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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 

Theater

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Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine bzw. HNA online (07.08.2006) teilen anlässlich der Kirmes in Felsberg-Melgershausen (irgendwo bei Melsungen) ;-) worldwide mit:


"Klasse Show mit nackten Beinen
Kirmes: Festumzug mt 21 Fußgruppen und schmucken Wagen - Spiele im Zelt

Melgershausen. Wie ein langer Lindwurm zog sich am Sonntag der Kirmesfestzug durch den Felsberger Stadtteil Melgershausen: Vorneweg das Kirmesteam mit den Traditionsfiguren Bär und Spuck, dahinter 21 Fußgruppen und Wagen.

Alle waren fanatsievoll ausstaffiert, um beim Wettbewerb um den schönsten Festzugbeitrag zu punkten. Dabei setzten die meisten Beiträge das 2006er Kirmesthema Wilder Westen um. Planwagen, Saloons und Sheriff-Office bestimmten das Bild. Außerdem griffen die Teilnehmer des Festumzuges örtliche Themen auf. Die Biber vom Freitagsbach zogen auf einem Baumstamm durch den Ort. Die Feuerwehrs machte auf fehlenden Nachwuchs bei den Brandschützern aufmerksam. Musikalisch wurde der Festzug vom Landsknechtsfanfarenzug Sontra begleitet.

(...)

Für die Kirmesolympiade hatte sich das Kirmesteam drei lustige Spiele zum Thema Wilder Westen einfallen lassen. Beim Goldrauchspiel mussten 14 Mannschaften mit verbundenen Augen Goldstücke in einem Trog finden. Beim Bonanzaspiel hatten die Gruppen auf einem Holzpferd Aufgaben zu erfüllen. Höhepunkt der Spiele war ein Bankraub wie im Wideln Westen.

Etwas Besonderes hatte sich die Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr ausgedacht. Die Männer traten mit nackten Beinen, aber mit Helm und Einsatzjacke an. Ein Bild, das schon beim Eintritt der Mannschaft für Beifallsstürme sorgte. Doch die Feuerwehrleute hatten die Rechnung ohne die anderen Mannschaften gemacht. Die nämlich feuerten sie an, auch noch die Helme und Jacken abzulegen - und als die Brandschützer nur noch in Unterhose dastanden, kochte die Stimmung im Zelt.

Als Lohn errang die Mannschaft der Melgershäuser Feuerwehr den Sieg bei den Auftritten und konnte sich beim Kirmesabschluss an einem 20-Liter-Fass stärken. Auf den Plätzen zwei und drei folgten Bodos Ballerfreunde und das Kirmesteam aus Malsfeld. (zot)


Tja, irgendwo in der volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Medienforschung, wahrscheinlich bei Hermann Bausinger, gibt's dazu doch das passende, nämlich, in welcher Weise die medial vermittelte Populärkultur wiederum das dörfliche Brauchtum stärkt und erneuert.

"Wege aus dem Emmental"

Das Kulturmuster des Vereinsfestes samt entsprechenden musikalischen Darbietungen und dem Höhepunkt des Festes, eine Laientheater-Aufführung, lässt sich wieder einmal studieren am Beispiel des Emmentals bzw. Entlebuch. Die "WOCHEN-ZEITUNG FÜR DAS EMMENTAL UND ENTLEBUCH" (17.2. 2006) lässt uns worldwide teilhaben am Auftritt der örtlichen Gesangsvereine samt Theatergruppe:

OBERTHAL: Ein fideles Gaunertrio am Werk
Die Gesangsvereine Oberthal hatten zum jährlichen Konzert und Theater in den Saal der Wirtschaft Eintracht eingeladen. Die Theatergruppe spielte den amüsanten Dreiakter «Glehrt isch glehrt» von Gottfried Schenk. "


Die Horizonterweiterung des Dorflebens ist ein roter Faden dörflicher Kultur:

"Das Liederprogramm der Gesangsvereine Oberthal stand unter dem Motto «Us em Rucksack». Der Frauenchor, unter der Leitung von Karin Wolf, nahm die Zuhörer auf eine musikalische Wanderung mit. Zu jedem Ausflug gehört auch eine Erholungspause, und so bot der Männerchor mit zwei Trinkliedern die entsprechende Erfrischung an. Anschliessend ging es nach Amerika: Mit dem Medley «Golden Western Songs» zauberten die Frauen Westernstimmung in den Saal. Begleitet wurden sie von Banjo und Gitarre. Mittlerweilen hatten sich die Männer gestärkt und nahmen ihrerseits, unter Leitung von Rita Degiacomi, die Wanderung mit dem «Lied eines fahrenden Schülers» und hervorragend interpretierten «La Montanara» wieder auf. Den Abschluss des Konzerts machte der Gemischte Chor mit den Liedern «Jetzt reisen wir zum Tor hinaus» und «Londonderry Air»."

