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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
In Frankreich macht der Fall Hélène Castel Schlagzeilen. Die Tochter des bekannten französischen Soziologen Robert Castel war nach einem ziemlich schiefgelaufenen Banküberfall im Kontext der autonomen Szene nach Mexiko entkommen und vier Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist dann doch festgenommen worden. Der Schweizer Blick (4.1. 2006) ist als eine der wenigen deutschsprachigen Online-Quellen noch vor der Urteilsverkündung auf den Fall eingangen. Heute berichtete auch die Süddeutsche Zeitung (9.1. 2006) über den Ausgang des Prozesses:

"Die zwei Leben der Hélène Castel

Bis vier Tage vor der Verjährung lebte eine Pariser Bankräuberin unerkannt in Mexiko, dann wurde sie gefasst – das Urteil fiel nun mild aus. (...)

castelIm Mai 1980 hatten Hélène Castel und sechs andere junge Leute sich als Bankräuber versucht. Der Überfall auf eine Filiale der BNP-Bank an der Rue Lafayette in Paris war furchtbar schief gegangen. Einer der Mittäter wurde von der Polizei erschossen, einer entkam und ist bis heute nicht identifiziert. Auch Hélène Castel konnte fliehen, wurde dann in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt – von dort an rechnete die Verjährungsfrist, 20 Jahre.

(...)

Es waren andere Zeiten damals. Man lebte, wiewohl aus guter Familie, in besetzten Häusern. Schon im Alter von 17 Jahren hatte Hélène Castel die Eltern verlassen, sah sie nur gelegentlich. Sie ließen ihr alle Freiheit, wohl zu viel davon. Der Vater, schon damals ein etablierter Soziologe, erinnert sich, dass man in der Nach-Achtundsechziger-Zeit misstrauisch gegen jede Erziehung war, die als repressiv ausgelegt werden konnte. Er versuchte dem Gericht nun klarzumachen, dass Verbrecher anders aussähen als seine Tochter. Der Vater hatte sie gelegentlich in ihrem Exil besucht.

Irgendwie links

Als damals die besetzten Häuser geräumt wurden, entschlossen sich die Jugendlichen wegzugehen und woanders ein freieres Leben zu suchen. In Südamerika, dachten sie, nach dem Motto: „Oh wie schön ist Panama.“ Sie verstanden sich zwar als antibürgerlich, irgendwie links, wenn auch nicht als Revolutionäre. Doch um abzuhauen brauchten sie Geld. Einer hatte die Idee, eine Bank zu überfallen.

(...)
Auch die Bankangestellten, inzwischen alle pensioniert, zeigten sich von abgeklärter Nachsicht. Am Ende wurde Hélène Castel am späten Freitag zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, davon neun zur Bewährung. Die Strafe gilt durch die Untersuchungshaft als verbüßt. Hélène Castel konnte, an der Seite ihrer Tochter, das Gericht als freie Frau verlassen. Sie will nun für immer in Frankreich bleiben."


Einige französische Quellen:

Libération (5.1. 2006): Le procès d'Hélène Castel s'est ouvert vingt-cinq ans après les faits. «L'arrestation a été un soulagement pour moi»

L'Humanité (5.1. 2006): « On ne peut pas mettre une étiquette sur cette période ». Justice . À son procès, Hélène Castel apparaît, vingt-cinq ans après les faits, comme une jeune fille des années soixante-dix, naïve et influençable.

L'Humanité (6.1. 2006): Hélène Castel est jugée vingt-cinq ans après les faits. Justice. Cette ancienne sympathisante d’extrême gauche, accusée d’un braquage, avait été extradée du Mexique où elle avait refait sa vie.

Libération (6.1. 2006): Liberté pour Hélène Castel

Le Figaro / Yahoo (7.1. 2006): Hélène Castel ne retournera pas en prison

 

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