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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
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"Hot Latin boys want to put their spicy muscular bodies to filthy action ... " -

Wer auf schwule Ästhetik steht, der mag die folgende kleine Photogeschichte cool finden. Unsereins weiss natürlich, das Bankraub sexy macht, und daher gibt' es auch entsprechende schwule Phantasien hierzu:

Safe Breaker

"Klar mache ich das auf ..."

Safe Breaker2

"... und natürlich auch noch mehr ..."

Safe Breaker3

"... und Kohle bedeutet mir zwar nicht alles ... aber doch 'ne ganze Menge"


Safe Breaker4

"...aber wer alles sehen will, der muss jetzt weiterklicken ..."

Aus der Heilbronner Stimme (11.4. 2006) erfahren wir, dass sich der Angeklagte Siegelsbacher Dorfbäcker Alfred B., dem vorgeworfen wird, während eines Banküberfalls eine Frau erschossen und ihren Mann schwer verletzt zu haben, für unschuldig erklärt. Wir erfahren in diesem Artikel zugleich, dass unterschiedliche Bewertungen der vorliegenden Indizien seitens Verteidigung und Staatsanwaltschaft vorliegen. [ad Indizien]

"Der Bäcker war's" - Prozess zum Siegelsbacher Bankraubmord


Ganz hilfreich ist auch der Artikel in der Heilbronner Stimme vom 10.4. 2006, in dem es überwiegend um das Plädoyer der Verteidigung geht. Unterhalb sind aber zahlreiche weitere Artikel aus dem Archiv der Heilbronner Stimme zu diesem Fall aufgelistet.

lautete ein zeitgenössischer Bericht der ZEIT über den Polizisten und Bankräuber Hugo Alffcke aus den 60er Jahren. 1966 verfaßte Dietrich Strothmann einen Artikel über die Urteilsverkündung in Oldenburg, der einmal mehr verdeutlicht, was die Titelzeile des Song der Sexpistols mit Ronnie Biggs "No one is innocent" eigentlich meint:

"Der Mann steht schon seit zwei Stunden an seinem Platz, kaum daß er sich rührt, seine Hände, die Schultern bewegt. Er ist schlank, hält sich gerade in sturer "Habt-acht"-Stellung. Fast eine hölzerne Figur. Der Mann ist 51 Jahre alt, das schüttere weiße Haar ist sorgfältig nach hinten gekämmt, akkurat sitzt der mitternachtsblaue Einreiher, korrekt das weiße Kavalierstuch; die sorgfältig gebundene Krawatte ist mit der Anzugsfarbe harmonisch abgestimmt. Auf den ersten Blick ein "Normalbürger", einer von Millionen, unauffällig, adrett, freundlich. Nur die Augenlider zucken nervös. Anspannung verraten die zusammengekniffenen Lippen, das energisch vorgeschobene Kinn. Sonst bleibt der Mann steif. Karg ist auch seine Rede, seine Antworten sind spröde, von stumpfer Zurückhaltung, kaum daß er einmal mehr als ein "Ja", ein "Nein" sagt. In den zwei Stunden geht er nicht ein einziges Mal aus sich heraus - in den zwei Stunden seines Prozesses vor der 1. Strafkammer des Oldenburger Landgerichtes."


Sprich, jeder ist verdächtig.

"Es ist ein langweiliger Prozeß, der Mann ein langweiliger Angeklagter. Dabei ist es der Prozeß gegen den "größten Bankräuber seit der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik", dabei gilt der Angeklagte als ein "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher", der bei elf Bankeinbrüchen in rund fünf Jahren 232 898,60 Mark erbeutete - ein Mann mit einem Doppelleben, im Dienst Polizeimeister, in der Freizeit Bandit: Hugo Hans Wilhelm Alffcke. Doch so, wie er da steht und aussagt, ein Biedermann vom Scheitel bis zur Sohle, stumpfsinnig und gleichgültig, ist er kein "Fall" mehr, ist um ihn keine Gloriole, weder im Guten, noch im Bösen. Er ist erschreckend normal, ein Alltagsmensch, ein Statist höchstens für das "Fernsehgericht", kein "Held" in einem Kriminalfilm."

