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Das Weblog zur Volkskunde des Bankraubs

 

Millionencoup

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Die Blogger machen sich auch über das Thema des Tunnel-Bankraubs in Brasilien her:

Im Schockblog meint blogschocker:

"Vergesst Topkapi und Ronald Biggs

Wie in einem Hollywood-Gentlemen-Bankräuberfilm hat eine eiskalte Gang die Nationalbank von Brasilien um ca. 150 Millionen Real im Wert von ca. 55 Millionen Euro erleichtert. (...)
Ich bin ja kein Typ, der Verbrechen duldet, aber vor der Leistung dieser Leute habe ich dann doch Respekt. Wer so dreist und ohne eine Menschenseele zu bedrohen oder zu verletzen einen Jahrhundertcoup durchzieht, verdient es auch, die Kohle zu behalten. Zumal das Geld versichert ist. Ich hoffe nur, der Kopf der Truppe ist kein Drogenbaron oder sonstiger Schwerverbrecher - das würde meine Meinung dann doch ändern...

Was gäbe ich für Insiderwissen! Hollywood würde mir dafür wahrscheinlich die Fußsohlen lecken. Nachdem ich aufm Dixie war..."


oder bei "Nur ein Test oder doch mehr" (9.8. 2005)

"Schwerer Bruch
Als filmreif wird der Bankraub einiger Einbrecher in Brasilien bezeichnet. (...)
Und sollten sich die Täter beim Einlösen der Scheine oder durch andere Umstände doch noch erwischen lassen, können sie ihre Story immer noch verkaufen. Hollywood hat bisher noch alles verfilmt."


Getkrafted (Malte) verbucht den Coup ("55 Millionen Euro erbeutet") unter "Lifestyle" (9.8. 2005).

Moins - das Blog von Rainer Ny Bendig (9.8. 2005) setzt tags wie "Tags: Bankraub, Brasilien, Zentralbank, Bank, Micky, Mouse, Panzer, Knacker, Tresor, Coup, Genial":

"Panzerknacker in Brasilien
Passend zum Zitat:
In Brasilien haben mehrere Bankräuber, wie in einem Micky Mouse Heft, einen Tunnel zur Zentralbankzentrale in Forteleza (Wikipedia gegraben. Insgesamt huben sie einen Tunnel von circa 200 Metern aus, und verkauften den Aushub in der eigens dafür angemieteten Gärtnerei. Sie schafften circa 3,5 Tonnen unregistrierte Geldscheine im Gegenwert von etwa 55 Millionen durch den Tunnel in die freie Wildbahn. Da die Scheine nicht registriert sind können sie normal langsam unter die Leute gebracht werden.
Das Kuriose daran: der etwa 500 m² große Tresorraum war auch mit Bewegungsmeldern gesichert. Die Wände bestanden aus 2 Meter dickem Stahlbeton.
Meine Meinung? Go on!"


Christian Wiedwald (9.8. 2005) in "ge-blog-t":

" Es gibt sie noch...

...die großen Coups der Weltgeschichte - wieder ein filmreifes Stück Kriminalität - diesmal in Brasilien - schaut hier:

Tunnel in die Zentralbank: Der Räuber ist immer der Gärtner - SPIEGEL ONLINE"



Mark (Irgendwas ist immer, 9.8.05):

"Die Jungs haben ausgesorgt!

Ein echter Klassiker ereignete sich am vergangenen Wochenende in Brasilien. Nein, es wird in der Meldung zunächst nicht die Summe des bei diesem Bankraub erbeuteten Geldes genannt, sondern das Gewicht: 3,5 Tonnen brasilianische Banknoten. Entspricht in 50 Real Scheinen etwa 55 Millionen Euro...

Respekt! Keine Verletzten oder gar Toten, keine verängstigten Geiseln, nur ein nach allen Regeln der Kunst leergeräumter Tresor zeugt von diesem Coup in allerfeinster Rififi-Manier. Was würde ich für ein Photo des dämlichen Gesichtsausdrucks des Bankangestellten geben, der am Montag Morgen den Safe aufschloss...

Drei Monate Dreck schippen, die sich mal richtig gelohnt haben."


