Die Lugmeier-Biographie wurde nun auch in der Schweizer Wochenzeitschrift "WOZ" (12.10. 2005) gewürdigt, wonach es eben keine normale Gangsterbiographie geworden sei, sondern hier einer die "Lufthoheit" über sein eigenes Leben behalten habe:
"Jetzt ist «Der Mann, der aus dem Fenster sprang» erschienen, Lugmeiers autobiografische Erinnerungen mit dem Untertitel «Ein Leben zwischen Flucht und Angriff». Packend beschreibt er darin die rastlosen Momente seiner Gangsterkarriere, schildert lakonisch die Kindheit im katholisch geprägten Oberbayern, verarbeitet auch das Abdriften ins Milieu zu schlanker Poesie und gibt die bizarren Erlebnisse auf den Bahamas wieder, wo er als irischer Geschäftsmann «John Michael Waller» ins Hotelwesen einsteigen wollte. Anders als bei den üblichen Sensationsbeichten hat hier kein investigativer Journalist die Erlebnisse zu Räuberpistolen aufgefeilt. Der Bayer hat sich in seinem Leben zweifelsohne grobe Schnitzer geleistet. Aber Lugmeier, und das unterscheidet seine von anderen Gangsterbiografien, hat symbolisches Kapital daraus geschlagen, da er die Lufthoheit über die Schilderung seiner Erlebnisse behalten hat. Die eigenen Formulierungen klingen ohnehin viel besser als alles, was je über ihn geschrieben wurde. Wenn schon Mythenbildung, dann wenigstens aus erster Hand. «Der Buchgestaltung gingen natürlich dramaturgische Überlegungen voran, und stilistische Reduktion war notwendig. So ist das Buch fast ein autobiografischer Roman geworden. Ich wollte nicht neben mir stehen und der Ghostwriter der eigenen Geschichte sein.»"
Dabei fällt auf, dass die meisten ausführlichen Rezensionen über das Lugmeier-Buch allesamt die literatische Qualität dieses Textes würdigen.
Falsche Behauptungen über Dimitri Todorov
Die Rezension von Julian Weber enthält aber leider eine grob falsche Behauptung über Dimitri Todorov:
"Die Bekanntschaft mit anderen Häftlingen gibt ihm literarische Impulse. Eigentlich wollte er mit Dimitri Todorov zusammen Dinger drehen. Aber jener kommt ihm zuvor und wird 1971 für die erste, gewaltsam endende Geiselnahme nach einem Bankraub in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich. Anders als Todorov hat Lugmeier niemanden getötet, ist haarscharf an der Katastrophe vorbeigeschrammt."
Also zunächst einmal hat Todorov niemanden getötet.
Er wurde zum einen für angeblich in Tötungsabsicht abgegebene Schüsse bei der Stürmung der Deutschen Bank verurteilt, wobei allerdings niemand zu schaden kam und Aussage gegen Aussage stand, ob es sich tatsächlich um gezielte Schüsse gehandelt habe.
Zum zweiten wurde er dafür verurteilt, dass sein Tatgenosse Georg Rammelmaier während des Banküberfalls angeblich eine Geisel getötet habe. Die Geisel kam bei einem vom Schreiber'schen Polizeikommando begonnenen Schusswechsel ums Leben. Es wurde dabei aber für Außenstehende nie zufriedenstellend geklärt, ob es nicht etwa die Polizeikugeln waren die die Frau das Leben gekostet hatte (Bad Kleinen lässt grüßen - Die Münchner Polizei zeigte sich Anfang der 70er Jahre in vergleichbaren Situationen mehrfach völlig überfordert. Soviel nur hierzu.
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Nachträgliche Anmerkung am 20.10. 2005. Nach einem Hinweis an die Redaktion der WOZ meldete sich der Verfasser und räumte den Irrtum ein. U.a. schrieb er in einer E-Mail:
"Dein Einwurf ist richtig, ich lag falsch: Todorov hat niemand umgebracht. Es hätte in dem Text stehen müssen: An Aktionen, bei denen Lugmeiner beteiligt war, sind keine Menschen zu Schaden gekommen. Das habe ich der Woz auch mitgeteilt."
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Zur politischen Dimension des Lugmeierschen Lebens
"Die mexikanische Presse bezeichnete Lugmeier seinerzeit als Anführer einer Anarchistengruppe. Seine Biografie überschneidet sich tatsächlich mit der deutschen Nachkriegsgeschichte auf verblüffende Weise: Im Jahr der Gründung der Bundesrepublik, 1949, Geburt, 1977 (Deutscher Herbst) Festnahme, 1989 Entlassung, kurz vor der Wiedervereinigung. Aber Lugmeier ist nicht in dem Sinne politisch, auch wenn seine Entscheidungen oftmals von Radikalität getragen waren und prominente Linke sich mit ihm verbunden fühlten. «Geld war wichtig für mich. Es hat mir in meiner Entwicklung geholfen. Ich kam so mit anderen Gesellschaftsschichten in Berührung. Aber das war nicht die Verwirklichung meiner Träume. Ich bin durch das Geld nicht unabhängig geworden, sondern in die Rolle des Gejagten geraten.»"
