Peter Carey: Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang. S. Fischer Frankfurt/M. 2002.
Das Buch beginnt mit dem Showdown, in dessen Verlauf der australische 'Outlaw' Ned Kelly, 1855 geboren, gefangen genommen und anschließend hingerichtet wurde. Der Roman von Peter Carey ist als Autobiographie konzipiert, den Ned Kelly für seine Tochter verfasst habe. Die äußere Form ist als „undatierter, unsignierter handschriftlicher Bericht aus dem Bestand der Melbourne Public Library (V.L.10453)“ gerahmt, der nach dem „Kelly-Aufstand“ am Abend des 28.6. 1880 in 13 Päckchen mit verschmutzten, verknitterten Papieren in einer Metalltruhe gesichert wurde. Der australische Schriftsteller Peter Carey (Jg. 1943), der in New York lebt, gilt laut Klappentext als „einer der bekanntesten Autoren seines Landes“. Für das hier interessierende Buch bekam er 2001 zum zweiten Mal den „Booker Prize“ verliehen. Für den Roman unternahm Carey umfangreiche Recherchen. Er konsultierte darüber hinaus weitere Bücher über Ned Kelly (John McQuilton: The Kelley Outbreak; Kevin Passey/Gary Dean: Harry Power: Tutor of Ned Kelly; Henry Glassie: Irish Folktales; Keith McMenomy: Ned Kelly: The Authentic Illustrated Story und Ian Jones: Ned Kelly)
Diese Form und die präsentierte Historizität des Stoffes suggeriert Authentizität. Und in der Tat ist der Roman realistische Literatur, die sich wohltuend jeder sozialromantischen Verklärung des Outlaw-Lebens enthält. Carey holt die historische Figur Ned Kelly vielmehr auf den Boden jener sozialen Realität des 19. Jhdt. in Australien zurück, die eine sozialhistorische Betrachtung vermutlich ebenfalls zutage befördern würde. Es bleibt nicht viel Raum für den vermeintlichen Glamour des „Outlaws“. Zutage tritt vielmehr eines Lebenswelt, die geprägt ist von Armut, Schmutz, Korruption, Ungerechtigkeit und Verzweiflung. Das Leben des Ned Kelly wird gezeichnet von dem Verlangen nach einem Zuhause und vor allem nach Würde und Respekt. Gesetzlosigkeit ist ein Zustand, der nicht qua Rechtsprechung, sondern durch die Macht des Stärkeren konstituiert wird. Demgegenüber entsteht jene moralische Ökonomie, die versucht, die Welt zusammenzuhalten, die aber immer wieder zusammenstößt mit den sozialen Kräften der ursprünglichen Akkumulation, die einmal mehr zeigt, dass die Kapitalanhäufung historisch zu einem Gutteil das Ergebnis von krimineller Energie, Gier und Skrupellosigkeit gewesen ist. Der Begriff der »ursprünglichen Akkumulation« besagt denn auch nichts anderes, als dass die Mehrheit der Bevölkerung von ihrem Landbesitz bzw. ihrer landwirtschaftlichen Lebensgrundlage enteignet werden muss, damit sie als Arbeitskräfte für die Industrie bzw. Die industrialisierte Landwirtschaft der Kolonie zur Verfügung stehen. Wie so etwas konkret vonstatten geht, beschreibt dieser Roman am Beispiel der Biographie des Ned Kelly. Es bedarf schon einer ziemlichen Ansammlung von falschen Anschuldigungen, Gefängnisaufenthalten und entsprechender Erfahrung mit Polizei und Justiz, bis sich die Kelly-Bande herausbildet. Dabei handelt es sich gerade einmal um vier Männern, ohne große Schulbildung, die gegen eine Koalition von Medien, Regierung und »Greifern« nur deshalb zeitweise bestehen konnte, weil sie sich wie eine Guerilla als Fisch im Wasser bewegen konnten. Ihre Unfähigkeit die Bande gefangenzunehmen erklärte die Polizei damit, dass sie im betreffenden Landstrich die Kontrolle verloren habe.
Von einem Banküberfall ist im gesamten Buch erstmals auf S. 364 die Rede. Insgesamt gibt es zwei davon. Der erste Bankraub ist im Roman derart konzipiert, dass er die materielle Grundlage zur Gegenbestechung der Bevölkerung liefern solle, damit die „Greifer“ die Armen nicht für Hinweise über den Aufenthalt der Gang gewinnen können. Der Banküberfall wird maßgeblich von der Geliebten und Gefährtin, Mary Hearn, von Ned Kelly geplant, die Beschreibung des Vorgangs wird über einem Bericht des Morning Chronicle, vom 11.12.1878 in den Roman montiert. Anstatt der erhofften 10.000 Pfund wurden es aber nur 2.200 Pfund. Es folgte ein zweiter Banküberfall, der in Begleitung von einem Polizisten und in Polizeiuniform durchgeführt wurde. Die Banküberfälle dienen der Geldbeschaffung und zur Begleichung von Schulden. Also klassische Ziele. Darüber hinaus wird auch noch Freunden geholfen und somit dient diese Form des Gelderwerbs der Akkumulation von sozialem Kapital.