Aha, schon 1966 wurde Bankräuber auf ihre Filmfähigkeit hin bewertet.

"Hugo Alffcke, für den die Zuhörerinnen im überfüllten Gerichtssaal mitleidige Sympathie empfinden, hat keine Geschichte zu erzählen. Er wollte Schlosser werden, aber das "Betriebsklima war schlecht", so lernte er bei seinem Vater die Weinküferei, bis er Soldat wurde und es zum Feldwebel brachte. Nach dem Krieg verkaufte er Heißgetränke; das langweilte ihn, so ging er zur Polizei, machte Streifendienst, schnappte einmal sogar einen Kirchenräuber, wurde selber erwischt, als er, um sein Taschengeld aufzufrischen, Autos für den "grauen Markt" von Süddeutschland zum Hamburger Hafen überführte, ließ sich zum Dienstjubiläum mit einer Urkunde "in Anerkennung treuer Dienste" und einem Zuschuß auszeichnen, wechselte als Pförtner in das Polizeipräsidium über und lebte unauffällig und bescheiden in einer Dachwohnung mit seiner Familie. Er lebte vor allem für seine drei Töchter und seine Hobbys, bastelte im Keller, fuhr mit dem Motorrad herum, ging auf Camping-Urlaub und half seiner Frau beim Abwaschen, holte ihr Kohlen und Kartoffeln. Einer von Millionen, brav, hausbacken, mit Familiensinn."


Nun, auch der Biedermann hat Träume, und in den 60er Jahren sind es Konsumträume, die sich andere erfüllen können, bloss ein kleiner Polizist eben nicht.

"Nach dem Urteil des medizinischen Sachverständigen ist Hugo Alffcke farblos, ohne Temperament. Als er bei seinem letzten Einbruchsversuch am 3. Januar 1966 bei der Oldenburger Landesbank in Delmenhorst überwältigt wurde, zuckte er nur mit den Schultern, wie einer, dem alles egal ist: Es mußte ja so kommen, eines Tages ... Und der nun büßen will, nachdem er alles zugab und auch einsah, daß er dem "Ansehen der Polizei" geschadet hat; der ergeben ist, ohne mit seinem Los zu hadern, in das Schicksal eines Kleinbürgers; der immer unbedeutend bleiben wird, nun für zwölf Jahre hinter Zuchthausmauern verschwinden muß und Zeit seines Lebens unter Polizeiaufsicht stehen wird."

Tja, gegenüber Abtrünnigen aus den eigenen Reihen ist der Staat eben schon damals gnadenlos gewesen.

"Hugo Alffcke, der sich schon als Polizist abkapselte - er hatte keine Freunde - und auch als Durchschnittsgangster ein Einzelgänger blieb - in der Untersuchungshaft trug er, um nicht aufzufallen, Sträflingskleidung -, ist kein gebrochener Mann. Tränen kennt er nicht, seine innere Not um die Zukunft zeigt er mit keiner Gebärde. Nur einmal, so berichtete der Gutachter, weinte Alffcke: als er nach seiner Frau fragte und wissen wollte, ob sie zu ihm halte, als er sich nach seiner neunjährigen Tochter erkundigte. Und daß er sich heute seiner Verbrechen schämt, gestand er nur mit der Bitte an seine Familie ein, ihn nicht im Zuchthaus zu besuchen."

Auch dort wird er, wie schon in der Oldenburger Untersuchungshaft, ein "idealer Gefangener" sein, unauffällig, bescheiden, devot. Nicht bei den Vernehmungen durch die Kriminalpolizei nicht während der Verhandlung brüstete er sich mit seinen Taten. In seinen kurzen Antworten war kein Anflug von Stolz, ein gewiegter Bandit gewesen zu sein. Auch später, wenn er seine Zeit abgesessen hat, wird er sich nicht rühmen wollen, elfmal "alles riskiert" zu haben.


