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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
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Von der Netzzeitung (6.4. 2006) werden wir über ein neues - im Printbereich gegen die Kronenzeitung gerichtetes - Zeitungsprojekt aus Österreich informiert, das "die Medienlandschaft verändern" will und deren "Reporter (...) das «Live-Erlebnis» ins Internet bringen" sollen:

"In Österreich kommt im September eine Tageszeitung auf den Markt, die etablierten Blättern Konkurrenz machen will. Während sich das von den Brüdern Wolfgang und Helmuth Fellner entwickelten Zeitungsprojekt - Arbeitstitel «Österreich» - im Printbereich mit Platz zwei hinter dem Boulevardblatt «Kronen Zeitung» begnügt, peilen die Macher der elektronischen Ausgabe längerfristig die Marktführerschaft an.

Und wie wir uns das mit dem Liveerlebnis vorstellen sollen, das sagt uns im Interview mit der Netzeitung «Österreich»-Online-Chefredakteur Christian Nusser:

"Was aber vermutlich am wichtigsten ist: Alle «Österreich»-Redakteure arbeiten bimedial, egal ob Sport, Politik, Wirtschaft, Chronik oder Auto. Einerlei ob Fußball-WM oder Bankraub in Wien-Favoriten – wir haben immer Reporter vor Ort. Dieses Live-Erlebnis ist im Internet neu und erlaubt eine hohe Taktfrequenz bei den Updates. Damit können wir echtes Newsroom-Feeling erzeugen. Wann immer der User, die Userin auf die Seite kommt – es gibt immer frische Nachrichten."

Tja im "Newsroom" bliebt Raubzug ein Raubzug ...

Ein bisschen künstliche Aufregung verbreiten die Stuttgarter Nachrichten (31.03. 2006), die auf einen jüngst in Tannhausen stattgefundenen Geldautomaten-Klau hinweisen. Rein juristisch sind Begriffe wie "Überfall" und "Raub" wenig angmessen. Aber was soll's. Solche Berichte sagen meist mehr über die Berichterstatter und ihre Phantasien:

"Banküberfall mit Bagger
Protokoll eines Brachial-Raubs


Tannhausen - Bankräuber als dreist, skrupellos oder rabiat zu bezeichnen, erübrigt sich. Deswegen fällt es den Beamten auch schwer, Worte für den Überfall zu finden, der Dienstagnacht in Tannhausen im Ostalbkreis vonstatten ging.
(...)
Am Abend entwenden zwei Männer in einem Sandbetrieb einen Schaufelbagger. Von einer Dachdeckerfirma rauben Komplizen einen Kleinlaster.

Gegen 2.30 Uhr steuert ein Duo die Filiale der Volks- und Raiffeisenbank in Tannhausen an. Mit dem Radlader durchbrechen sie die Fensterfront und stoßen den Geldautomaten aus der Verankerung. An einer Eisenkette befestigt ziehen die Männer den Automaten ins Freie."


Mit diesem Automaten-Klau setzt sich jene bereits eingeläutete Tendenz fort, den bewaffneten Banküberfall mit Hilfe schweren Gerätes in Richtung Automaten zu verlagern, der auch in diesem Blog inzwischen nachhaltig dokumentiert wurde

vgl. auch folgende Einträge
http://vabanque.twoday.net/stories/1282991/
http://vabanque.twoday.net/stories/950428/
http://vabanque.twoday.net/stories/950357/
http://vabanque.twoday.net/stories/753636/
http://vabanque.twoday.net/stories/671245/
http://vabanque.twoday.net/stories/603477/
http://vabanque.twoday.net/stories/461837/

Bonnie & Clyde ist nach langer Zeit mal wieder im Kino zu bewundern und zwar in Wien im Orginal mit Untertiteln. Das GARTENBAUKINO in Wien zeigt ab 7. April 2006

BONNIE & CLYDE
ein Film von Arthur Penn
USA 1967
111min, OmU

"Sie sind jung, verliebt und sie töten Menschen.
Mit "Bonnie and Clyde" begann in Amerika ein Kino der Gegenkultur, der Kompromisslosigkeit. Arthur Penn inszenierte 1967 die zum Mythos gewordene, wahre Geschichte des GangsterpÀrchens Bonnie Parker und Clyde Barrow.