Jede Menge Stoff über Ned Kelly
Das Buch beginnt mit dem Showdown, in dessen Verlauf der australische 'Outlaw' Ned Kelly, 1855 geboren, gefangen genommen und anschließend hingerichtet wurde. Der Roman von Peter Carey ist als Autobiographie konzipiert, den Ned Kelly für seine Tochter verfasst habe. Die äußere Form ist als „undatierter, unsignierter handschriftlicher Bericht aus dem Bestand der Melbourne Public Library (V.L.10453)“ gerahmt, der nach dem „Kelly-Aufstand“ am Abend des 28.6. 1880 in 13 Päckchen mit verschmutzten, verknitterten Papieren in einer Metalltruhe gesichert wurde. Der australische Schriftsteller Peter Carey (Jg. 1943), der in New York lebt, gilt laut Klappentext als „einer der bekanntesten Autoren seines Landes“. Für das hier interessierende Buch bekam er 2001 zum zweiten Mal den „Booker Prize“ verliehen. Für den Roman unternahm Carey umfangreiche Recherchen. Er konsultierte darüber hinaus weitere Bücher über Ned Kelly (John McQuilton: The Kelley Outbreak; Kevin Passey/Gary Dean: Harry Power: Tutor of Ned Kelly; Henry Glassie: Irish Folktales; Keith McMenomy: Ned Kelly: The Authentic Illustrated Story und Ian Jones: Ned Kelly)
Diese Form und die präsentierte Historizität des Stoffes suggeriert Authentizität. Und in der Tat ist der Roman realistische Literatur, die sich wohltuend jeder sozialromantischen Verklärung des Outlaw-Lebens enthält. Carey holt die historische Figur Ned Kelly vielmehr auf den Boden jener sozialen Realität des 19. Jhdt. in Australien zurück, die eine sozialhistorische Betrachtung vermutlich ebenfalls zutage befördern würde. Es bleibt nicht viel Raum für den vermeintlichen Glamour des „Outlaws“. Zutage tritt vielmehr eines Lebenswelt, die geprägt ist von Armut, Schmutz, Korruption, Ungerechtigkeit und Verzweiflung. Das Leben des Ned Kelly wird gezeichnet von dem Verlangen nach einem Zuhause und vor allem nach Würde und Respekt. Gesetzlosigkeit ist ein Zustand, der nicht qua Rechtsprechung, sondern durch die Macht des Stärkeren konstituiert wird. Demgegenüber entsteht jene moralische Ökonomie, die versucht, die Welt zusammenzuhalten, die aber immer wieder zusammenstößt mit den sozialen Kräften der ursprünglichen Akkumulation, die einmal mehr zeigt, dass die Kapitalanhäufung historisch zu einem Gutteil das Ergebnis von krimineller Energie, Gier und Skrupellosigkeit gewesen ist. Der Begriff der »ursprünglichen Akkumulation« besagt denn auch nichts anderes, als dass die Mehrheit der Bevölkerung von ihrem Landbesitz bzw. ihrer landwirtschaftlichen Lebensgrundlage enteignet werden muss, damit sie als Arbeitskräfte für die Industrie bzw. Die industrialisierte Landwirtschaft der Kolonie zur Verfügung stehen. Wie so etwas konkret vonstatten geht, beschreibt dieser Roman am Beispiel der Biographie des Ned Kelly. Es bedarf schon einer ziemlichen Ansammlung von falschen Anschuldigungen, Gefängnisaufenthalten und entsprechender Erfahrung mit Polizei und Justiz, bis sich die Kelly-Bande herausbildet. Dabei handelt es sich gerade einmal um vier Männern, ohne große Schulbildung, die gegen eine Koalition von Medien, Regierung und »Greifern« nur deshalb zeitweise bestehen konnte, weil sie sich wie eine Guerilla als Fisch im Wasser bewegen konnten. Ihre Unfähigkeit die Bande gefangenzunehmen erklärte die Polizei damit, dass sie im betreffenden Landstrich die Kontrolle verloren habe.
Von einem Banküberfall ist im gesamten Buch erstmals auf S. 364 die Rede. Insgesamt gibt es zwei davon. Der erste Bankraub ist im Roman derart konzipiert, dass er die materielle Grundlage zur Gegenbestechung der Bevölkerung liefern solle, damit die „Greifer“ die Armen nicht für Hinweise über den Aufenthalt der Gang gewinnen können. Der Banküberfall wird maßgeblich von der Geliebten und Gefährtin, Mary Hearn, von Ned Kelly geplant, die Beschreibung des Vorgangs wird über einem Bericht des Morning Chronicle, vom 11.12.1878 in den Roman montiert. Anstatt der erhofften 10.000 Pfund wurden es aber nur 2.200 Pfund. Es folgte ein zweiter Banküberfall, der in Begleitung von einem Polizisten und in Polizeiuniform durchgeführt wurde. Die Banküberfälle dienen der Geldbeschaffung und zur Begleichung von Schulden. Also klassische Ziele. Darüber hinaus wird auch noch Freunden geholfen und somit dient diese Form des Gelderwerbs der Akkumulation von sozialem Kapital.
Jede Menge Stoff über Ned Kelly
vabanque - am Freitag, 3. September 2004, 11:56 - Rubrik: Literatur und Bankraub