Solche Texte sagen doch mehr über ihre Autoren, als über den beschriebenen Bankräuber aus. Jedenfalls eine Menge darüber, wie ein richtiger Verbrecher auszusehen hat:

Denn Hugo Alffcke, der geheimnislose Bankräuber, ist nicht einmal ein sonderlich couragierter Verbrecher gewesen. Er hatte Glück, kaum mehr. Glück, daß die Geldinstitute nicht ausreichend gesichert waren, daß die Angestellten angewiesen waren, keinen Widerstand zu leisten, daß die alarmierte Polizei immer zu spät kam. Einfach war sein Rezept: er kundschaftete die Banken vorher genau aus, zeichnete sich seinen Fluchtweg in eine Karte ein, suchte sich einen günstigen Zeitpunkt für den Überfall aus, sprang mit einem gewandten Satz über den Tresen, zwang die völlig verdutzten Kassierer an die Wand, rief ihnen kurz zu: "raus", "weg", griff sich das Geld und war auch schon verschwunden. Alffcke brauchte nur ein, zwei Minuten, dann war seine Tasche voll und er über alle Berge.

Aah, wenigstens ist er sportlich gewesen ...

"Bei den ersten Malen, so berichtete er stockend, mußte er noch seinen ganzen Mut zusammennehmen. Damals stülpte er sich auch noch Damenstrümpfe über das Gesicht und fuhr mit dem Fahrrad los. Bald aber, als alles wie am Schnürchen klappte. wurde er leichtsinnig und dreist: "Da bin ich in die Garage gegangen", das heißt, er brach sie auf. "Da habe ich mich nach einem Wagen umgesehen", das heißt, er stahl ihn und schraubte falsche Nummernschilder vor die Kennzeichen. Masken trug er bald auch nicht mehr, so schnodderig wurde Alffcke. Er fürchtete nicht mehr, erkannt zu werden. Sogar seinen Polizeiausweis hatte er manchmal bei sich."

Die eigentlich interessierende Frage, wird aber im ganzen Artikel nicht gestellt. Nämlich was Bankräuber und Polizisten gemeinsam haben könnten. Demgegenüber wird der Bursche als harmlos konstruiert, um das strukturell vergleichbare Moment in der jeweiligen Tätigkeit nicht benennen zu müssen. Und dann geht es natürlich um Autos:

"Raub wurde für den räuberischen Polizeimeister Alffcke zu einem Kinderspiel. Der Richter wunderte sich, wie er so schnell die gestohlenen Wagen aufbrechen und in Fahrt bringen konnte. Völlig grundlos: Alffcke, der Autonarr, brauchte dazu nur einen Schraubenzieher; mit einer Zange schloß er die Zündung kurz. "Das dauerte nur ein paar Minuten, ja." Der Richter wollte wissen, warum er nicht davor zurückgeschreckt sei, die Bankangestellten mit einer geladenen und entsicherten Pistole zu bedrohen; wie leicht hätte sie einmal losgehen können. Eine deplacierte Frage: Alffcke, der Revolverliebhaber und geübte Schütze, hätte im Ernstfall nur so zum Schreck in die Decke geschossen. Die Kugel wäre nicht etwa abgeprallt. "Die Decken sind ja aus Gips, da bleiben Kugeln stecken." "


Und das Motiv: Schulden und Konsum - ganz gewöhnliche Probleme und Wünsche

"Verwunderlicher waren da schon die Erklärungen des Angeklagten, warum er auf die Idee kam, auf Raubzüge zu gehen; erstaunlicher seine Beteuerungen, das meiste Geld - über 100 000 Mark - habe er ausgegeben (für Kleidung, Möbel, Werkzeuge, Urlaubsreisen, Gebrauchtwagen, den Kauf eines Reihenhauses); unglaubwürdiger für den Staatsanwalt seine Behauptungen, seine Frau habe nichts geahnt, sie habe ihm die Ausrede geglaubt, er verdiene sich in den dienstfreien Stunden bei Gemüsefahrten für einen Freund nebenbei etwas dazu.

