Centre de recherches interdisciplinaires sur l'Allemagne (CRIA) Paris
28.02.2004, Paris
Tagungsbericht von Jakob Vogel
Journée d'étude: " Le criminel. L'action humaine entre discours et
pratique quotidienne au XIXe siècle. Une comparaison entre la France et l'Allemagne "
(…)
Die von der Fondation Maison Heinrich Heine unterstützte Veranstaltung vereinte ca. 20 Teilnehmer aus beiden Ländern. Ausgangspunkt waren Überlegungen von Falk BRETSCHNEIDER (CRIA Paris), der dazu aufrief, die bislang stark diskurszentrierten Forschungen zur Kriminalität im 19. Jahrhundert durch eine eher handlungsorientierte Analyse der Reaktionen von "Kriminellen" auf die ihnen diskursiv zugewiesenen Klassifikationen zu ergänzen. Der Titel der Tagung, "Le criminel. L'action humaine entre discours et pratique quotidienne au XIXe siècle. Une comparaison entre la France et l'Allemagne", rückte dabei die durchaus kontroverse These in den Mittelpunkt, daß häufiger als oft angenommen Menschen in der Vergangenheit in der Lage waren, eigene Lebensentwürfe gegen determinierende Normen durchzusetzen. Sie vermochten mit den "herrschenden" Diskursen quasi zu verhandeln und ihnen eigene Freiräume abzuringen. Diese These versprach eine interessante neue Perspektive auf die Kriminalitätsforschung, da die individuellen Handlungsmöglichkeiten hier kaum getrennt von der Frage der Macht betrachtet werden können.
(…)
Mit seinen Beiträgen und Diskussionen, die sich immer wieder um den Status der jeweiligen Quellen, ihre Materialität und die ihnen eigenen Perspektiven drehten, erwies der Workshop die Chancen einer Kriminalitätsgeschichte, welche die Anregungen Foucaults
weiterentwickelt und die Frage nach der "Opferrolle" des Kriminellen im System des Strafvollzugs neu in den Blick nimmt. Wie die angeregten Debatten zeigten, gerät damit die Konstruktion der jeweiligen "Diskurse" in doppelter Hinsicht in den Blick: zum einen als Frage an den Forscher nach den Eigenheiten der einzelnen zeitgenössischen Diskurse über die Person des Kriminellen (wobei die Quellen aus der Expertenperspektive naturgemäß reichhaltiger fließen), zum anderen aber auch nach der Perspektive, welche die Auswahl von unterschiedlichen Quellengattungen für die historiographische Behandlung des Themas impliziert. Experten und "Betroffene", "Beobachter", Täter und Opfer erscheinen dabei gleichermaßen, aber in unterschiedlicher, machtdurchwirkter Weise als Akteure wechselnder "Sprachspiele" um den Kriminellen, zu deren Entwirrung der deutsch-französische Workshop einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
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28.02.2004, Paris
Tagungsbericht von Jakob Vogel
Journée d'étude: " Le criminel. L'action humaine entre discours et
pratique quotidienne au XIXe siècle. Une comparaison entre la France et l'Allemagne "
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Die von der Fondation Maison Heinrich Heine unterstützte Veranstaltung vereinte ca. 20 Teilnehmer aus beiden Ländern. Ausgangspunkt waren Überlegungen von Falk BRETSCHNEIDER (CRIA Paris), der dazu aufrief, die bislang stark diskurszentrierten Forschungen zur Kriminalität im 19. Jahrhundert durch eine eher handlungsorientierte Analyse der Reaktionen von "Kriminellen" auf die ihnen diskursiv zugewiesenen Klassifikationen zu ergänzen. Der Titel der Tagung, "Le criminel. L'action humaine entre discours et pratique quotidienne au XIXe siècle. Une comparaison entre la France et l'Allemagne", rückte dabei die durchaus kontroverse These in den Mittelpunkt, daß häufiger als oft angenommen Menschen in der Vergangenheit in der Lage waren, eigene Lebensentwürfe gegen determinierende Normen durchzusetzen. Sie vermochten mit den "herrschenden" Diskursen quasi zu verhandeln und ihnen eigene Freiräume abzuringen. Diese These versprach eine interessante neue Perspektive auf die Kriminalitätsforschung, da die individuellen Handlungsmöglichkeiten hier kaum getrennt von der Frage der Macht betrachtet werden können.
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Mit seinen Beiträgen und Diskussionen, die sich immer wieder um den Status der jeweiligen Quellen, ihre Materialität und die ihnen eigenen Perspektiven drehten, erwies der Workshop die Chancen einer Kriminalitätsgeschichte, welche die Anregungen Foucaults
weiterentwickelt und die Frage nach der "Opferrolle" des Kriminellen im System des Strafvollzugs neu in den Blick nimmt. Wie die angeregten Debatten zeigten, gerät damit die Konstruktion der jeweiligen "Diskurse" in doppelter Hinsicht in den Blick: zum einen als Frage an den Forscher nach den Eigenheiten der einzelnen zeitgenössischen Diskurse über die Person des Kriminellen (wobei die Quellen aus der Expertenperspektive naturgemäß reichhaltiger fließen), zum anderen aber auch nach der Perspektive, welche die Auswahl von unterschiedlichen Quellengattungen für die historiographische Behandlung des Themas impliziert. Experten und "Betroffene", "Beobachter", Täter und Opfer erscheinen dabei gleichermaßen, aber in unterschiedlicher, machtdurchwirkter Weise als Akteure wechselnder "Sprachspiele" um den Kriminellen, zu deren Entwirrung der deutsch-französische Workshop einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
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vabanque - am Mittwoch, 24. März 2004, 01:47 - Rubrik: Kriminalitaetsgeschichte allgemein