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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 
Die Frankfurter Rundschau (8.1.2005) widmet dem ARTE-Themenabend gleichermaßen einen ausführlichen Artikel:

Räuber, Rollen, Rituale
Arte-Themenabend über den Bankraub
"Themenabend: Hände hoch und Geld her!", Arte, So., ab 20.40 Uhr.
VON HARALD KELLER

Wenn es auf Arte einen Abend lang um das Thema Bankraub geht, dann ist das auch ein Abend der nachgeahmten Posen. Schon in dem eröffnenden spanischen Spielfilm Vier Frauen gegen eine Bank verschaffen sich die Amateur-Räuberinnen das nötige Fachwissen, indem sie vorweg einen Spielfilm anschauen. Natürlich: Der Ablauf eines Bankraubes mit seinen ritualisierten Gesten hat per se kinematografische Qualitäten. Im anschließenden Filmessay Dinger drehen: Kleine Geschichte des Bankraubs (22.15 Uhr) verweist neben anderen Margit Czenki, 1971 an einem politisch motivierten Bankraub beteiligt, auf das Vorbild Kino: Ihre männlichen Komplizen orientierten sich damals vornehmlich an den Italowestern, die sich besonders in der linken politischen Szene großer Beliebtheit erfreuten.

Häufig wurden Bankräuber romantisiert, manche sogar nach Art moderner Robin Hoods zu Volkshelden stilisiert. Das reicht zurück bis ins Berlin der zwanziger-Jahre, als die Brüder Sass per Tunnelbau gerade jene Bank ausräumten, die im Schaufenster mit ihrem modernen Stahltresor geworben hatte. Der ausgeklügelte Coup machte Furore, fand Eingang in die Literatur, zum Beispiel Kästners Emil und die Detektive, und wurde mehrfach verfilmt, zuletzt 2001 mit Ben Becker und Jürgen Vogel als Franz und Erich Sass.

Bleibt das Verbrechen unblutig, wird es vom Publikum eher mal als Streich gesehen oder als Akt des Aufbegehrens gegen ein abstraktes Die-da-oben. Auch die Taten eines Bernhard Kimmel konnte man zeitweilig mit Vergnügen betrachten, wenn dieser "Al Capone von der Pfalz" Bedürftigen Bargeld in den Vorgarten warf, am Tatort noch ein Trinkgeld für die Putzfrauen hinterließ und ein ums andere Mal seine Verfolger foppte.

Ohne dass dies explizit angesprochen würde, erweist sich Thomas Palzers Kleine Geschichte des Bankraubs vor allem als Mediengeschichte des Bankraubs. Früh schon verarbeitete das Filmgewerbe die Taten der Bankräuber und bewirkte deren Mythologisierung: Butch Cassidy & Sundance Kid, die auch in Popsongs besungenen Bonnie & Clyde, Al Capone und in jüngster Zeit Andreas Baader erlangten ikonischen Rang. Wobei selbstredend die medial geprägte Gestalt mit dem Original meist wenig übereinstimmt.

Mesrine, der Theatermann

Umgekehrt begriffen viele Kriminelle ihre Taten bereits bei der Aufführung als Rollenspiel und genossen das Rampenlicht - manche lasen anderntags die Zeitungsberichte über ihre Verbrechen so begierig, wie ein Schauspieler die erste Kritik einer Premierenvorstellung liest. Die Journalistin Isabelle Pelletier beschreibt einen der Auftritte von Jacques Mesrine, zeitweilig Frankreichs Staatsfeind Nummer eins, mit den Worten: "Das war ein Mann, der sich sagte: Wir sind hier nicht vor dem Schwurgericht, sondern beim Theater."

Thomas Palzer präsentiert sein Material episodisch, mitunter sprunghaft und ohne formvollendetes Resümee. Die Schlussfolgerungen bleiben dem Betrachter überlassen. Das muss kein Manko sein. Schaut man Spielfilm und Dokumentation in unmittelbarem Zusammenhang, ergeben sich die Erkenntnisse ganz von selbst.

Harald Fricke weist in der taz vom 8.1.2005 auf dem ARTE-Themenabend am Sonntag (9.1.2005) Bankraub hin:

"Hände hoch!
Der Gesellschaft die Pistole auf die Brust gesetzt: ein Arte-Themenabend über Banküberfälle (So. ab 20.40 Uhr)

Ihre Vorbilder heißen Al Capone oder Bonnie & Clyde. Ihre Überfälle haben sie auf die Titelseiten gebracht, danach saßen sie jahrzehntelang im Gefängnis. Bankräuber, so zeigt es der Themenabend "Hände hoch und Geld her!", gelten immer noch als romantische Helden.

Folgt man den Erinnerungen in Thomas Palzers Dokumentation "Dinger drehen" (22.15 Uhr), dann waren Banküberfälle in den 70er-Jahren zudem Ausdruck einer Gesellschaft, deren Modernität sich eben auch in den ausgetüftelten Plänen ihrer Verbrecher spiegelte. Mehr noch, bei Palzer gehört der Bankraub zum Zeitgeist, weil er "das rasant gelebte Leben", wie es sonst im Kino zu sehen war, alltäglich machte. Heute, da aber Geld wie jeder andere Datenstrom bloß noch virtuell fließt, ist aus dem einst Aufsehen erregenden Überfall eine Gelegenheitstat geworden.
Einer der schockierendsten Fälle spielte sich dagegen schon 1959 in Rumänien ab ("Der große kommunistische Bankraub" 23.00 Uhr). Fünf Männer und eine Frau plünderten einen Banktransport und entkamen mit 1,6 Millionen Lei - das entsprach gut 2.000 Monatslöhnen. Daraufhin setzte eine brutale Verhaftungswelle ein. Bald wurden die Täter dingfest gemacht: Es handelte sich um Juden in hohen Ämtern, die von der Parteispitze fallen gelassen worden waren. Mit dem Geld wollten sie sich ihre Ausreise nach Palästina erkaufen. Stattdessen folgte ein perfider Schauprozess, für den sie in einer filmischen Rekonstruktion des Überfalls sich selbst spielen mussten. Obwohl man ihnen mildernde Umstände versprochen hatte, wurde das Material schließlich gegen sie verwendet. Sie waren dem Staat ein zweites Mal in die Falle gegangen: als willige Zeugen der eigenen Anklage.

Dass dem Todesurteil zahllose Entlassungen folgten, bei denen sämtliche Juden aus den Ministerien entfernt wurden, wundert angesichts der antisemitischen Propaganda im Rumänien der späten 50er nicht. Dass Filmemacher Alexandru Solomon diese Haltung allerdings 45 Jahre später noch bei alten Securitate-Schergen angetroffen hat, ist erschreckend.

 

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