"Bonnie and Clyde" erzählt die historisch belegte Geschichte jener
Barrow-Gang, die in den 20er Jahren - am Höhepunkt der großen
wirtschaftlichen Depression und Massenarbeitslosigkeit - das Land durch eine Serie von Banküberfällen und Raubzügen in Atem gehalten hatte. Bald begann sich unter den Arbeitslosen und Ausgebeuteten eine Art romantischer Mythos und unverhohlene Sympathie für die Gangster zu entwickeln, ein Umstand, auf den die Polizei mit immer ohnmächtigerem Hass und größerer Gewalt reagierte.

Seit vielen Jahren erstmalig wieder im Kino-Einsatz bietet sich jetzt
die Gelegenheit die filmische Legende "Bonnie and Clyde" wiederzusehen. Oder zum ersten Mal zu entdecken."


7. bis 20. April, täglich um 17, 19 und 21 Uhr im GARTENBAUKINO

Nun zu dieser Ankündigung wäre vielleicht anzumerken, dass dieser Film selbst zur weiteren Mystifizierung von Bonnie & Clyde beigetragen hat. Davon zeugen auch zahlreiche Eintragungen in diesem Blog.

Nachdem ich mir nun gestern abend "Inside Man" von Spike Lee selbst gesehen habe, bleibt es dabei: Wirklich empfehlenswert. Und für gewiefte KinogängerInnen lohnt sich bestimmt ein zweiter Besuch, weil nicht alles beim ersten Mal mitzubekommen ist.

Im anschließenden Gespräch mit meinem Kollegen zeigte sich, dass der Film derartig viele Details enthält, die spannend sind und zur Erklärung beitragen, dass man sie kaum alle auf einmal beobachten kann.

Z.B.: Schon eingangs werden wir darauf hingewiesen, dass die überfallene Bank 1948 gegründet wurde. Der Grund hierfür, ergibt sich erst im Laufe des Filmes. Also zu mehreren hingehen und sich hinterher austauschen (Wie überhaupt Kinogehen einfach ein kollektives Ereignis sein muss).

Die Pointe sei hier nicht verraten, aber der Film zeigt auf eleganten Weise, dass mitunter die wahren Verbrecher eben nicht die Bankräuber sind, sondern die, die Bank besitzen. Aber wem muss man das an dieser Stelle noch sagen?

By the way: Das von uns sehr geschätzte "Matts Blog - Film und Sport" bemerkte in seiner Berichterstattung richtigerweise, dass der Film "ein Fest" für dieses Blog darstelle:

"Spike Lees Inside Man ist nicht nur ein Fest für das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs - sondern auch für den ganz normalen Kinogänger: Ein kurweilig inszenierter Thriller-Spaß, so ein bisschen eine Mischung aus Oceans Eleven und Ein verrückt genialer Coup. (...)
Daher: Beste Kino-Unterhaltung mit einem winzigen Tick Anspruch garniert. Anschauen!"


Was soll man dazu noch sagen .... ?

Vielleicht noch soviel, dass es schon ein oder zwei Ungereimtheiten in der Logik des Drehbuches gibt. Und das soviel Coolness vielleicht doch eher der Filmwelt entspringt, aber wissen wir das im Grunde genommen nicht bereits? Und wird in diesem Blog nicht andauernd behauptet, dass es gerade beim Bankraub die Welt des Filmes ist, die versucht die Wirklichkeit zu dominieren, bzw. die Kinogänger sich die Wirklichkeit gemäß ihrer aus Filmen gewonnen Phantasien zurechtlegen?

In einem Interview mit "teleschau - der Mediendienst" (23.3. 2006) anläßlich des Kinostarts von "Firewall" - in dem es um die digitaliserte Version des Bankraubs geht, äußert sich Harrison Ford über "irische Banküberfälle" und das Verschwinden des Geldes:

teleschau: Haben Sie noch eine Vorstellung davon, wie Geld aussieht?

