Geld oder Leben!: Das Museum für Kommunikation erzählt die Geschichte des Raubs von der Postkutschenzeit bis heute
Die Online-Version des Darmstädter Echos (15.2. 2006) bespricht die Ausstellung im Frankfurter Museum für Kommunikation:
FRANKFURT. „Money, money, money“ singt es auf der Treppe nach oben: Die weltbekannte Musical-Hymne vom Geld, das alles bewegt auf der Welt, bringt noch vor dem ersten Ausstellungsobjekt auf den Punkt, was der Grund für jeden Raub ist. Die Räuber wollen haben, was ihnen nicht gehört. Vor Jahrhunderten haben sie den Postkutschen-Reisenden im dunklen Wald aufgelauert, vor hundert Jahren Panzerschränke geknackt, heute gehen sie mit Pistole und Maske zum Raubzug in die Bank, oder sie verschaffen sich am Geldautomaten die EC-Karte argloser Bankkunden, um deren Konto zu leeren. Wer sich als Krimineller auf seinen PC versteht, kann seine Opfer sogar via Web bestehlen.
Die Methoden der illegalen Bereicherung wechseln, doch das Motiv ist geblieben. „Geld oder Leben!“ heißt drum die neue Ausstellung im Frankfurter Museum für die Kommunikation, die eine Geschichte von Raub und Räuberunwesen seit der Postkutschenzeit aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Die Schau zeigt – auch mit vielen, vielen Dokumenten – , was Raub wirklich ist und wie anders die Öffentlichkeit es spätestens seit Schillers „Räubern“ vom Ende des 18. Jahrhunderts gerne wahrnimmt.
Da sind die Täter mit ihren wirklichen Taten, und da sind die Mythen. Romantisiert wurde schon immer der 1803 in Mainz öffentlich hingerichtete Schinderhannes, und bis unsere Tage setzt man ihm Denkmäler in Filmen (Käutners Epos mit Maria Schell und Curd Jürgens ist auszugsweise zu sehen), Literatur (wie beispielsweise Carl Zuckmayers Drama) oder Hunsrück-Weinmarken. Eigentümlicher Heldenruhm rankt sich aber auch um moderne Verbrecher wie den „Gentleman“-Räuber Ronald Biggs, der 1963 mit seinen Kumpanen beim Überfall auf den englischen Postzug Glasgow – London 2,6 Millionen Pfund erbeutete. Die ehrenwerten Bürger haben eben über solche kriminelle Persönlichkeiten immer wieder gestaunt – und sie auch ein wenig bewundert. Denn als gewitzt und sehr anpassungsfähig haben diese sich von jeher gezeigt. Den Postkutschenraub mit Mord und Totschlag, mit dem in Frankfurt alles beginnt, gab es schon seit dem 17. Jahrhundert. Doch erst im 18. Jahrhundert organisierten sich Banden von 30 bis 50 Personen (mit einem Frauenanteil von 40 Prozent!) und nutzten die Schutzlosigkeit ihrer Opfer abseits der Siedlungen. Sie holten die Kisten aus den Kutschen. In Frankfurt setzt drum einer der berühmten gelben Wagen mit mehreren Puppen, die mal schon tot, mal noch lebendig sein sollen, diesen Schrecken in eine gestellte Szene, während nebenbei in den Vitrinen die Bücher liegen, in denen beschrieben stand, wie es vielleicht doch möglich wäre, sich mit der ebenfalls gezeigten einläufigen Pistolen zu verteidigen.
Was den Bösen geschah, wenn man sie denn verhaftete, folgt gleich in der nächsten Abteilung. Dort hängen die Gerichtsurteile, da steht das Fallbeil, mit dem der Schinderhannes guillotiniert wurde, und man sieht auch das Rad zum Rädern anderer zum Tode Verurteilter. Schaurig, aber gerecht? Wegen der Raubzüge des frühen 20. Jahrhunderts kamen jedenfalls meist nur noch die Beraubten zu Tode. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich sowohl die Schauplätze des Verbrechens geändert als auch die Ermittlungsmethoden. Man sieht: Schon um 1900 nahm man das Geld nicht mehr mit auf Reisen, sondern man gab es der Bank zur Verwahrung – die große Zeit der „Schränker“ brach an, und auch in dieser Zeit gab es wieder bewunderte Könner unter den Kriminellen wie die Brüder Sass.