Na und von Londonderry ist es auch nicht so weit nach Belfast:

Nach der Pause waren die Schauspielrinnen und Schauspieler bereit für den Schwank «Glehrt isch glehrt» oder «Wie man eine Australienreise finanziert». Was macht ein pensionierter Zimmermeister, dem es langweilig ist und der nicht immer nur mit seinem Hund «Bobeli» spielen will? Er erinnert sich, zusammen mit einer Schulkameradin und einem Schulkameraden an die Jugendzeit zurück, an die vielen gemeinsamen Streiche. Und da war ja auch noch der Traum des Trios, einmal Ferien in Australien zu machen. Aber woher das Geld nehmen? Schliesslich wird die abenteuerlichste Variante der Geldbeschaffung gewählt: ein Banküberfall. Mit Fantasie und Unverfrorenheit wird dieses Vorhaben, unter Vortäuschung eines Brandes, vorläufig erfolgreich durchgeführt. Am Schluss sind es zwar nicht die erbeuteten drei Millionen, aber Otto hat sich genügend Geld unter den Nagel gerissen, um die Reise nach Australien zu finanzieren. Das Ensemble bot dem Publikum einen vergnüglichen Theatergenuss."

Das glauben wir auf's Wort, schließlich ermöglich das Theaterspielen den Laienschauspielern in andere Rollen zu schlüpfen und aus derm jeweiligen Alltag auszubrechen. Und wenn man die Kerle dann auch noch kennt, dann hat auch das Publikum seinen Spaß. Der Spaß hört aber da auf, wenn wir berücksichtigen, dass Bankraub immer mehr zu einem ländlichen Delikt wird (wegen geringerer Polizeidichte). Hier wäre doch auch mal nach der Nachahmungsgefahr zu fragen, zumal der überwiegende Teil der heutigen Bankräubersippschaft aus Laien besteht, die zuvor noch nie kriminell aufgefallen sind. ;-)

"Die letzten Vorstellungen: Freitag, 17. Februar (nur Theater) und Samstag, 18. Februar, je 20 Uhr in der Eintracht Oberthal."

Westerndrama in Minnesota

Weekend After Labor Day
September 7-11, 2005
Northfield, Minnesota

Bürger verjagen Jesse-James-Bande

Banküberfall wird alljährlich für 100 000 Touristen nachgespielt

Ein spektakuläres Westerndrama auf offener Straße spielt Jahr für Jahr in Northfield (Minnesota). Meistens ist das Leben beschaulich in der Kleinstadt mit 17 000 Menschen samt einigen tausend Studenten. Aber Anfang September strömen stets aufs Neue 100 000 Besucher nach Northfield, um die Inszenierung eines blutigen Schauspiels nach historischem Vorbild zu verfolgen. Gebannt beobachten die Touristen auch im 21. Jahrhundert den Showdown von 1876: Der legendäre Jesse James (1847 - 1882) und seine Räuberbande werden bei ihrem letzten großen Banküberfall von tapferen Bürgern in die Flucht geschlagen. Im Geschosshagel sterben zwei Einwohner und zwei Gangster.

Dazu wird auch aus Deutschland eine Reisetruppe zusammengestellt

" Am 7. September 1876 ritten 8 Männer in langen Staubmänteln, unter denen sie ihre Waffen verborgen hielten, in die kleine, wohlhabende Stadt Northfield (ca. 30 Autominuten von Mineapolis) und versuchten, die First National Bank auszurauben. Es handelte sich um die Bande des meistgesuchten Mannes der damaligen Zeit, Jesse James, den die populäre Literatur noch heute gern als „amerikanischen Robin Hood“ darstellt.