Ford: Das Geld besteht heute natürlich nur noch virtuell, weil sich die Banken darauf verständigt haben, es so untereinander auszutauschen. Wer braucht da noch eine harte Währung, die man anfassen kann? Das Geld ist aber noch da, es wird nur schwerer zu stehlen. So definiert man ja einen "irischen Banküberfall": Während unserer Dreharbeiten hörte ich von einem Bankraub von 40 Millionen US-Dollar in nordirischen Banknoten. Wo will man die ausgeben außer in Nordirland? So etwas Blödes!

enthüllt die Junge Welt (25.03. 2006) in ihrer ebenfalls ausgiebigen Bezugnahme auf den neuesten Spike-Lee-Film:

"In Spike Lees neuem Film »The Inside Man« wird beim Banküberfall sensationellerweise Albanisch gesprochen.
(...)
Das Branchenblatt Hollywood Reporter sah in »Inside Man« sogar explizit einen Gegenentwurf zum Oscargewinner »L.A. Crash«: »Nicht daß in ›Inside Man‹ nicht auch rassische Spannungen vorkämen oder gelegentlich Vorurteile aufblitzten, letztlich aber vor allem feiert der Film die enorme ethnische und kulturelle Vielfalt von New York und weitergehend von ganz Amerika. Zu einer Schlüsselstelle gehört sogar, daß, sobald auf einer beliebigen Straße Manhattans irgendeine halbwegs unverständliche Sprache über Lautsprecher zu hören ist, man sich darauf verlassen kann, auch jemanden zu finden, der genau diese Sprache versteht.«

Die Sequenz, auf die der Hollywood Reporter hier anspielt, gibt in der Tat einige wichtige Hinweise zum Thema Sprachverwirrung und Vorurteil: Denzel Washington und seine Kollegen bekommen beim Abhören des Funkverkehrs der Geiselnehmer eine Sprache zu hören, die sie nicht verstehen. Zunächst denken sie, es sei Russisch (klar, die Russen-Mafia aus Little Odessa). Ist es aber nicht. Washington weiß, daß es auf den Straßen Manhattans Hunderttausende von Fremdsprachenkundigen geben muß, die meisten davon Taxifahrer. Mit der Lautsprecheranlage des Polizeiwagens überträgt er die Botschaft in der unidentifizierbaren Sprache auf die Straße. Prompt meldet sich auch jemand: Ein Taxifahrer behauptet, die Botschaft sei in Albanisch. Der Typ selbst kann kein Albanisch. Seine Exfrau aber komme aus Albanien, und die rede quasi ununterbrochen, die Sprache sei definitiv Albanisch. Washington läßt beim albanischen Konsulat anrufen, die sollen mal schnell einen Dolmetscher rüberschicken. Das Konsulat antwortet: Nicht mit uns und vor allem nicht ohne Honorar. Also muß die besagte Exfrau ran. Deren Auftritt wird dann als der einer toughen Vorortschlampe stilisiert, der man nichts groß mehr erzählen kann, weil sie selber ununterbrochen zynischen Quatsch redet. Albanisch kann sie tatsächlich. Sie hört die Botschaft und lacht sehr laut: Das ist Enver Hoxha. Wer? Enver Hoxha, Gründer der Partei der Arbeit Albaniens und Landesvater des ausdrücklich ersten offiziell atheistischen Staates der Welt. Jedes Kind in Albanien kenne diese Stimme. Der Mann sei übrigens bereits verstorben. Und was redet der da? Es gehe um den soundsovielten Jahrestag von irgendwas, Albanien ist das fortschrittlichste und beste Land der Welt, die Revolution hat gesiegt etc pp.