Hendrix, Ein Berliner in Brasil (9.8. 2005) preist "Kreative Bankräuber":

"Gestern frueh wurde in der Metropole Fortaleza im Nordosten Brasiliens ein spektakulaerer Bankraub entdeckt. (...)
Also ziemlich viel Aufwand fuer etwas Geld, koennte man meinen. Aber die gestohlene Summe kann sich sehen lassen: 150 Millionen Real (ca. 50 Millionen Euro).
Das waere doch mal ein neuer brasilianischer Exportschlager - Kurse fuer Hightech-Bankraub (in Brasilien eher unuebliche Barzahlung fuer die Kursgebuehr waere wohl Bedingungung). Da wuerde die brasilianische Aussenhandelsbilanz doch noch viel besser aussehen...."


Und ein Besucher (Martin) meint: " das haben sich die jungs und maedels redlich verdient...."

Auf Jacopo meint mlohmann (9.8. 2005):
"Und ich dachte, dass gibts nur im Film. Hut ab vor der Cleverness, die Jungs werden wohl eine ähnliche Popularität erreichen, wie Biggs mit dem Postraub in England."

Wolf Bente: noch so´n überflüssiger blog (9.8. 2005):
Der Tunnel zum Erfolg

In Brasilien wurde eine Bank geplündert, in dem sich die Leutchen einen hübschen, langen Tunnel gebuddelt haben berichtet Spiegel Online. Das bringt mich natürlich auf eine Idee. Ich kauf mir ein paar Schaufeln, hol mir ein paar 1-Euro-Jobber und los gehts. Das hat gleich mehrere Vorteile.
1. Wenn ich nicht erwischt werde, dann brauch ich mir keine Zukunftssorgen mehr zu machen und die 1-Euro-Jobber hatten eine durchaus sinnvolle Beschäftigung.
2. Wenn ich erwischt werde, dann brauch ich mir keine Zukunftssorgen mehr zu machen, bekomme regelmäßig etwas zu essen, muss keine Miete mehr bezahlen und die 1-Euro-Jobber hatten eine durchaus sinnvolle Beschäftigung.
Blöd wäre nur, wenn der Tunnel vor der Fertigstellung zusammenfällt.

kalauert Spiegel Online (9.8. 2005) und liefert ein paar Hintergrundinformationen, deren Glaubwürdigkeit durch die namentlich genannten KorrespondentInnen verbürgt sein sollen:

"Brasília - Die Männer stammten nicht aus dem nordbrasilianischen Fortaleza, das sah man, und das hörte man: Sie hätten nicht mit dem in dem Bundesstaat Ceará verbreiteten melodischen Singsang gesprochen, berichten die Nachbarn. Vermutlich kämen sie aus Rio de Janeiro, sagten die Anwohner der brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo". Einer der Nachbarn, ein Besitzer einer Herberge, sagte dem Blatt, er habe mindestens acht verschiedene Männer beobachtet, die sich regelmäßig auf dem Grundstück aufgehalten hätten.

Andere Anwohner berichten von zwei Verdächtigen. Einer, vermutlich der Anführer der Bande, sei groß, schlank und habe einen Bart getragen. Seinen Namen habe er mit "Paulo" angegeben. Der andere Mann sei blond gewesen. Drei Monate lang spielten sie den Anwohnern ein scheinbar normales, und doch ein bisschen aufregendes Leben vor: Typen, die mit einer guten Geschäftsidee ihr Glück in der Ferne versuchen. Eine Firma für Gartenbau sollte es sein, spezialisiert auf Kunst- und Naturrasen. Ab und zu seien die beiden Männer auch in den Bars und Restaurants der Gegend aufgetaucht, versteckt hätten sie sich nicht.

Eingang zum Tunnel: Spezialisten am Werk

Doch statt sich ums Rasen-Geschäft zu kümmern, bereiteten die Männer den größten Bankraub in der Geschichte Brasiliens vor. Von dem seit März angemieteten Haus, dem zum Schein eröffneten Fachgeschäft aus, gruben sie einen 70 Meter langen Tunnel bis unter den Tresorraum der brasilianischen Zentralbank in der Hauptstadt des Bundesstaates Ceará. In vier Metern Tiefe buddelten sie den 70 Zentimeter hohen Tunnel, der mit Holzlatten abgestützt, mit Plastik abgedichtet und mit Elektrolicht ausgestattet war. Die Tarnung war perfekt: Der Gartenbaubetrieb machte es den Tätern möglich, große Mengen Erdreich fortzuschaffen, ohne Misstrauen zu erwecken."

Filmreifer Bankraub in Brasilien
titelt die Deutsche Welle (9.8. 2005) ihren Bericht über den brasilianischen Millionencoup.