Diese gruben lange Tunnel unter der Erde, um zum Safe zu gelangen, den sie dann mit modernem Gerät aufschweißten, das man genauso zeigt wie die verschiedenen Tresortypen, die derlei Handwerk wohl alle nicht standhalten konnten. Um der Räuber habhaft zu werden, setzte die Polizei ebenfalls seit etwa 1900 ihre neuen Möglichkeiten ein. Telefon und Telegraf machten die zur Fahndung nötige Kommunikation schneller und effektiver, und der Fingerabdruck erlaubte die eindeutige Identifikation der Täter. Ein besonders schönes Ausstellungsstück ist der Fotografiersteg mit Kamera und drehbarem Stuhl, auf den man die Räuber setzte, um sie für die Verbrecherkartei von vorne und von der Seite abzulichten. Diese Techniken revolutionierten die Kriminalistik – Fahndungsfoto, Phantombild und Fluchtauto, die man auch zeigt, wirken dagegen nur wie Fortentwicklungen.
Der Kreis von „Geld oder Leben!“ schließt sich deshalb gut mit dem Leid, das modernen Bankangestellten bei Raubüberfällen angetan wird, und mit den aktuellen Trickbetrügereien. Über Kopfhörer ist zu erfahren, wie die Opfer die Überfälle erlebt haben und wie es ihr Leben wegen bleibender Ängste auch in Folge dramatisch veränderte. Und an einem kleinen Bildschirm ist zu sehen, wie zwei Täter gemeinsame Sache machen, um einem Mann am Automaten seine EC-Card abzuluchsen.
Die Raubzüge sind somit wieder moderner geworden, zu verhindern sind sie nicht. Deshalb mag man als Ausstellungsbesucher auch nicht glauben, dass der elektronische Fingerabdruck unser Geld sicherer machen kann – auch wenn ein Geldautomat mit diesem „Karten“-Zugang am Schluss der Schau zum Spielen einlädt.
Die Ausstellung wird heute (15.) um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis 17. September dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet in der Schau 14,80 Euro, im Buchhandel 34,80 Euro.
Die Frage ist, die sich immer mehr stellt. Lässt sich das alles in eine historische Line stellen? Werden da nicht sehr verschiedene Dinge verhandelt. Ist Raub = Raub und Einbruch = Raub? Das wäre zu diskutieren. Die Medien interessiert das nicht. Das Thema ist sexy und verkauft sich.
Die Online-Version des Darmstädter Echos (15.2. 2006) bespricht die Ausstellung im Frankfurter Museum für Kommunikation:
FRANKFURT. „Money, money, money“ singt es auf der Treppe nach oben: Die weltbekannte Musical-Hymne vom Geld, das alles bewegt auf der Welt, bringt noch vor dem ersten Ausstellungsobjekt auf den Punkt, was der Grund für jeden Raub ist. Die Räuber wollen haben, was ihnen nicht gehört. Vor Jahrhunderten haben sie den Postkutschen-Reisenden im dunklen Wald aufgelauert, vor hundert Jahren Panzerschränke geknackt, heute gehen sie mit Pistole und Maske zum Raubzug in die Bank, oder sie verschaffen sich am Geldautomaten die EC-Karte argloser Bankkunden, um deren Konto zu leeren. Wer sich als Krimineller auf seinen PC versteht, kann seine Opfer sogar via Web bestehlen.
Die Methoden der illegalen Bereicherung wechseln, doch das Motiv ist geblieben. „Geld oder Leben!“ heißt drum die neue Ausstellung im Frankfurter Museum für die Kommunikation, die eine Geschichte von Raub und Räuberunwesen seit der Postkutschenzeit aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Die Schau zeigt – auch mit vielen, vielen Dokumenten – , was Raub wirklich ist und wie anders die Öffentlichkeit es spätestens seit Schillers „Räubern“ vom Ende des 18. Jahrhunderts gerne wahrnimmt.