Mit der von den Geiselnehmern übermittelten Botschaft der Partei der Arbeit Albaniens dürfte »Inside Man« der erste US-amerikanische Spielfilm sein, in dem eine Rede Enver Hoxhas in der Originalsprache zu hören ist. Ein Zeichen sowohl für die gute Laune der Geiselnehmer als für den Verfremdungshumor von Spike Lee. Er nimmt das Banküberfall-Thema eher auf die leichte Schulter. Ebenso die Verschwörungsgeschichte im Hintergrund des Plots. Die läuft darauf hinaus, daß das Gründungskapital der Bank aus den blutigen Geschäften von Nazikollaborateuren stammt. Das weiß doch sowieso jeder: Sobald's ums Geld geht, kennt die herrschende Klasse keine Verwandten mehr. Ihr Motto: »When there's blood on the streets, buy property« (Sind die Straßen voll Blut, kaufe Grundbestitz)."


Die Junge Welt will sich natürlich ein bisschen absetzen und lässt den Rezensenten dann ein paar "lässige" Urteile schreiben. Und das ist nichts als Stil. Nachvollziehbar sind solche Behauptunten in der Regel sowieso nicht. Das ist Pop, und solche Prosa ist nicht begründungspflichtig, freuen wir uns also an den zahlreichen nützlichn Informatione zum Film:

"Tatsächlich geht es Lee eher darum, Bilder einer anderen (und vor allem aktuell gewichtigeren) Ordnung als der des Genrethrillers in seinen Film zu schmuggeln: Bilder aus einem (fiktiven) Computerspiel, mit dem eine der Geiseln, ein kleiner schwarzer Junge (»Hast du Angst?«; »Quatsch, ich bin aus Brooklyn«) sich die Zeit vertreibt. Das Spiel heißt »Kill that Nigger« und simuliert, in tödlicher Manier affirmativ, schwarze Gewaltkriminalität. Man sieht Videobilder von der Exekution einer Geisel, die sich später als Simulation herausstellt. Die Bilder erinnern fatal an neuere Entwicklungen in der Abteilung des Snuff-Film-Genres, die allgemein als TV-Nachrichten bekannt ist. Und schließlich – als dramaturgischer Trick wiederholt in die Handlung eingeschnitten – Bilder vom nachträglichen Verhör der Geiseln, unter denen man auch die Geiselnehmer vermutet. Die Verhöre arbeiten mit mildem psychologischem Terror und sind dennoch unergiebig. Die Ununterscheidbarkeit zwischen Geiseln und Geiselnehmern (»im Overall sind alle gleich« Berliner Zeitung) ist vielleicht die böseste Wahrheit des Films. Und das nicht nur, weil jedes Verhör zwangsläufig Verdächtige/Schuldige produziert. Man muß in diesem Zusammenhang nur an die jüngsten Debatten um die Nützlichkeit von sogenannter milder Folter zur Terrorprävention denken und es wird einem ziemlich mulmig. Die Hinweise auf Debatten solcher Art gehören jedenfalls zur interessanteren Schmuggelware in Lees ansonsten schon fast zu lässigem Film."

"Noch inniger als die Panzerknacker sehnen sich Filmemacher nach dem perfekten Bankraub" heißt es in der FR-Rezension (22.3.2006) über Inside Man.

In der Ausgabe 12/2006 (also der Ausgabe vom 20.3.) lässt sich der Focus über fiktive (S. 74) und reale Bankräuber (S. 66-67) aus.
Anläßlich des Kinostarts von "Inside Man" lesen wir:
"Es ist immer wieder ein erlesenes Vergnügen, scharfsinnigen und gut aufeinander eingespielten Räubern dabei zuzusehen, wie sie das Unmögliche vollbringen, etwa einen groß angelegten Bankraub mit Geiselnahme."