Anfangs seien es Schulden gewesen, die sich angehäuft hätten; die eine Tochter sei krank geworden, die Frau zur Kur gefahren. Er mußte Geld herbeischaffen. Und dann, nach einem Einbruch, sei das Geld bald "wieder alle" gewesen. Alffcke suchte sich eine neue Bank aus. Einmal, nachdem er seinen größten Coup gelandet hatte - 118 000 Mark in Bad Oeynhausen -, wollte er "das nicht mehr weiter machen". Doch da las er eines Tages in den Zeitungen, die Banken würden in Zukunft besser gesichert. Rechtzeitig wollte sich Alffcke noch eine Reserve anlegen. Er ging nach Delmenhorst, suchte sich ein geeignetes Objekt aus, ließ sich in der Landesbank-Zweigstelle einen Tausendmarkschein wechseln, hechtete plötzlich über den Schaltertresen, zog seine Pistole, raffte 100 000 Mark zusammen, wollte noch mehr in die umgehängte Aktentasche einstecken, wurde von dem beherzten Kassierer niedergeschlagen, wehrte sich verzweifelt, biß einem Angestellten ins Bein - und wurde von der Polizei abgeführt."


Der Bankräuber ist immer der Buchhalter ....

"Der fügsame Hugo Alffcke, auch darin ist er ein ganz "gewöhnlicher" Bandit, trank nie, rauchte nicht und hatte keine Freundin. Er lebte für seine Familie, ein stilles, sonst gleichförmiges Leben. Nichts setzte ihn je in Erstaunen, nicht einmal sein Mißgeschick an jenem 3. Januar 1966 in Delmenhorst. Auf die letzte Frage des Richters, was er denn mit seiner Beute gemacht habe, gab der Angeklagte zur Antwort: "Ich hab' mir das alles noch mal so durchgerechnet, und da hab' ich festgestellt, wie schnell und unauffällig man Geld ausgeben kann." Es war das einzige Mal in seinem Prozeß, daß Hugo Alffcke sich wunderte."

würde ich meinen.

Die Hamburger Morgenpost (MoPo) berichtete aber anlässlich ihrer Serie über "100 JAHRE SANTA FU" auch über "berühmte Knast-Insassen", die keine andere Wahl hatten bzw. haben. Am gestrigen Dienstag (11.4. 2006) werden unter der Überschrift "Bestien und Schlitzohren" auch zwei in diesem Blog interessierende Insassen "portraitiert" (?):

"Ein Jahrhundert Santa Fu: In der Geschichte des legendären Knasts saßen eine Reihe von Verbrechern, die Kriminalgeschichte geschrieben hat. Die MOPO stellt fünf von ihnen vor:

Meisterdieb "Lord von Barmbeck": In Wirklichkeit heißt er Julius Adolf Petersen und ist das, was man einen Gentleman-Gauner nennen würde. Der stets elegant auftretende Meisterdieb gesteht 1922 der Polizei 49 "Einbrüche und Räubereien". Petersen sahnte groß ab: So etwa im Postamt 6 in der Susannenstraße (222000 Mark). 1923 wird er zu mehr als 50 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1933 erhängt er sich in seiner Zelle.
(...)
Polizei-Bankräuber Hugo Alffcke: An der Hauswache des Polizeipräsidiums sieht der Polizist viele Bankräuber vorbeiziehen. Von 1960 bis 1966 ist er selber einer, erbeutet bei zehn Überfällen mehr als 230000 Mark. Beim elften Mal überwältigen ihn Bankangestellte."


Hugo Alffcke, das war einer jener 60er Jahre Bankräuber, der als eine Inkarnation des Wirtschaftswunderzeitalters gelten könnte. Die ZEIT berichtete Anfang 1966 über die Verurteilung.

Peter Z., im Werler Knast und in anderen deutschen Gefängnissen bekannt als "Frikadellen-Peter" ist gestern im Allgemeinen Krankenhaus Hagen im Alter von 65 Jahren gestorben. Er war ein Bankräuber "alter Schule" und wurde erst aufgrund seiner Krebserkrankung erst im Oktober 2004 aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Er verbrachte aufgrund von Verurteilungen wegen Bankraubs über 25 Jahren im Gefängnis und wurde noch im Alter von 63 Jahren in Sicherungsverwahrung genommen. Seine Entlassung wurde erst nach verschiedenen Interventionen möglich.

Sein Werdegang ist beschrieben in:

Schönberger Klaus: Als »Frikadellen-Peter« in Sicherheitsverwahrung. In: Schulheis, Franz/Schulz, Kristina (Hg.): Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag. Konstanz 2005, S. 525-536.

