuträfe, würde einige Gewissheiten, die über Bankräuber bekannt sind, ein weiteres Mal bestätigt.
1. Jeder braucht doch Geld
2. Jeder ist verdächtigt, insbesondere diejenigen, die noch nicht aufgefallen sind.
Ausserdem zeigt sich, da der Verdächtige aus dem Dorf selbst stammt, dass sich bewaffnete Übergriffe innerhalb von Nachbarn, insbesondere im Bürgerkrieg, durch besondere Brutalität auszeichnen.

Zur Vorgeschichte des Verdachtes

 

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