Ein paar Seiten davonr lesen wir einen Zwei-Seiten-Artikel über das aussterbenede Bankraubhandwerk. Über eine der berühmt-berüchtigten Grafiken des Focus wird von einem "Gekippten Trend" und dem "Gangster-Dax im Minus" in bezug auf die Anzahl der Raubüberfälle auf Bank- und Postfilialen in Deutschland gesprochen:

"VERBRECHEN / Die Räuber sterben aus
Die Zahl der Banküberfälle geht drastisch zurück. Neue Sicherheitskonzepte schrecken die Kriminellen ab / Es lief nicht gut in letzter Zeit für Christopher E. Zuerst verlor der Spüler seinen Job. "


Der Beitrag argumentiert auf der Basis von gestiegenen Sicherheitsmaßanmen sowie einem Trend zur Automatisierung mittels HighTech und beschreibt, in welcher Weise die technischen Vorkehrungen die zu erwartende Beute drastisch reduziert habe. Sie zitieren den Leiter des Münchner Raubdezernats: "Die Bankräuber sterben aus. Es lohnt sich nicht mehr: Mit jedem Computerbetrug ist mehr zu verdienen als bei einem Raub."

Das war aber schon immer so. Der Punkt dabei ist vielmehr, dass vor allem Anfänger abgeschreckt werden. Demgegenüber müssten die Faktenhuber vom Focus mal eine Frage mehr stellen, als sie das sonst so gewöhnt sind. Nämlich, ob die Profis, nicht schon längst zum Berauben von Geldtransporter übergangen sind, wie sich das etwa in England abzuzeichnen beginnt.

Der Münchner Trend ist wohl auch ein Berliner. Bloss in Hamburg sind die Haspa-Filialen offensichtlich noch nicht alle auf dem neuesten Stand der Produktivkräfte:

"Profis erkennen auf einen Blick, ob etwas zu holen ist", berichtet Kriminalrätin Kerstin Streich vom Hamburger Landeskriminalamt. Laut Focus versprächen "Banken mit dem guten alten Kassenhäuschen aus Panzerglas" mehr Beute.

Eigentlich nicht sonderlich neu diese Erkenntnisse, aber vielleicht wollte der Focus im Windschatten von Kent einmal mehr bereits Bekanntes als "Fakten, Fakten, Fakten" servieren.

lesen wir auf Telepolis (23.3. 2006) von Rüdiger Suchsland: "Die Bank als Laboratorium der USA", die an den taz-Artikel von Jan Distelmeyer anknüpfen kann und weitere ergänzende Informationen bereit hält:


"Wer hier drinnen, und wer draußen ist, bleibt vorerst unklar - der neue Film von Spike Lee ("Doin' the Right Thing", "Malcolm X", "25th Hour") ist ein Thriller in der ehrwürdigen Tradition des "Heist-Movies"; "Rififi" trifft "A Dog Day Afternoon". Doch der Thriller hat Tiefgang, und am Ende ist alles anders, als es schien. Mit wunderbarem Stil setzt Spike Lee seine Desillusionierungen des amerikanischen Traums fort und bietet scharfe Kritik an Rassismus und sozialen Verhältnissen.InsideMan_1
(...)
Er bleibt seinen Ursprüngen treu, indem er Macht zeigt, indem er uns ganz subtil auf die andere Seite zieht, die jenseits der Macht. Spike Lee bleibt auch hier auf der Straße, bleibt bei den normalen Menschen. Um manches hingegen geht es gar nicht. Um Psychologie etwa. Darum glaubten manche, auch kluge US-Kritiker, man könne dem Film flache Charaktere vorwerfen, oder dass die Gruppenkonstellation im Gegensatz zu Klassikern des Heist-Genres nicht auf ihre inneren Brüche hin dramatisiert sei. Aber Spike Lee will David Mamet keine Konkurrenz machen. Ihn interessieren die Probleme alter Männer nicht. Auch "Whodunnit"-Rätseleien sind ihm egal. Anstelle dessen geht es um das System und um Typisierungen. Repräsentation statt Individualität, Soziologie statt Psychologie.