Der Überfall in Northfield wurde zum Fiasko für die James-Gang. Nachdem es vor der Bank zu einem Gerangel zwischen einem Banditen und einem Kunden gekommen war, griffen mehrere Bürger zu den Waffen. In der Bank gelang es den Banditen nicht, den Safe zu öffnen. Noch im Hinausgehen erschossen sie den Bankkassierer J. L. Heywood, der sich standhaft geweigert hatte, den Code des Tresors zu nennen."

Der Verleger Dietmar Kuegler ist inzwischen zum "lebenslangen" aktiven Reenactor ernannt worden.

Zum historischen Ereignis gibt es nun auch ein Buch:

Kuegler
Dietmar Kuegler:
Der Northfield Raid 1876
Der letzte große Bankraub der Jesse - James Bande
70 S. - 70 Abb. in Farbe u. s/w. - Geb - Format 21,5 x 27 cm
23.00 Euro

"Der Autor, einziges deutsches “Life Member of the James-Younger-Gang” hat am Originalschauplatz recherchiert und eine minitiöse Darstellung dieses Banküberfalls verfasst. Er gibt auch eine detaillierte Darstellung des seit 1948 jährlich aufgeführten Reenactments, bei dem er als einziger Nichtamerikaner mitreiten darf."

aus taz (30.8. 2005):
Die Kraft der Überflüssigen
Political Studies (IX): Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist längst aufgegeben, der Kampf gegen die Arbeitslosen hat gerade erst begonnen. Ein Versuch, die eigenen Hartz-IV-Träume zu verstehen.

"Wie immer die Neuwahlen ausgehen - auf dem weiten Feld zwischen Politik und Leben hat sich etwas verschoben. Was kann Politik, was soll sie können, was nicht? In unserer Serie "Political Studies" überlegen AutorInnen, welche Rolle Politik in ihrem Leben spielt, ob die offizielle Politik das Politische noch repräsentiert. (...)

Für einen inzwischen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung gilt, auch wenn das Politiker naturgemäß anders sehen: Ihre Würde wird mit jedem Gang zur Arbeitsagentur angetastet - meist schon in den elenden Wartefluren, die ihnen nichts mehr versprechen.

1-Euro-Jobs unterscheiden sich von ABM-Stellen nur durch die miesere Bezahlung. Gibt es noch die eher spaßige Variante, dass in der Westernstadt Templin mit Arbeitsagenturgeldern Angestellte sich als Bankräuber verdingten, so ist die Finanzierung einer Bürgerwehr auf 1-Euro-Basis in einer anderen brandenburgischen Stadt doch eher ein Alarmsignal. Es gibt längst Gegenden, wo Politik nicht mehr hinreicht, da kommt im Wahlkampf auch keine Kanzlerkandidatin mit orangefarbenem Angietross, kein auf seriös umgespritztes Guidomobil und kein grüner Fischerchor vorbei, dort sind die Menschen selbst als Konsumenten nicht mehr zu gebrauchen. Sie sind die Überflüssigen, die Soziologen sprechen von "nicht mehr verwertungsgeeigneten Personen in verfestigenden sozialen Randlagen", wo das öffentliche Geld im günstigsten Falle für den Rückbau reicht. Wer etwas will, muss weggehen. Werden die verödeten Gebiete in absehbarer Zeit unregierbar sein und somit für Experimente offen stehen oder wird es vereinzelte Wehrdörfer geben, die von Windparks flankiert werden und keine Parteien, sondern nur noch Gegner kennen?"

In den Berliner Sophiensaelen kann man sich im Juni 2005 mit Werten und Visionen des Alters befassen, unter anderem mit unorthodoxen Möglichkeiten der Altersvorsorge bei leeren Rentenkassen.

Sandra Strunz versucht nämlich, in ihrem Stück "Vabanque" Rentnern von morgen den Banküberfall als Alternative zur Altersarmut nahe zu bringen. So jedenfalls stellt es die taz dar.

Das Theater selbst wirbt folgendermaßen:

16.-19. & 23.-26.06.2005
Sandra Strunz › Vabanque

"Während sich heute alte Menschen den Vorwurf gefallen lassen müssen, Zeit und Geld im Überfluss zu besitzen, rumoren die „Alten von morgen“ im Bewusstsein der Gesellschaft: Viel Zeit werden sie haben, aber wenig Geld. In Vabanque greifen acht Senioren zur magischen Abkürzung und sichern sich ihre Zukunft mit einem
Bankraub. Vabanque spitzt die Fragen nach dem Wert und Visionen des Alters zu. Das Stück basiert auf einer Interviewrecherche mit Menschen zwischen 4 und 98 Jahren und Texten der Autoren Olga Tokarczuk und Raphael Urweider."