TunnelFortalezaDiese Formulierung lässt bereits die Bewunderung anklingen. Die Bidlunterschriften unterstreichen diese Tendenz: "Der Weg zum Reichtum: Tunnel der Bankräuber"

Und so geht es dann weiter:
"Beim größten Bankraub in der Geschichte Brasiliens haben die Täter umgerechnet etwa 52 Millionen Euro erbeutet. Die Räuber hatten ihren Coup in monatelanger Präzisionsarbeit vorbereitet.
Es waren Experten am Werk: Rund 20 Bankräuber, darunter offenbar Spezialisten für Mathematik, Ingenieurwesen und Ausgrabungen, waren daran beteiligt, unbemerkt in die brasilianische Zentralbank in Fortaleza, der Hauptstadt des Bundesstaates Ceará, einzudringen."


Die Frage, die sich derzeit alle stellen, warum funktionierte das Alarmsystem nicht? Die Vermutung ist naheliegend. Gibt es Komplizen innerhalb der Bank?

Dann haben wir noch den DW-TV-Beitrag (9.8. 2005) anzubieten. Waren es zunächst noch 200 Meter, die der Tunnel lang gewesen sein soll, sind es hier nur noch 80 Meter. Bei Spiegel Online (9.8. 2005) nun sogar nur noch 70 Meter.

Schließlich ganz am Schluss will es die DW-Redaktion wissen und fragt:
"Finden Sie die Tat niederträchtig oder brillant?"
Schon klar, was die hören wollen ..,

Sie hat ein bisschen Zeit benötigt, die gute, alte taz (10.8. 2005), aber jetzt ist sie auch dabei, und auch unsere taz-JournalistInnen wissen zu räubern, oder sagen wir besser, lassen sich inspirieren, nämlich von Vabanque, aber deshalb ist der Artikel auch besser als das, was wir bisher so zu lesen bekommen haben:


Gangster nach unserem Geschmack

Rund 50 Millionen Euro haben vorgestern unbekannte Täter bei einem Bankraub in Brasilien erbeutet. Monatelang haben sie von einem zum Schein eröffneten Blumenladen aus einen 80 Meter langen Tunnel in den Tresorraum der Zentralbank in Fortaleza gegraben. Hut ab! Zehn Fragen von vier Fans, die gelernt haben, dass Verbrechen sich nicht lohnt, aber anderen gerne dabei zugucken

1. Warum beschäftigt uns der Bankraub?

Wir wollen auch 50 Millionen Euro. Was man damit alles machen könnte. Nie wieder arbeiten, nie wieder einen Job suchen, nie wieder für die Rente vorsorgen, nie wieder für die Studiengebühren der Kinder sparen. Nie wieder sparen überhaupt. Wenn wir erst mal 50 Milliarden, äh, Millionen Euro haben, dann können wir endlich alles machen, was wir immer schon wollten. Alles. Immer. Überall. Luxus, Autos, Schmuck, Frauen, Männer. Oder oder oder. Kinder aus Afrika ("Live 8") adoptieren, unseretwegen auch. Wir hätten keine Existenzangst mehr. Nie wieder Geldsorgen. Nie nie nie mehr. Angie oder Gerd, Edmund oder Oskar? Nicht egal, aber nicht entscheidend. Wir wären endlich frei. Denn Geld ist gut.

2. Welche Bankräuber schätzen wir?

Sie sollen schlau sein. Männer (und, okay, Frauen), denen niemand so schnell etwas vormacht. Ein Bankräuber nach unserem Gusto setzt sich hin und macht einen Plan. Einen richtig komplizierten Plan. Er hat genau die richtigen Freunde, die seinen Plan umsetzen können. Der weiß, wann man einen Ingenieur einsetzt und wann einen Akrobaten. Und er weiß auch, wann er mit anpacken muss, und kann mit den Stärksten mithalten. Der Bankräuber behält den Überblick, koordiniert, sieht alles voraus. Und er wirkt dabei lässig - so wie James Bond, mindestens. Natürlich ist er auch gewitzt. Sonst könnte er ja gar nicht quer genug denken, um die Lücken in einem Sicherheitssystem zu sehen. Ein richtiger Bankräuber ist ein überlegener Nonkonformist.