Dort findet sich auch ein ausführliches Interview mit Peter Z.
Peter Z. wird auch in der K1-Reportage vom Juni 2004 über die Sicherungsverwahrung in Werl erwähnt sowie in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau („Todsicher verwahrt. Eine Initiative von Ärzten und Anwälten erreichen, dass schwerkranke Gefangene in Würde sterben können“, 21.9. 2004) Dort heißt es:

"Als er Blut pinkelte, habe es ihn regelrecht umgehauen. ‚25 Jahre und sechs Monate habe ich an einem Stück rum. Jetzt haben die Ärzte bei mir Blasenkrebs festgestellt’, erzählt der 63-Jährige mit den muskulösen Oberarmen fassungslos. ‚Noch vor drei Wochen war ich Vierter im Gewichtheben von allen Gefangenen.’ Jetzt soll ihm die komplette Blase rausgeschnitten werden. Danach mit geringer Lebenserwartung wieder zurück in die Zelle, das will er nicht. Gierig und schnell saugt er zwischen den Sätzen Luft ein. ‚Also das geht nicht. Ich kann hier nicht in Haft bleiben, auf keinen Fall.’"


Als es Peter Z. am Wochenende zunehmend schlechter ging, versäumte das Hagener Krankenhaus seine nächsten Angehörigen in Hagen zu informieren.

In einem Nachruf seines Freundes Stefan Wisnewski heißt es:

"Es wäre so schön gewesen, wenn er diese zwielichtige Freiheit - nach all den Knastjahren - noch mehr hätte genießen können. Gute Nacht, Frikadellen-Peter"

Von der Netzzeitung (6.4. 2006) werden wir über ein neues - im Printbereich gegen die Kronenzeitung gerichtetes - Zeitungsprojekt aus Österreich informiert, das "die Medienlandschaft verändern" will und deren "Reporter (...) das «Live-Erlebnis» ins Internet bringen" sollen:

"In Österreich kommt im September eine Tageszeitung auf den Markt, die etablierten Blättern Konkurrenz machen will. Während sich das von den Brüdern Wolfgang und Helmuth Fellner entwickelten Zeitungsprojekt - Arbeitstitel «Österreich» - im Printbereich mit Platz zwei hinter dem Boulevardblatt «Kronen Zeitung» begnügt, peilen die Macher der elektronischen Ausgabe längerfristig die Marktführerschaft an.

Und wie wir uns das mit dem Liveerlebnis vorstellen sollen, das sagt uns im Interview mit der Netzeitung «Österreich»-Online-Chefredakteur Christian Nusser:

"Was aber vermutlich am wichtigsten ist: Alle «Österreich»-Redakteure arbeiten bimedial, egal ob Sport, Politik, Wirtschaft, Chronik oder Auto. Einerlei ob Fußball-WM oder Bankraub in Wien-Favoriten – wir haben immer Reporter vor Ort. Dieses Live-Erlebnis ist im Internet neu und erlaubt eine hohe Taktfrequenz bei den Updates. Damit können wir echtes Newsroom-Feeling erzeugen. Wann immer der User, die Userin auf die Seite kommt – es gibt immer frische Nachrichten."

Tja im "Newsroom" bliebt Raubzug ein Raubzug ...

Ein bisschen künstliche Aufregung verbreiten die Stuttgarter Nachrichten (31.03. 2006), die auf einen jüngst in Tannhausen stattgefundenen Geldautomaten-Klau hinweisen. Rein juristisch sind Begriffe wie "Überfall" und "Raub" wenig angmessen. Aber was soll's. Solche Berichte sagen meist mehr über die Berichterstatter und ihre Phantasien:

"Banküberfall mit Bagger
Protokoll eines Brachial-Raubs


Tannhausen - Bankräuber als dreist, skrupellos oder rabiat zu bezeichnen, erübrigt sich. Deswegen fällt es den Beamten auch schwer, Worte für den Überfall zu finden, der Dienstagnacht in Tannhausen im Ostalbkreis vonstatten ging.
(...)
Am Abend entwenden zwei Männer in einem Sandbetrieb einen Schaufelbagger. Von einer Dachdeckerfirma rauben Komplizen einen Kleinlaster.