Regie › Sandra Strunz,
Dramaturgie › Viola Hasselberg,
Texte u.a. › Olga Tokarczuk & Raphael Urweider,
Eine Koproduktion von Sophiensaele, schauspielhannover, Teatr Nowy im.Tadeusza Lomnickiego Poznan und DepArtment.


Ursprünglich wurde das Stück in Hannover entwickelt und deren Beschreibung verweist in den verwendeten Begriffen auf das gleichnamige Buch:

"Vabanque
Ein Stück mit polnischen und deutschen Darstellern ab 70



Auf der Bank lagert im Übermaß, was vielen von uns zu mangeln scheint: Geld. Geld zählt als Maßeinheit für Glück, mit Geld lassen sich glücklich machende Güter bezahlen. Nur Zeit kann man nicht mit Geld kaufen. Während sich heute alte Menschen den neidvollen Vorwurf gefallen lassen müssen, beides, Zeit und Geld, im Überfluss zu besitzen, und damit die Räuber der Ressourcen und Reserven der Zukunft zu sein, rumoren die Alten von morgen im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft: zu viel Zeit werden sie haben, aber wahrscheinlich eher wenig Geld. In unserem Stück greifen acht Senioren zur "magischen Abkürzung", um in ihrem Leben zum vielleicht letztmöglichen Zeitpunkt den Traum vom neuen Anfang in die Tat umzusetzen. "Take the money and run" - acht Mal zeigt "Vabanque" Banküberfälle von Senioren. Die Darsteller, Laien und professionelle Schauspieler jenseits der siebzig, kommen aus den Nachbarstaaten Polen und Deutschland, die ein immer noch belastetes, exemplarisches ost-west-europäisches "Familienverhältnis" miteinander pflegen. Warum haben wir im Gegensatz zu Mythen der Jugend keine Vorstellungen mehr vom Alter? Was ersetzt Weisheit und Würde? Die letzte lebende Generation Deutscher und Polen, die sich als Kriegsgegner gegenüberstanden, wird in "Vabanque" zu Akteuren des gemeinsamen Raubs."


Aus einer Rezension von dpa (10.6.2005):

"Regisseurin Sandra Strunz und Dramaturgin Viola Hasselberg spielen mit den Gegensätzen zwischen dem erwarteten Verhalten der Alten und dem Ausbrechen aus diesen Rollenklischees. Das Planen eines Bankraubs wird für die Senioren zu einem revolutionären Akt - sie wollen sich nicht abfinden mit der ihnen zugedachten und zugewiesenen Rolle. Häufig wirkt das komisch. Ungelenk schreiten die Rentner in die Bank, mühen sich, Verfallserscheinungen zu verbergen. Ein Gewehr ist als Krückstock getarnt. Die Zuschauer quittieren solche Szenen am Premierenabend mit viel Gelächter und Szenenapplaus. Am Ende gibt es minutenlangen Beifall."

Vgl. a. Cellesche Zeitung, 10.6.2005

"Lasso-Tricks und schöne Ladies"
Die Märkische Oderzeitung (MOZ) berichtet am 31.5. 2005 aus Werneuchen ..

"Banküberfall, ein schießender Sheriff und flüchtende Diebe: In Werneuchen flogen am Samstag die Kugeln durch die Luft - glücklicherweise nur in der Show der ersten mobilen Westernstadt Deutschlands. Die Akteure des Familienunternehmens wollten auf ihrer Tournee sowieso Station in Werneuchen machen und da gleichzeitig das Sommerfest des Countryclubs "The Flying Hawks" steigen sollte, wurden sie einfach auf das Domizil-Gelände an der B 158 umgeleitet.
Am frühen Nachmittag, die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herunter, sind die Cowboys und Ladies noch mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt. "Es ist einfach zu heiß", stöhnt Marina Gillmann, die Chefin der "Hawks". Sie hat aber kaum Zweifel daran, dass in den nächsten Stunden noch viele Country-Fans kommen werden. Einen Höhepunkt können die Gäste wenig später live erleben. Toni Tränkler und seine Familie präsentieren in zünftiger Kulisse einige Szenen aus dem wilden, wilden Westen. Und natürlich darf dabei der Banküberfall auch nicht fehlen. Ein Messerwerfer zeigt sein Können, es gibt Vorführungen mit dem Lasso und Proben eines Kunstschützen."