3. Was wollen wir von den Bankräubern sehen?

Action! Wir wollen Tunnel, riskante Planungen, gewagtes Timing, vollen körperlichen und geistigen Einsatz, Menschlichkeit, Nerven aus Stahl, denen auch kleine Missgeschicke nichts anhaben können - aber bitte nicht zu viel Schweiß, denn Helden schwitzen nicht. Verzweiflung ist ein schlechtes Parfum. Kurzum: Wir wollen, dass sie unsere eigenen Unzulänglichkeiten ausgleichen; dass sie in Situationen, in denen wir den Überblick verlieren oder uns vor Angst in die Hose machen würden, einen kühlen Kopf bewahren. Wir wollen Helden! Es reicht ja völlig, dass wir beim Anblick eines Streifenwagens ein schlechtes Gewissen bekommen, und zwar grundlos.

4. Welche Bankräuber wollen wir nicht sehen?

Was wir nie verstanden haben: Warum wurde Ronald Biggs ein Held? Der hatte keinen schlauen Überfall mitgeplant. Es starb ein Mensch bei seinem Überfall auf einen Postzug. Außerdem war er auch nicht interessant oder witzig oder sah auch nur ein bisschen gut aus. Er war ein grober Brutalo. Bis hin zu den überkandidelten Hawaii-Hemden und dem schlechten Lied mit den Toten Hosen. Wir verachten Nick Leeson, unscheinbarer Technokrat, der eine ganze Bank zum Einsturz brachte, aber damit sämtliche Kunden in den Ruin trieb und die Angestellten arbeitslos machte. Und wir mögen "Phisher" nicht, die Bankkunden die PIN-Nummern klauen und deren Konten plündern. Das ist kein Banküberfall, sondern elektronischer Handtaschenraub.

5. Warum erlauben wir den Bankräubern das, warum fiebern wir mit ihnen mit?

Banken sind ein riesiges System. Und wenn dann ein Mastermind mit einer Schaufel, einem GPS-Gerät, seinen Freunden und seinem Grips diese Riesen zu Fall bringen können, dann fühlen wir uns gut. Wir sympathisieren gern. Wir bekommen vielleicht keinen Kredit und sie können unser Haus pfänden, aber da draußen gibt es noch Menschen, die diese Riesenwaben aus Technik und Bürokratie treffen können. Weil sie besser sind und schneller und schlauer. So wie wir es auch gerne wären.

6. Was dürfen Bankräuber stehlen? Was nicht?

Bankräuber dürfen nur das stehlen, was im Überfluss vorhanden ist und einzelnen Personen oder Organisationen gehört. Allgemeingüter, beispielsweise Museumsstücke, sind tabu. Wer den "Schrei" von Edvard Munch klaut, der enttäuscht nicht nur das Museum, sondern auch all jene, die in Oslo das Werk sehen möchten. Auch Gegenstände, die einen persönlichen Wert besitzen, sollen Bankräuber stets liegen lassen. Das letzte Geschenk des verstorbenen Ehemanns, Dinge, die vom ersten selbst verdienten Geld gekauft wurden, die Uhr des Vaters. Geschmeide und Geld aber, das nur im Tresor rumliegt, das kann mit. Dabei darf der Bankräuber Menschen weniger reich, aber nie arm und mittellos machen.

7. Wo wollen wir die Bankräuber treffen?

Am Meer. Das gehört zur materiellen Erfüllung eines Traums einfach dazu. Ihr Domizil ist gar kein Vergleich mit dem so genannten Traumhaus in der Bausparerwerbung. Weniger spießig, prolliger - aber auch dekadenter. Das Haus muss an einem Hang stehen, gern in der Nähe von Acapulco. Dort laden sie uns auf eine Cohiba und einen Whiskey ein. Wir saufen mit ihnen wie Hemingway. Oder die Villa steht an einem lange, weißen Sandstrand in Kenia. An der Côte d'Azur. in Rio. In Goa. Highlife. High Five. High Society. High Energy. Als Gastgeschenk bringen wir Spezialitäten aus der Heimat. Schwarzbrot, Schinken, Gummibärchen, Roederer Cristal. Heimwehnahrung für alle Fälle.