"Jetzt ist «Der Mann, der aus dem Fenster sprang» erschienen, Lugmeiers autobiografische Erinnerungen mit dem Untertitel «Ein Leben zwischen Flucht und Angriff». Packend beschreibt er darin die rastlosen Momente seiner Gangsterkarriere, schildert lakonisch die Kindheit im katholisch geprägten Oberbayern, verarbeitet auch das Abdriften ins Milieu zu schlanker Poesie und gibt die bizarren Erlebnisse auf den Bahamas wieder, wo er als irischer Geschäftsmann «John Michael Waller» ins Hotelwesen einsteigen wollte. Anders als bei den üblichen Sensationsbeichten hat hier kein investigativer Journalist die Erlebnisse zu Räuberpistolen aufgefeilt. Der Bayer hat sich in seinem Leben zweifelsohne grobe Schnitzer geleistet. Aber Lugmeier, und das unterscheidet seine von anderen Gangsterbiografien, hat symbolisches Kapital daraus geschlagen, da er die Lufthoheit über die Schilderung seiner Erlebnisse behalten hat. Die eigenen Formulierungen klingen ohnehin viel besser als alles, was je über ihn geschrieben wurde. Wenn schon Mythenbildung, dann wenigstens aus erster Hand. «Der Buchgestaltung gingen natürlich dramaturgische Überlegungen voran, und stilistische Reduktion war notwendig. So ist das Buch fast ein autobiografischer Roman geworden. Ich wollte nicht neben mir stehen und der Ghostwriter der eigenen Geschichte sein.»"
Dabei fällt auf, dass die meisten ausführlichen Rezensionen über das Lugmeier-Buch allesamt die literatische Qualität dieses Textes würdigen.
Falsche Behauptungen über Dimitri Todorov
Die Rezension von Julian Weber enthält aber leider eine grob falsche Behauptung über Dimitri Todorov:
"Die Bekanntschaft mit anderen Häftlingen gibt ihm literarische Impulse. Eigentlich wollte er mit Dimitri Todorov zusammen Dinger drehen. Aber jener kommt ihm zuvor und wird 1971 für die erste, gewaltsam endende Geiselnahme nach einem Bankraub in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich. Anders als Todorov hat Lugmeier niemanden getötet, ist haarscharf an der Katastrophe vorbeigeschrammt."
Also zunächst einmal hat Todorov niemanden getötet.
Er wurde zum einen für angeblich in Tötungsabsicht abgegebene Schüsse bei der Stürmung der Deutschen Bank verurteilt, wobei allerdings niemand zu schaden kam und Aussage gegen Aussage stand, ob es sich tatsächlich um gezielte Schüsse gehandelt habe.
Zum zweiten wurde er dafür verurteilt, dass sein Tatgenosse Georg Rammelmaier während des Banküberfalls angeblich eine Geisel getötet habe. Die Geisel kam bei einem vom Schreiber'schen Polizeikommando begonnenen Schusswechsel ums Leben. Es wurde dabei aber für Außenstehende nie zufriedenstellend geklärt, ob es nicht etwa die Polizeikugeln waren die die Frau das Leben gekostet hatte (Bad Kleinen lässt grüßen - Die Münchner Polizei zeigte sich Anfang der 70er Jahre in vergleichbaren Situationen mehrfach völlig überfordert. Soviel nur hierzu.
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Nachträgliche Anmerkung am 20.10. 2005. Nach einem Hinweis an die Redaktion der WOZ meldete sich der Verfasser und räumte den Irrtum ein. U.a. schrieb er in einer E-Mail:
"Dein Einwurf ist richtig, ich lag falsch: Todorov hat niemand umgebracht. Es hätte in dem Text stehen müssen: An Aktionen, bei denen Lugmeiner beteiligt war, sind keine Menschen zu Schaden gekommen. Das habe ich der Woz auch mitgeteilt."
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Zur politischen Dimension des Lugmeierschen Lebens
"Die mexikanische Presse bezeichnete Lugmeier seinerzeit als Anführer einer Anarchistengruppe. Seine Biografie überschneidet sich tatsächlich mit der deutschen Nachkriegsgeschichte auf verblüffende Weise: Im Jahr der Gründung der Bundesrepublik, 1949, Geburt, 1977 (Deutscher Herbst) Festnahme, 1989 Entlassung, kurz vor der Wiedervereinigung. Aber Lugmeier ist nicht in dem Sinne politisch, auch wenn seine Entscheidungen oftmals von Radikalität getragen waren und prominente Linke sich mit ihm verbunden fühlten. «Geld war wichtig für mich. Es hat mir in meiner Entwicklung geholfen. Ich kam so mit anderen Gesellschaftsschichten in Berührung. Aber das war nicht die Verwirklichung meiner Träume. Ich bin durch das Geld nicht unabhängig geworden, sondern in die Rolle des Gejagten geraten.»"
vabanque - am Dienstag, 18. Oktober 2005, 11:06 - Rubrik: Biographien des Bankraubs