Wer jetzt noch nicht genug hat kann hier weiterlesen und sich fragen, warum diese Nostaligie eigentlich immer mit rassistischen Emblamtik der Südstaatenflagge daherkommt.

Hamburger Abendblatt, 22.1. 2005
"Ohne Murren ist meine Buße"
Von Alexandra zu Knyphausen

"Ulrich Tukur spielt ihn im St.-Pauli-Theater. Wer aber war der Lord von Barmbeck wirklich? Kein harmloser Kleinkrimineller, sondern der Gründer des organisierten Verbrechens in Hamburg. Er selbst nannte sich einen "bockbeinigen Mephistojünger".

Der Mann sah überzeugend aus in Bowler, schwarzem Anzug und den gewienerten Schuhen. Optisch ein Gentleman, der bei Damen gut ankam. De facto einer, dessen größter Stolz es war, Panzerknacker zu sein, und zwar ein ganz spezieller, der Tresore nicht aufbrach, sondern erst den Schlüssel stahl, um ihn dann wieder zurückzubringen. Irgendwo, das muß man zugeben, hatte er Stil.
Man gab ihm einen "Ehrennamen": Lord von Barmbeck (damals noch mit "C"). Bürgerlich hieß er Julius Adolf Petersen, wurde am 7. Oktober 1882 in einer Kellerwohnung am Borstelmannsweg in Hamm als Sohn eines Zimmermannes geboren. Später war er Kneipenwirt in einem Kellerlokal in der Bartholomäusstraße. Er wurde 51 Jahre alt."


Der ganze Text über den Lord von Barmbeck

Das ist offenbar der richtige Stoff für das Boulevard-Theater. Das Hamburger Abendblatt (5.1. 2005) sprach mit der Regisseurin:


"Mit Sicherheit wird ihr "Keen Geld för Dösbaddels" helfen, im neuen Umfeld die eigene Note erkennen zu lassen. Denn die Kriminalkomödie bietet eine Ausgangssituation, die den theatralischen Vorlieben der Regisseurin Harten entgegenkommt: Es ist nicht alles so, wie es scheint. Und es kommt ganz anders als erwartet. Der Plot jedenfalls ist an sich schon skurril: zwei Rentner - gezeichnet nach dem Motto: Gegensätze ziehen sich an - überfallen eine Bank und werden unfreiwillig zu Geiselnehmern. Doch das ist erst der Anfang ihrer Pechsträhne: Denn ihre Opfer, der Filialleiter mit Gattin und Geliebter, sind um einiges bösartiger als die Möchtegern-Bankräuber."

Ohnsorg


Die Welt (11.1. 2005) lässt sich auch noch über das Ohnsorg-Theaterstück und verquickt die Besprechung mit den Rezeptionserfahrungen des Schreibers anlässlich des ARTE-Bankraub-Themenabends:

Zwei alte Trottel humpeln ums Goldene Kalb

Mit mäßigem Erfolg versuchte Meike Harten, das fehlkonstruierte Stück "Keen Geld för Dösbaddels" am Ohnsorg Theater zu retten

von Lutz Lesle

"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", läßt Bertolt Brecht seinen Helden Mackie Messer in der "Dreigroschenoper" sagen. Seit es Geldinstitute gibt, geht von Bankräubern eine ungeheure Faszination aus. Zumal wenn sie so tolldreist vorgehen wie die Brüder Sass in den zwanziger und dreißiger Jahren, Bonnie & Clyde, Ronald Biggs oder Kimmel & Co. Von ihnen, auch von Deutschlands erstem Geiselnehmer Dimitri Todorov, erzählte der Arte-Themenabend eben in dem Moment, als ich mich - vom jüngsten Bühnen-Kriminalfall bei "Ohnsorgs" müde heimkehrend - dem Fernseher überantwortete, um angeregter schlafen zu können.