"I was young and ambitious.": Bush und die Nazis

Auch darum schmiedet der Film am Ende ein klammheimliches Bündnis zwischen Polizeidetektiv und Gangster, die einander viel ähnlicher sind, als sie zunächst glauben (wollen). Sie machen sich keine Illusionen: "When there is blood on the streets, buy property." Denn die wahren Gangster, damit darf man bei diesem Regisseur rechnen, sind nicht die Bankräuber, sondern die Bankbesitzer: "It was 60 years ago, I was young and ambitious. I sold my soul and I try to buy it back ever since." Man sagt Lee gern antisemitische Neigungen nach. Hier beweist er das Gegenteil.

Ein Teil seiner - guten - Gangster entpuppen sich als Juden, die einen alten Nazi-Freund fertigmachen. "I was stealing from a man, who treated us away for a few dollars." Es dürfte keineswegs Zufall sein, dass sich diese verborgene Vergangenheit mit der von Präsidenten-Großvater Prescott Bush deckt, der als Vorstandsmitglied der Privatbank Brown Brothers Harriman von Geschäften mit Nazi-Deutschland vor und während des Zweiten Weltkriegs noch nach US-Kriegseintritt profitierte.

Und auch für einen harmlos-treffenden Joke auf Kosten von Peter Jackson und seinen Tolkinisten ist noch Zeit: - "Follow the ring!" sagt Owen und grinst. Und wir mit ihm. Spannend, dabei immer wieder auch sehr witzig, voll scharfer Dialoge, ist Spike Lee ein glänzender Film gelungen, in dem trotz einer Menge Action kein bisschen Blut fließt - auch mal angenehm unkonventionell -, voll rätselhaftem, verhaltenen Thrill, lässig, rhythmisch, cool und schön. "

Jan Distelmeyer lobt in der taz (23.3. 2005) gleichermaßen Spike Lees "Inside Man" in höchsten Tönen ...

"Nichts ist falsch am Genrefilm
Weil er es kann: Mit seinem neuen Film "Inside Man" bewegt sich Spike Lee virtuos im Genre des Caper-Movies. Seine Bankräuber arbeiten am perfekten Coup, sein Ermittler glänzt durch Schlagfertigkeit, und Jodie Foster ist besser denn je.
(...)
Es hat hier in der Tat Sinn, die Erwartungen ausnahmsweise weniger am (wie auch immer skizzierten) Image des berühmtesten afroamerikanischen Regisseurs als eben am Genre auszurichten. Caper-Movies handeln von der Durchführung spektakulärer Raubzüge. Ihre Perspektive ist von "The Asphalt Jungle" (1950) über "Rififi" (1954) bis zu "Ocean's Twelve" (2004) die der Gangster, und mit ihnen wird das Rein- und wieder Rauskommen zur Kopf- und Herzensangelegenheit. Lagepläne wollen studiert, Abläufe präzise geplant sein. Sicherheitsvorkehrungen müssen überwunden, Safes oder Schlösser geknackt und der Ort des Verbrechens möglichst spurlos wieder verlassen werden.

Wenn man so will, besteht das Wesen der Caper-Movies also in der Studie, den Geheimnissen sowie dem Beherrschen von Räumen, und genau das weiß "Inside Man". Seine Haltung als Genrefilm besteht darin, dieses Wissen nun keineswegs postklassisch doppelbödig auszuspielen, um den Schulterschluss mit allen Kennern zu suchen (und damit die Grenzen des Genres zitaten- und gestenreich zu verlassen), sondern den Rahmen so ernst wie möglich zu nehmen. There's nothing wrong with doing genre films: Für "Inside Man" wird so das Genre selbst ein Raum, in dem er sich bestens auskennt, um sich elegant und souverän darin zu bewegen."


... und wir loben wiederum Jan Distelmeyer für seine anregende Filmkritik.

Er beschreibt in überaus anregender Weise "um was es geht" in "Inside Man". Er weiss die Zusammenhänge herzustellen, den Filmablauf zu erklären und zu interpretieren. Wirklich sehr schön: Filmikritik auf Augenhöhe ...

"Jodie Foster, kalt und selbstsicher wie nie zuvor in ihrer Karriere, trägt ihr elegantes Designerkostüm wie eine Wall-Street-Nahkampfausrüstung, als sie klarstellt: "Hören Sie, Detective, worum es hier geht, das sind Dinge, die ihre Besoldungsstufe überschreiten."