Gegen 2.30 Uhr steuert ein Duo die Filiale der Volks- und Raiffeisenbank in Tannhausen an. Mit dem Radlader durchbrechen sie die Fensterfront und stoßen den Geldautomaten aus der Verankerung. An einer Eisenkette befestigt ziehen die Männer den Automaten ins Freie."


Mit diesem Automaten-Klau setzt sich jene bereits eingeläutete Tendenz fort, den bewaffneten Banküberfall mit Hilfe schweren Gerätes in Richtung Automaten zu verlagern, der auch in diesem Blog inzwischen nachhaltig dokumentiert wurde

vgl. auch folgende Einträge
http://vabanque.twoday.net/stories/1282991/
http://vabanque.twoday.net/stories/950428/
http://vabanque.twoday.net/stories/950357/
http://vabanque.twoday.net/stories/753636/
http://vabanque.twoday.net/stories/671245/
http://vabanque.twoday.net/stories/603477/
http://vabanque.twoday.net/stories/461837/

Bonnie & Clyde ist nach langer Zeit mal wieder im Kino zu bewundern und zwar in Wien im Orginal mit Untertiteln. Das GARTENBAUKINO in Wien zeigt ab 7. April 2006

BONNIE & CLYDE
ein Film von Arthur Penn
USA 1967
111min, OmU

"Sie sind jung, verliebt und sie töten Menschen.
Mit "Bonnie and Clyde" begann in Amerika ein Kino der Gegenkultur, der Kompromisslosigkeit. Arthur Penn inszenierte 1967 die zum Mythos gewordene, wahre Geschichte des GangsterpÀrchens Bonnie Parker und Clyde Barrow.

"Bonnie and Clyde" erzählt die historisch belegte Geschichte jener
Barrow-Gang, die in den 20er Jahren - am Höhepunkt der großen
wirtschaftlichen Depression und Massenarbeitslosigkeit - das Land durch eine Serie von Banküberfällen und Raubzügen in Atem gehalten hatte. Bald begann sich unter den Arbeitslosen und Ausgebeuteten eine Art romantischer Mythos und unverhohlene Sympathie für die Gangster zu entwickeln, ein Umstand, auf den die Polizei mit immer ohnmächtigerem Hass und größerer Gewalt reagierte.

Seit vielen Jahren erstmalig wieder im Kino-Einsatz bietet sich jetzt
die Gelegenheit die filmische Legende "Bonnie and Clyde" wiederzusehen. Oder zum ersten Mal zu entdecken."


7. bis 20. April, täglich um 17, 19 und 21 Uhr im GARTENBAUKINO

Nun zu dieser Ankündigung wäre vielleicht anzumerken, dass dieser Film selbst zur weiteren Mystifizierung von Bonnie & Clyde beigetragen hat. Davon zeugen auch zahlreiche Eintragungen in diesem Blog.

Nachdem ich mir nun gestern abend "Inside Man" von Spike Lee selbst gesehen habe, bleibt es dabei: Wirklich empfehlenswert. Und für gewiefte KinogängerInnen lohnt sich bestimmt ein zweiter Besuch, weil nicht alles beim ersten Mal mitzubekommen ist.

Im anschließenden Gespräch mit meinem Kollegen zeigte sich, dass der Film derartig viele Details enthält, die spannend sind und zur Erklärung beitragen, dass man sie kaum alle auf einmal beobachten kann.

Z.B.: Schon eingangs werden wir darauf hingewiesen, dass die überfallene Bank 1948 gegründet wurde. Der Grund hierfür, ergibt sich erst im Laufe des Filmes. Also zu mehreren hingehen und sich hinterher austauschen (Wie überhaupt Kinogehen einfach ein kollektives Ereignis sein muss).

Die Pointe sei hier nicht verraten, aber der Film zeigt auf eleganten Weise, dass mitunter die wahren Verbrecher eben nicht die Bankräuber sind, sondern die, die Bank besitzen. Aber wem muss man das an dieser Stelle noch sagen?