Dabei war auch zu erfahren, daß die Zahl der Banküberfälle stetig abnimmt, seit sich der Geldverkehr auf virtuelle Datenbahnen verlagert. Was Unterhaltungsautoren nicht davon abhält, der theatralischen Zugkraft des Geldraubs in Kassenhallen zu vertrauen, zumal wenn die Umstände etwas zu lachen hergeben. So schnitt der Aachener Humanmediziner, Chirurg und Freizeitschauspieler Markus Voell, Mitglied des dortigen Blackout Theaters, aus einschlägigen Stoffquellen wie den oben erwähnten eine Kriminalkomödie zurecht, die er "Oslo-Syndrom" betitelte - in Anlehnung an das so genannte "Stockholm-Syndrom". (...)

"Keen Geld för Dösbaddels", so der plattdeutsche Titel - für Nichtniederdeutsche: ein Dösbaddel ist ein Tölpel, ein "zerstreuter Barthold" (der Name bedeutet ursprünglich "Haudegen") - ist nicht halb so spannend wie der spanische Spielfilm "Vier Frauen gegen eine Bank", obwohl sich alle hinreißend bloßstellen und für dumm verkaufen: Frank Grupe als filialleitender Bangbüx und Sandra Keck als listige Liebhaberin, Edda Loges als betrogene Betrügerin, Jürgen Lederer und Karl-Ulrich Meves als gotterbärmliches Gaunerpaar. Kleine Anregung am Rande: Ohnsorg-Intendant Christian Seeler, hier zwischendurch als TV-Moderator eingesetzt, sollte sich vielleicht bei N3 als Nachrichtensprecher bewerben.

Der Lord von Barmbek ist in diesem Weblog bereits gewürdigt worden. Nun hat auch der Schauspieler Ulrich Tukur denselben für das Hamburger St.Pauli Theater entdeckt und zeigt Sympathien. In einem Interview mit der Hamburger Morgenpost (4.1. 2005) will er seinen Lord fein geschieden wissen von anderen Halunken.

Ulrich Tukur & Ulrich Waller: »Das waren sportive Unternehmer!«

Edel-Schurke auf dem Kiez - Am Sonnabend betritt »Der Lord von Barmbeck« die Bühne des St. Pauli Theaters

Zwischen organisiertem Verbrechen und irrwitzigen Einbruchstouren verlief die kriminelle Karriere von Julius Adolf Petersen. Als "Gentlemangangster" machte sich der "Lord von Barmbeck" nach dem Ersten Weltkrieg einen Namen - und nahm sich später einsam in einer Gefängniszelle das Leben. Im St. Pauli Theater bringen Autor-Regisseur Ulrich Waller und Autor-Hauptdarsteller Ulrich Tukur seine Geschichte auf die Bühne.

MOPO: Was macht die Geschichte des "Lord von Barmbeck" heute noch interessant?

Tukur: Julius Adolf Petersen hat eine sehr pfiffige Lebensgeschichte hinterlassen. Und wir dachten, man sollte auf der Bühne was über ihn erzählen. Das ist ja auch ein Stück Hamburger Geschichte. Wir schließen unsere "Kriminellentrilogie" - nach "Blaubarts Orchester" und "Dreigroschenoper" - mit einem authentischen Hamburger Mackie Messer ab.

Waller: Das Lokalkolorit interessiert uns aber nur als Hintergrund, es geht um den "Lord" als Prototyp. Wie so ein Mann, der den staatlich verordneten Weg zu Reichtum und Glück nicht einhält, in die Mühlen eines Systems gerät, wie ihm jede Lebensperspektive genommen wird. Der "Lord" ist eine merkwürdig unzeitgemäße Figur, er verschwand 1922 im Knast und kam wieder, als die Weimarer Republik kippte, in ein Deutschland, das sich komplett verändert hatte. Auch die Verbrecherszene war viel amerikanischer geworden war, es wurde mehr geschossen.

MOPO: Wie viel Rechercheaufwand steckt in dem Stück?

Waller: Wir haben ein Jahr recherchiert, konnten auch Originalakten im Staatsarchiv einsehen.

Tukur: Man muss sich entscheiden, was für eine Geschichte man erzählen will: Was ist interessant an dieser Figur? Warum sind diese Verbrechertypen Identifikationsfiguren?