"Worum es hier geht", ist natürlich mehr als ein Banküberfall - in dem Sinne, dass das Gelingen des perfekten Raubzugs schließlich auf "arisiertes" Kapital aus Nazideutschland abzielt. Doch auch jenseits dieser Plotentwicklung offeriert das Debüt von Drehbuchautor Russel Gewirtz Sinnangebote. Neben den direkten Anspielungen auf die momentane Terror-Hysterie und damit verbundenen Stigmatisierungen (eine der freigelassenen Geiseln hat das Pech, als Sikh einen Bart und Turban zu tragen. Die Polizisten drehen durch: "Scheiße, ein Araber!") wird hier der Kniff Dalton Russels interessant, Gangster und Geiseln als identisch erscheinen zu lassen. Die daraus resultierende Panik der Behörden nach der Geiselnahme, jeden der Overallträger unter Verdacht zu stellen, ja stellen zu müssen, lässt sich leicht als Karikatur der gegenwärtigen Verhältnisse lesen. In diesem Sinne wäre die Geiselnahme in der Manhattan Trust Bank tatsächlich, wie Detective Frazier sagt, "kein Banküberfall". Dass überdies die Technik des Urmisstrauens, die konkrete Paranoia von Frazier & Co, am Ende gar nichts bringt, spricht ebenso für sich."



Denn nicht nur der Filmprotagonist Dalton Russel "kann es" (eine Bank ausrauben) sowie Spike Lee (einen Caper-Movie drehen)

"Keine von diesen Deutungen drängt sich auf. Sie haben nichts mit den etwaigen Klagen über "um politische Botschaften bemühte Stoffe" zu tun, sondern ergeben sich wie in etlichen klassischen Genrefilmen von Regisseuren wie Don Siegel oder Sidney Lumet wie nebenbei. Sie sind Teilprodukte, Begleitumstände der Arbeit im Rahmen, auch darin Hollywood-Oldschool. So gibt es, wenn wir am Ende von "Inside Man" in den ominösen Raum zurückkehren, in dem Dalton Russell uns in die Geschichte eingeführt hatte, sogar noch die Chance, nachträglich Spike Lee als Autor im Film zu platzieren. Auf die rhetorische Frage nach seinem Grund für den Bankraub hatte Russell zu Beginn geantwortet: "Weil ich es kann!" Genau das könnten die Freunde der Autorentheorie nun auch als Spike Lees Antwort gelten lassen. Weshalb er sich "einer klassischen Genregeschichte" angenommen habe? Weil ich es kann, spricht aus dem Genre der Inside Man."

... auch Jan Distelmeyer kann uns einen Film schmackhaft machen.
Jetzt aber ab ins Kino ....

von der Kritik wird der neue Spike Lee-Film "Inside Man".
Insbesondere der im Mittelpunkt des Plot stehende Bankraubs sei ziemlich clever angelegt, loben ORF ("Spike Lees Gratwanderung zwischen Hollywood-Handwerk und Gesellschaftskommentar"/"Geniale Finte") aber auch die Süddeutsche Zeitung (22.03.2006) bekennt, dass es in diesem Film um "einen wirklich überraschenden Banküberfall" gehe. Der Bayrische Rundfunk (21.2. 2006) resümiert: "Spike Lee führt uns an der Nase herum: "Inside Man" ist ein diebischer Spaß, elegantes und intelligentes Unterhaltungskino."


Der Wiener Kurier (18.3. 2006) brachte am Sonntag ein kurzes Interview mit Spike Lee zu seinem Arbeitsstil, weiteren Plänen etc. Spike Lee positioniert laut dpa (22.03. 2006) seinen Film zugleich als aktuellen Kommentar gegen die rassistischen Verhältnisse in den USA:

"Lees neuer Film «Inside Man» setzt sich mit der Verschärfung des amerikanischen Rassismus nach dem 11. September 2001 auseinander. Eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft hält er für unrealistisch: «An die Schmelztiegel-Scheiße habe ich noch nie geglaubt. Dafür muss man weiß sein.»