Da sind die Täter mit ihren wirklichen Taten, und da sind die Mythen. Romantisiert wurde schon immer der 1803 in Mainz öffentlich hingerichtete Schinderhannes, und bis unsere Tage setzt man ihm Denkmäler in Filmen (Käutners Epos mit Maria Schell und Curd Jürgens ist auszugsweise zu sehen), Literatur (wie beispielsweise Carl Zuckmayers Drama) oder Hunsrück-Weinmarken. Eigentümlicher Heldenruhm rankt sich aber auch um moderne Verbrecher wie den „Gentleman“-Räuber Ronald Biggs, der 1963 mit seinen Kumpanen beim Überfall auf den englischen Postzug Glasgow – London 2,6 Millionen Pfund erbeutete. Die ehrenwerten Bürger haben eben über solche kriminelle Persönlichkeiten immer wieder gestaunt – und sie auch ein wenig bewundert. Denn als gewitzt und sehr anpassungsfähig haben diese sich von jeher gezeigt. Den Postkutschenraub mit Mord und Totschlag, mit dem in Frankfurt alles beginnt, gab es schon seit dem 17. Jahrhundert. Doch erst im 18. Jahrhundert organisierten sich Banden von 30 bis 50 Personen (mit einem Frauenanteil von 40 Prozent!) und nutzten die Schutzlosigkeit ihrer Opfer abseits der Siedlungen. Sie holten die Kisten aus den Kutschen. In Frankfurt setzt drum einer der berühmten gelben Wagen mit mehreren Puppen, die mal schon tot, mal noch lebendig sein sollen, diesen Schrecken in eine gestellte Szene, während nebenbei in den Vitrinen die Bücher liegen, in denen beschrieben stand, wie es vielleicht doch möglich wäre, sich mit der ebenfalls gezeigten einläufigen Pistolen zu verteidigen.
Was den Bösen geschah, wenn man sie denn verhaftete, folgt gleich in der nächsten Abteilung. Dort hängen die Gerichtsurteile, da steht das Fallbeil, mit dem der Schinderhannes guillotiniert wurde, und man sieht auch das Rad zum Rädern anderer zum Tode Verurteilter. Schaurig, aber gerecht? Wegen der Raubzüge des frühen 20. Jahrhunderts kamen jedenfalls meist nur noch die Beraubten zu Tode. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich sowohl die Schauplätze des Verbrechens geändert als auch die Ermittlungsmethoden. Man sieht: Schon um 1900 nahm man das Geld nicht mehr mit auf Reisen, sondern man gab es der Bank zur Verwahrung – die große Zeit der „Schränker“ brach an, und auch in dieser Zeit gab es wieder bewunderte Könner unter den Kriminellen wie die Brüder Sass.
Diese gruben lange Tunnel unter der Erde, um zum Safe zu gelangen, den sie dann mit modernem Gerät aufschweißten, das man genauso zeigt wie die verschiedenen Tresortypen, die derlei Handwerk wohl alle nicht standhalten konnten. Um der Räuber habhaft zu werden, setzte die Polizei ebenfalls seit etwa 1900 ihre neuen Möglichkeiten ein. Telefon und Telegraf machten die zur Fahndung nötige Kommunikation schneller und effektiver, und der Fingerabdruck erlaubte die eindeutige Identifikation der Täter. Ein besonders schönes Ausstellungsstück ist der Fotografiersteg mit Kamera und drehbarem Stuhl, auf den man die Räuber setzte, um sie für die Verbrecherkartei von vorne und von der Seite abzulichten. Diese Techniken revolutionierten die Kriminalistik – Fahndungsfoto, Phantombild und Fluchtauto, die man auch zeigt, wirken dagegen nur wie Fortentwicklungen.
Der Kreis von „Geld oder Leben!“ schließt sich deshalb gut mit dem Leid, das modernen Bankangestellten bei Raubüberfällen angetan wird, und mit den aktuellen Trickbetrügereien. Über Kopfhörer ist zu erfahren, wie die Opfer die Überfälle erlebt haben und wie es ihr Leben wegen bleibender Ängste auch in Folge dramatisch veränderte. Und an einem kleinen Bildschirm ist zu sehen, wie zwei Täter gemeinsame Sache machen, um einem Mann am Automaten seine EC-Card abzuluchsen.
Die Raubzüge sind somit wieder moderner geworden, zu verhindern sind sie nicht. Deshalb mag man als Ausstellungsbesucher auch nicht glauben, dass der elektronische Fingerabdruck unser Geld sicherer machen kann – auch wenn ein Geldautomat mit diesem „Karten“-Zugang am Schluss der Schau zum Spielen einlädt.
Die Ausstellung wird heute (15.) um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis 17. September dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet in der Schau 14,80 Euro, im Buchhandel 34,80 Euro.
Die Frage ist, die sich immer mehr stellt. Lässt sich das alles in eine historische Line stellen? Werden da nicht sehr verschiedene Dinge verhandelt. Ist Raub = Raub und Einbruch = Raub? Das wäre zu diskutieren. Die Medien interessiert das nicht. Das Thema ist sexy und verkauft sich.
vabanque - am Donnerstag, 16. Februar 2006, 15:01 - Rubrik: AusstellungenMuseum