8. Wo treffen wir sie wirklich?

Gerade hat der TV-Sender ABC enthüllt: Der Führer der Tschetschenen wohnt in einem Zelt irgendwo unter einem Busch. Ussama Bin Laden hat wirklich viele Freunde, aber dennoch hat er kein Anwesen auf einer Insel, sondern eine Höhle aufm Berg. Und Saddam Hussein wurde von den Amis aus einem Erdloch gezogen. Klar taugt keiner dieser Männer zum Vorbild, doch machen diese Wohnorte eines deutlich: Wer sich heute mit der internationalen Staatengemeinschaft anlegt und sich nicht wie ein kolumbianischer Drogenbaron eine Privatarmee leisten kann, hat schlechte Karten. Wahrscheinlich müsste unser Bankräuber nach Myanmar ("Birma"), Nordkorea, Somalia oder auf eine abgelegene Insel fliehen, um sicher vor dem Arm des Gesetzes zu sein. Keine schöne Aussicht - trotz Meerblick. Selbst mit 50 Millionen Euro. Und wo zum Teufel soll man die dort ausgeben?

9. Welche Filme sehen wir uns zum Trost an?

"Topkapi" (1964)
"Rififi" (1955)
"Sass" (2001)
"Die Gentlemen bitten zur Kasse" (1969)
"Die Abenteuer des Robin Hood" (1938)
"Ocean's Eleven" (1960 bzw. 2001)
"Ocean's Twelve" (2004)
"Jetzt oder nie - Zeit ist Geld" (2000)
"Heist - der letzte Coup" (2001)
"Sneakers - die Lautlosen" (1991)
"The Italian Job" (2003)

10. Warum spielen wir immer nur Lotto?

Wir haben Angst vor dem Ausbruch aus dem System, der - das Leben ist ja kein Film, ach - doch zumeist im Gefängnis endet. Und was wird dann aus den Kindern? Dem Job? Der Skatrunde? Hinter diesen Überlegungen verbirgt sich das verhangene Gefühl, dass es uns so schlecht doch eigentlich auch wieder nicht geht. Auch weil sich bei den wenigsten von uns die Pläne für den perfekten Coup in der Schublade stapeln, riskieren wir unsere bürgerliche Existenz doch nicht für ein riskantes Verbrechen, ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Das überlassen wir dann doch lieber den Filmhelden und machen uns selber die Hände nicht schmutzig - außer vielleicht an der Tinte des Kulis, mit dem wir Lottoscheine ausfüllen.

Die Männern (und Frauen?) im brasilianischen Fortaleza sind auf der Flucht. Wir wollen wenigstens die Filmrechte. Das Geld werden wir uns besorgen.

DAVID DENK, SOLVEIG WRIGHT,
NATALIE TENBERG, PHILIPP LÖHLE


taz Nr. 7738 vom 10.8.2005, Seite 13, 255 Zeilen (TAZ-Bericht), DAVID DENK / SOLVEIG WRIGHT / NATALIE TENBERG / PHILIPP LÖHLE

Das war nicht anders zu erwarten. "Filmreif", das ist jenes Etikett, das die Medien immer dann verteilen, wenn sie glauben mitteilen zu müssen, dass die Wirklichkeit sich nach der Fiktion richte. Es ist quasi die Steigerungsform von "sensationell".
(ZDF-Heute, 9.8. 2005)

"Beim größten Bankraub der brasilianischen Geschichte sind nach Behördenangaben rund 150 Millionen Real (knapp 55 Millionen Euro) "in filmreifer Art" erbeutet worden. Das Fehlen des Geldes sei in der Filiale der Zentralbank in der nordöstlichen Provinzhauptstadt Fortaleza im Bundesstaat Ceara am Montag (Ortszeit) bemerkt worden."

Ein "Coup wie im Kino" heisst es denn auch bei n-tv (9.8. 2005).
Inzwischen gibt es die ersten Bilder von der Aktion. TunnelFortaleza
Der Tagesschaubeitrag ist ebenfalls online (9.8.2005)


Die Räuber hätten in vermutlich wochenlanger Arbeit vier Meter unter der Erdoberfläche einen 200 Meter langen Tunnel gegraben. Sie seien dann irgendwann am Wochenende in die Tresorräume der Bank eingedrungen. Dazu hätten die Verbrecher den Erkenntnissen zufolge vor drei Monaten ein Haus in der Nachbarschaft der Bank gemietet und die Grabungsarbeiten dort begonnen, hieß es.