By the way: Das von uns sehr geschätzte "Matts Blog - Film und Sport" bemerkte in seiner Berichterstattung richtigerweise, dass der Film "ein Fest" für dieses Blog darstelle:

"Spike Lees Inside Man ist nicht nur ein Fest für das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs - sondern auch für den ganz normalen Kinogänger: Ein kurweilig inszenierter Thriller-Spaß, so ein bisschen eine Mischung aus Oceans Eleven und Ein verrückt genialer Coup. (...)
Daher: Beste Kino-Unterhaltung mit einem winzigen Tick Anspruch garniert. Anschauen!"


Was soll man dazu noch sagen .... ?

Vielleicht noch soviel, dass es schon ein oder zwei Ungereimtheiten in der Logik des Drehbuches gibt. Und das soviel Coolness vielleicht doch eher der Filmwelt entspringt, aber wissen wir das im Grunde genommen nicht bereits? Und wird in diesem Blog nicht andauernd behauptet, dass es gerade beim Bankraub die Welt des Filmes ist, die versucht die Wirklichkeit zu dominieren, bzw. die Kinogänger sich die Wirklichkeit gemäß ihrer aus Filmen gewonnen Phantasien zurechtlegen?

In einem Interview mit "teleschau - der Mediendienst" (23.3. 2006) anläßlich des Kinostarts von "Firewall" - in dem es um die digitaliserte Version des Bankraubs geht, äußert sich Harrison Ford über "irische Banküberfälle" und das Verschwinden des Geldes:

teleschau: Haben Sie noch eine Vorstellung davon, wie Geld aussieht?

Ford: Das Geld besteht heute natürlich nur noch virtuell, weil sich die Banken darauf verständigt haben, es so untereinander auszutauschen. Wer braucht da noch eine harte Währung, die man anfassen kann? Das Geld ist aber noch da, es wird nur schwerer zu stehlen. So definiert man ja einen "irischen Banküberfall": Während unserer Dreharbeiten hörte ich von einem Bankraub von 40 Millionen US-Dollar in nordirischen Banknoten. Wo will man die ausgeben außer in Nordirland? So etwas Blödes!

enthüllt die Junge Welt (25.03. 2006) in ihrer ebenfalls ausgiebigen Bezugnahme auf den neuesten Spike-Lee-Film:

"In Spike Lees neuem Film »The Inside Man« wird beim Banküberfall sensationellerweise Albanisch gesprochen.
(...)
Das Branchenblatt Hollywood Reporter sah in »Inside Man« sogar explizit einen Gegenentwurf zum Oscargewinner »L.A. Crash«: »Nicht daß in ›Inside Man‹ nicht auch rassische Spannungen vorkämen oder gelegentlich Vorurteile aufblitzten, letztlich aber vor allem feiert der Film die enorme ethnische und kulturelle Vielfalt von New York und weitergehend von ganz Amerika. Zu einer Schlüsselstelle gehört sogar, daß, sobald auf einer beliebigen Straße Manhattans irgendeine halbwegs unverständliche Sprache über Lautsprecher zu hören ist, man sich darauf verlassen kann, auch jemanden zu finden, der genau diese Sprache versteht.«

Die Sequenz, auf die der Hollywood Reporter hier anspielt, gibt in der Tat einige wichtige Hinweise zum Thema Sprachverwirrung und Vorurteil: Denzel Washington und seine Kollegen bekommen beim Abhören des Funkverkehrs der Geiselnehmer eine Sprache zu hören, die sie nicht verstehen. Zunächst denken sie, es sei Russisch (klar, die Russen-Mafia aus Little Odessa). Ist es aber nicht. Washington weiß, daß es auf den Straßen Manhattans Hunderttausende von Fremdsprachenkundigen geben muß, die meisten davon Taxifahrer. Mit der Lautsprecheranlage des Polizeiwagens überträgt er die Botschaft in der unidentifizierbaren Sprache auf die Straße. Prompt meldet sich auch jemand: Ein Taxifahrer behauptet, die Botschaft sei in Albanisch. Der Typ selbst kann kein Albanisch. Seine Exfrau aber komme aus Albanien, und die rede quasi ununterbrochen, die Sprache sei definitiv Albanisch. Washington läßt beim albanischen Konsulat anrufen, die sollen mal schnell einen Dolmetscher rüberschicken. Das Konsulat antwortet: Nicht mit uns und vor allem nicht ohne Honorar. Also muß die besagte Exfrau ran. Deren Auftritt wird dann als der einer toughen Vorortschlampe stilisiert, der man nichts groß mehr erzählen kann, weil sie selber ununterbrochen zynischen Quatsch redet. Albanisch kann sie tatsächlich. Sie hört die Botschaft und lacht sehr laut: Das ist Enver Hoxha. Wer? Enver Hoxha, Gründer der Partei der Arbeit Albaniens und Landesvater des ausdrücklich ersten offiziell atheistischen Staates der Welt. Jedes Kind in Albanien kenne diese Stimme. Der Mann sei übrigens bereits verstorben. Und was redet der da? Es gehe um den soundsovielten Jahrestag von irgendwas, Albanien ist das fortschrittlichste und beste Land der Welt, die Revolution hat gesiegt etc pp.