MOPO: Ist Petersen für Sie eine Heldenfigur?

Tukur: Er hat sich zu einer gemacht, und er ist ein Mythos geworden. Seine Truppe war über 400 Mann stark, die haben Gelder verschoben bis in die USA. Witzig war es nicht wirklich. Er war sicherlich ein charmanter, intelligenter und aus gutem Holz geschnitzter Typ - in Maßen. Aber diese Geschichte endet elend, wie immer bei Menschen, die verzweifelt versuchen, in der Gesellschaft anzukommen, die aber ein anarchisches Grundpotenzial haben und bestimmte Regeln einfach nicht akzeptieren können.

MOPO: Aber Sie begegnen ihm mit einer gewissen Grundsympathie.

Tukur: Na klar! Er hat immer gesagt: Bei mir wird nicht geschossen. Das waren Geldschrankknacker, deren größter Traum die Bettentour war: den Schlüssel für den Tresor der Reichen vom Nachttisch klauen, alles rausholen und den Schlüssel wieder zurücklegen. Das war das Größte! Das waren sportive Unternehmer.

MOPO: Welchen Ruf hatte der "Lord" in der Hamburger Gesellschaft?

Waller: Wenn man sich durch die Ermittlungsakten arbeitet, zeigt sich, dass er ein sehr guter PR-Stratege war. Er hat Presseerklärungen abgegeben und an Eides statt erklärt, dass er kein Ein-, sondern ein Ausbrecher sei. Er war rotzfrech, und das hat den Leuten gefallen.

MOPO: Warum eine solche Geschichte auf die Bühne bringen - damit sie erhalten bleibt?

Tukur: Definitiv. Das ist eine Art Demokratie für die Toten, denn die können nicht mehr reden. Wenn wir uns nicht um sie kümmern, sind deren Leiden und Kämpfe für immer vergessen
.

Ja dann, hoch die ....

update nach fast zwei Jahren (10.10.2007):
Hier beim datenhamster.org gibts ein Blogeintrag von der NDR-TV-Übertragung des Theaterstücsk

Eine illegale Aktion der Gruppe hai gorgai - µ5-project (Till Nikolaus von Heiseler, Michaela Caspar, Andres Fuentes Cannobbio, Achim Kubinski, Petra Fromm, Sebastian Hoppe, Christian Maria Goebel, mARS Agardtha, Sebastian Chmielarz).

hg_062Ein komponierter, teilweise gesprochener, teilweise gesungener Text wird in einer geprobten und choreographierten
Inszenierung unangemeldet in einer Bank aufgeführt. Die nach kürzester Zeit im Sturmschritt erscheinenden Kampf-
geschwader der Polizei stehen einer einzigen, dünnhäutig wirkenden Perfomerin in einem weißes Papierkleid gegenüber...


"Als mir Heiseler von der Sache erzählt hat, hab ich sofort gesagt: klar, machen wir. Ich beantrag dafür Geld beim Ministerium. In unserem Gespräch wurde ziemlich schnell klar: als Aufführungsort kommt nur eine Bank infrage. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat uns dann mit einem fünfstelligen Betrag ausgestattet. Das Kostüm wurde entworfen, die Musik komponiert; dann haben die Proben angefangen." «Michaela Caspar, Performerin»

hg_015"Eine Performerin in leichten weißen Gewändern begann zunächst melodisch, dann kreischend einen Text zu zelebrieren, kniete vor einem der Heiligtümer der Bank, dem Kontoauszugsdrucker, stand auf, flog leichtfüßig durch die Schalterhalle. Musik aus mitgebrachten Tonbandgeräten plätscherte leise. Ein Kind lachte." «Mario Stumpfe, Berichterstatter für das Neue Deutschland»

"Als ich Michaela in Hamburg aus dem Polizeigewahrsam abgeholt habe, hat mich ein Polizist von einer Spezialeinheit gefragt: 'Und wie ist denn das jetzt so bei euch in der Kunstszene?'" «Christian Maria Goebel, Darsteller»

"Eine Bank ist ja nicht irgendein öffentlicher Ort. Die Sorge um Sicherheit schafft eine ständige Spannung. Die kleinste Abweichung von der Norm wird in so einem Raum sofort deutlich. Das ist äußerst theatralisch." «Sebastian Hoppe, Fotograf»

 

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