"Die haben ungefähr 3,5 Tonnen Geld in 50-Real-Scheinen weggeschleppt", sagte ein Sprecher der Bundespolizei erstaunt. Man werde größte Mühe haben, das gestohlene Geld aufzuspüren. Es handele sich nämlich um alte Scheine, die zwecks Prüfung der Umlauffähigkeit eingesammelt worden seien. "Das ist zweifellos der größte Bankraub in der Geschichte unseres Landes, so etwas sieht man sonst eigentlich nur im Kino", sagte der Chef der Bundespolizei in Ceara, João Batista Paiva Santana der Onlineausgabe der Zeitung "O Globo". [Roubo do século]


[Und die Berliner Morgenpost (9.8. 2005)setzt noch hinzu: "Er dachte dabei vielleicht an Klassiker wie "Rififi" aus dem Jahre 1955."
Spiegel Online (9.8. 2005) will die Paralellen bei Ocean Eleven sehen: "Ein Coup im Stil des Gangsterfilms 'Ocean's Eleven'."]

TunnelFortaleza2 Alarmanlagen versagt
Es sei noch unbekannt, wie lange sich die Räuber im Bankbereich aufgehalten hätten und weshalb die modernsten Alarmsysteme mit Bewegungsmeldern und Überwachungskameras nicht reagiert hätten, hieß es in einer Mitteilung der Zentralbank. Die rund 500 Quadratmeter großen Tresorräume der Bank im Zentrum Fortalezas würden zudem von zwei Meter dicken Betonwänden und Stahlnetzen geschützt.

Der bislang größte Bankraub der brasilianischen Geschichte geschah Medienangaben zufolge im Juli 1999, als ein 20-köpfiges schwer bewaffnetes Kommando nachts eine Filiale der Bank Banespa im Zentrum von São Paulo stürmte, 15 Männer des Wachpersonals überwältigte und und mit 39 Millionen Real entkam. (ZDF-Heute, 9.8. 2005)


Völlig gaga ist aber der offensichtlich obligatorisch Hinweis auf Ronald Biggs, der in zahlreichen Berichten, die auf Reuters-Meldung basieren, hinten angehängt ist:

"Der Raub übertrifft die Tat des legendären Zugräubers Ronnie Biggs. Der Brite hatte 1963 mit elf Kameraden einen Postzug von Glasgow nach London überfallen und dabei nach heutigem Wert rund 53 Millionen Dollar erbeutet. Biggs war später nach Brasilien geflohen und lebte dort viele Jahre. (APA/Reuters)" (z.B. Der Standard, 9.8. 2005)

Ronald Biggs war nicht der legendäre Zugräuber, sondern eine kleine Nummer beim Postraub 1963. Er durfte mitmischen, weil er einen Kollegen kannte, der eine Dieselloksteuern konnte. Berühmt wurde er, weil er ausbrechen konnte und in Brasilien die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfte, um Scotland Yard eine Nase zu drehen. Vgl. den Beitrag "Ronnie Biggs Superstar" von Dirk Schindelbeck in "Vabanque" (S. 64 ff.insbesondere S. 70), in dem er die "Öffentlichkeitsarbeit" von Biggs analysiert.

Wieder mal eine Geschichte, die das Zeug für neue Mythen und Verfilmungen hergeben wird. Die Medien berichten über einen neuen "Jahrhundertcoup durch Tunnelbau" (SPIEGEL ONLINE - 08. August 2005, aber auch andere Zeitungen oder Sender wie SF DRS unter Bezug auf eine afp-Meldung)

Bankräubern gelingt Jahrhundertcoup durch Tunnelbau

Der Weg zur Millionen-Beute führte durch den Untergrund: Bankräuber haben in Brasilien einen 200 Meter langen Tunnel gegraben und so rund 52 Millionen Euro (150 Millionen Real) gestohlen. Der Coup ist der größte Bankraub in der Geschichte des Landes.

Brasilia - Das Geld wurde aus der brasilianischen Zentralbank in Fortaleza, der Hauptstadt des Bundesstaates Ceará, entwendet, teilte die Polizei mit. "Das Verbrechen wurde an diesem Morgen entdeckt", hieß es in einer Erklärung der Zentralbank.

Die unbekannten Täter drangen demnach am Wochenende in den 500 Quadratmeter großen Tresorraum der Bank ein. Dazu hatten sie unweit vom Bankgebäude ein Gartengeschäft eröffnet und einen 200 Meter langen Tunnel gegraben. Das Gartengeschäft verschaffte den Tätern den Angaben zufolge die Möglichkeit, große Mengen Erdreich fortzuschaffen, ohne dass dies Misstrauen erweckte.

Die Bankräuber gingen mit großer Präzision vor. "Sie wussten genau, wo sich der Tresorraum befand", sagte einer der Ermittler. Das Wochenende nutzten sie, um die zwei Meter dicken Wände zu durchbrechen. Sie räumten fünf Container mit 50-Real-Scheinen leer. Der Tunnel lag rund vier Meter unter der Erdoberfläche.