Mit der von den Geiselnehmern übermittelten Botschaft der Partei der Arbeit Albaniens dürfte »Inside Man« der erste US-amerikanische Spielfilm sein, in dem eine Rede Enver Hoxhas in der Originalsprache zu hören ist. Ein Zeichen sowohl für die gute Laune der Geiselnehmer als für den Verfremdungshumor von Spike Lee. Er nimmt das Banküberfall-Thema eher auf die leichte Schulter. Ebenso die Verschwörungsgeschichte im Hintergrund des Plots. Die läuft darauf hinaus, daß das Gründungskapital der Bank aus den blutigen Geschäften von Nazikollaborateuren stammt. Das weiß doch sowieso jeder: Sobald's ums Geld geht, kennt die herrschende Klasse keine Verwandten mehr. Ihr Motto: »When there's blood on the streets, buy property« (Sind die Straßen voll Blut, kaufe Grundbestitz)."


Die Junge Welt will sich natürlich ein bisschen absetzen und lässt den Rezensenten dann ein paar "lässige" Urteile schreiben. Und das ist nichts als Stil. Nachvollziehbar sind solche Behauptunten in der Regel sowieso nicht. Das ist Pop, und solche Prosa ist nicht begründungspflichtig, freuen wir uns also an den zahlreichen nützlichn Informatione zum Film:

"Tatsächlich geht es Lee eher darum, Bilder einer anderen (und vor allem aktuell gewichtigeren) Ordnung als der des Genrethrillers in seinen Film zu schmuggeln: Bilder aus einem (fiktiven) Computerspiel, mit dem eine der Geiseln, ein kleiner schwarzer Junge (»Hast du Angst?«; »Quatsch, ich bin aus Brooklyn«) sich die Zeit vertreibt. Das Spiel heißt »Kill that Nigger« und simuliert, in tödlicher Manier affirmativ, schwarze Gewaltkriminalität. Man sieht Videobilder von der Exekution einer Geisel, die sich später als Simulation herausstellt. Die Bilder erinnern fatal an neuere Entwicklungen in der Abteilung des Snuff-Film-Genres, die allgemein als TV-Nachrichten bekannt ist. Und schließlich – als dramaturgischer Trick wiederholt in die Handlung eingeschnitten – Bilder vom nachträglichen Verhör der Geiseln, unter denen man auch die Geiselnehmer vermutet. Die Verhöre arbeiten mit mildem psychologischem Terror und sind dennoch unergiebig. Die Ununterscheidbarkeit zwischen Geiseln und Geiselnehmern (»im Overall sind alle gleich« Berliner Zeitung) ist vielleicht die böseste Wahrheit des Films. Und das nicht nur, weil jedes Verhör zwangsläufig Verdächtige/Schuldige produziert. Man muß in diesem Zusammenhang nur an die jüngsten Debatten um die Nützlichkeit von sogenannter milder Folter zur Terrorprävention denken und es wird einem ziemlich mulmig. Die Hinweise auf Debatten solcher Art gehören jedenfalls zur interessanteren Schmuggelware in Lees ansonsten schon fast zu lässigem Film."

 

twoday.net AGB

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