«99 Prozent der Amerikaner kennen den Unterschied zwischen Sikh und Muslim nicht», sagte Lee dem Blatt. «Sie nennen sie einfach Handtuch-Köpfe. Leute, die Turbane tragen, das sind Brüder von bin Laden. Taliban, El Kaida, das läuft ganz automatisch.»


In der ZEIT (16.03. 2006) findet sich gleichermaßen ein Interview, das allerdings sehr schnell den eigentlich Anlass hinter sich lässt.

Zur englischsprachigen Webseite von "Inside Man"

Zur deutschen Webseite mit Trailer ("Mein Name ist Dalton Russel. Passen Sie genau auf, was ich jetzt sage, denn ich wähle meine Worte immer sehr sorgfältig und ich wiederhole mich nie. Vor kurzem habe ich verschiedene Abläufe geplant und in die Tat umgesetzt um den perfekten Bankraub zu begehen. Warum? Weil ich das kann.") und einem ebenfalls "ziemlich abgefahrenen" "Rettet-die-Geisel"-Spiel.

"Kommunisten-Online ist eine Homepage von Kommunisten."

Mit Brechtspruch und Brasilienphantasien, da können sogar orthodoxe Kommunisten (eine gruselige Veranstaltung) schwach werden:


Bankraub in Brasilien

„Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen eine Gründung einer Bank?"
Bert Brecht

Andere Länder, bessere Kriminalfälle. In der Bundesrepublik gilt es als spektakulär, wenn die untalentierte Schauspielerin Veronika Ferres ein Kosmetikprodukt, für dessen Reklame sie lächerliche Tantiemen bezieht, in einem Fernsehfilmchen so lange in die Höhe hält, bis der normale, also PISA-geschädigte Bundesbürger die Schriftzüge auf der Verpackung verarbeitet hat. Oder wenn ein Infineon-Manager, also einer aus der Branche, die neulich noch New Economy hieß und vor allem eine Abzockfalle für Kleinsparer war, sich wegen trivialer Freizeitvergnügen schmieren läßt. Oder wenn der VW-Betriebsrat mit Bordellbesuchen in Prag und anderswo ruhiggestellt wird etc. Das Land ist so: Schmierig und geldgeil sind die höheren Stände und führen das gern im Fernsehen vor. Kleinkriminelle haben kaum eine Chance, es zu etwas zu bringen.

In Brasilien hat ordentliches Panzerknackerhandwerk noch goldenen Boden. 150 Millionen Real (umgerechnet etwa 52 Millionen Euro) holten Bankräuber aus dem Tresorraum der brasilianischen Zentralbank in Fortaleza, der Hauptstadt des Bundesstaates Ceara. Es war der größte Bankraub in der Geschichte des Landes. Die Summe übertrifft die Beute aus dem Überfall von Ronald Biggs 1963 in England, als er und elf weitere Umverteiler aus einem Postzug von Glasgow nach London nach heutigem Wert rund 53 Millionen Dollar holten. Die Räuber von Fortaleza gingen mit derselben Gelassenheit wie jene damals an die Arbeit. Sie gruben drei Monate lang vier Meter unter der Erde mit High-Tech an einem 80 Meter langen Tunnel, den sie ordnungsgemäß abdichteten und mit elektrischem Licht ausstatteten – zum Wohlfühlen sozusagen. Ausgangspunkt war ein fiktives Gartengeschäft, wo Erdtransporte nicht besonders auffielen. Am vergangenen Wochenende schredderten sich die Profis durch den 1,10 Meter dicken Betonboden des Tresorraums und räumten fünf Container mit 50-Real-Scheinen aus. Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung von Banken mit Kunden wie Veronika Ferres, Infineonmanagern oder VW-Betriebsräten? (asc)


Ansonsten sind die alten Feindbilder des Marxismus-Leninismus geblieben.

 

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