Der bislang größte Bankraub in Brasilien wurde 1999 verübt. Damals hatte eine Bande 37 Millionen Real aus einer Niederlassung der Bank Banespa in Sao Paulo geraubt.


Die Schweizer Version der BILD-Zeitung, der Blick (8.8.2005), vermag die Story noch ein bisschen aufzupeppen:

Tunnel in den Tresorraum
FORTALEZA – Was in vielen Comic-Heftchen zum Schmunzeln anregt, ist Bankräubern in Brasilien gelungen. Sie gruben einen 200 Meter langen Tunnel und ergaunerten sich Millionen.
Die Diebe haben sich nicht irgend ein armseliges Geldinstitut ausgesucht. Sondern die stolze brasilianische Zentralbank. Dann gruben sie sich 4 Meter unter der Erde rund 200 Meter weit direkt ins Herz des Hauses: in den Tresorraum.

Dieser ist 500 Quadratmeter gross und wird von 2 Meter dicken Betonwänden (!) geschützt. Doch die Täter hatten Zeit: Der Diebstahl ereignete sich zwischen Geschäftsschluss am Freitagabend und Montagmorgen.

Auch die wurden geknackt. Im Innern des Tresors begann das grosse Geldeinpacken: 150 Millionen Real (81 Millionen Franken) sind weg. Über die Täter ist noch nichts bekannt.

Es ist der grösste Bankraub in der Geschichte des Landes. Die Zentralbank befindet sich in Fortaleza, etwa 2500 Kilometer nordöstlich von Sao Paulo. Der Diebstahl ereignete sich zwischen Geschäftsschluss am Freitagabend und Montagmorgen.


Noch mehr Hintergrundinformation bei Bloomberg.com

Etwas versteckt in einem Kommentar in diesem Weblog (deshalb ans Licht gebracht) zu dem 10jährigen Jubiläum der Berliner Tunnelgangster verweist "findme" darauf, dass es bereits 1987 in Paris einen Bankraub gegeben habe, der das Vorbild für den Coup von 1995 gegeben habe. By the way, es gibt auch noch die Behauptung, dass ein Jerry-Cotton-Heft als Vorlage gedient habe:

Ich zitiere aus einem Interview von Carsten Kuhr mit Walter Appel bzw. Earl Warren auf Phantastik-News

CK:

Dein "Jerry Cotton"-Heft Nr. 1080 hat im Nachhinein eine gewisse Beruehmtheit erlangt, da die Berliner Tunnelraeuber die Idee fuer ihren Fischzug sich dort ausgeliehen haben. Erzaehl doch mal, da gab es ja jede Menge Publicity fuer Dich?

WA:

Von wem und woher die Berliner Tunnelgangster die Idee fuer ihren Coup hatten, weiss ich nicht, ich habe nie mit ihnen gesprochen. Mir liegt auch keine Erklaerung oder Aeusserung ihrerseits dazu vor. Nach Bekanntwerden des Berliner Tunnelbankraubs im Sommer 1995 schrieb eine unbekannte Leserin dem "Focus", die Idee sei einem Jerry-Cotton-Roman entnommen, naemlich 1080 "Die Geisel der Millionen-Gangster". Das wurde im "Focus" gebracht, woraufhin ich ein Fax an den "Focus" schickte, der Roman sei von mir, und ich wuerde mich fuer die Erwaehnung und die mir zugeschriebene Ehre, der geistige Urheber dieses Coups zu sein, bedanken. Ob das so sei, wuesste ich nicht. Wie es die Presse so macht, wurde die Sache aufgegriffen, der "Focus" schickte einen Fotografen, brachte einen Artikel ueber mich, das Fernsehen kann, interviewte mich - ARD, Sat 1 usw. -, und die BZ (Berliner Zeitung) druckte den besagten Krimi in zehn Folgen nach. Fuer den BZ-Nachdruck habe ich exakt DM 1.000,-- (Eintausend) erhalten, fuer eine Berlin-Auflage des besagten Romans vom Bastei-Verlag nochmal ein paar hundert Mark. Also nichts Weltbewegendes. Danach folgte etwas, das ich heute noch als den Alptraum eines Verkaeufers betrachte: Ich hatte Publicity, wurde gefragt, was haben Sie denn alles geschrieben? Soviel? Muessen Sie aber begabt sein und viel Fantasie haben. - Toll - wo kann man das kaufen? Da stand ich dann da mit dem kurzen Hemd und musste antworten: Das sind Hefte und Taschenbuecher gewesen, die allesamt - 99 % - unter Pseudonym erschienen, wie man das nachbeziehen soll, weiss ich nicht. Da muessen Sie beim Verlag fragen. Einmal erschienen oder im Phasenvertrieb, und dann waren'se weg. Das ist nicht so wie beim Buchhandel mit ISBN-Nummer und Autorenname, dass man gelistet ist und nachbestellen kann. In dem Fall und in der Auslieferungweise ist das, wie in einer frueheren Frage erwaehnt, Gebrauchs- und Wegwerfliteratur vom Handling her. Ex und hopp. Das hat mich nun sehr gestoert. Die schoene Publicity, und was konnte ich nachliefern oder nachschieben? Nichts. Jetzt kann ich mich wieder darauf berufen, obwohl es nicht mehr so brandaktuell ist. Spaetestens zu dem Zeitpunkt - 1995 - habe ich gemerkt, dass hier etwas fuer mich verkehrt laeuft, wenn ich 22 Jahre in einer Branche taetig bin, ueber 700 Romane - damals - geschrieben und veroeffentlicht habe und vom Buchhandel gesehen als Autor eine Unperson bin oder ueberhaupt nicht registriert werde. Das kann's ja nicht sein. "Einer der produktivsten und unbekanntesten Schriftsteller Deutschlands", nannte mich Tillman Jens in seiner Reportage ueber mich und den Tunnelbankraeuber-Roman in der ARD. Da war ich hellauf begeistert!!!

Etwas informativer im Hinblick auf die Durchführung des Berliner Tunnelraubes anno 1995 als das taz-Interview (s.u.), ist der Jubiläumsartikel der Berliner Morgenpost (26.6.2005), der zudem unter der Rubrik "Heimatgeschichte" firmiert.
Darüber hinaus heisst in der MoPo der verantwortliche Kriminaldirektor und Chef der 60köpfigen Sonderkommission im übrigen Detlef Büttner. Zudem verweist die MoPo darauf, dass nach wie vor nicht alles geklärt ist:

"Mit den Tätern verschwand eine Millionenbeute aus der Bank, und ein Teil des Geldes konnte bis heute nicht wiederbeschafft werden. Das Verbrechen der Tunnelgangster ist einer der spektakulärsten Fälle der Berliner Kriminalgeschichte. Obwohl die Täter schnell überführt wurden, sind längst nicht alle Fragen zu dem Fall geklärt.
(...)
So wird voraussichtlich offenbleiben, ob die Gangster entscheidende Hinweise aus Kreisen des Personals erhalten hatten.
(...)
Christine Rother war die Polizeisprecherin, die am 28. Juni mit dieser Botschaft an die Öffentlichkeit gehen mußte. Den Journalisten sagte sie kryptisch: "Nach dem Eindringen in das Gebäude ist es bisher zu keinem Täterkontakt gekommen." Sie erinnert sich: "Speziell diese Formulierung hatte man mir eingebleut, und mehr durfte ich nicht sagen." Weil trotzdem immer weiter nach den Geiselnehmern gefragt wurde, platzte sie schließlich damit heraus: "Mensch, die sind weg."
(...)
Erst nach und nach stellte sich heraus, was wirklich geschehen war: Die vier Räuber, die durch die Eingangstür hereingekommen waren, hatten schnell Verstärkung erhalten. Zwei weitere Bandenmitglieder hatten bereits im Tunnel auf sie gewartet und von unten ein Loch in die Kellersohle gebohrt. Am Bohrloch durchbrachen die Täter aus der Bank von oben den Fußboden und stellten so die Verbindung zum Tunnel her. Man war nun zu sechst. Mit schwerem Werkzeug machten sich die Kriminellen im Tresorraum über die Kundenschließfächer her. Anschließend transportierten sie die Beute durch den Stollen ab. Hier kamen Skateboards als Tunnelloren zum Einsatz. Auf demselben Weg verschwanden auch die Gangster im Schutz der Nacht. Ihr Bauwerk endete nach 170 Metern in einer Garage auf einem Grundstück neben der Matterhornstraße. Obwohl die Garage noch im Bereich der Absperrungen lag, konnten die Männer heimlich durch den Polizeikordon schlüpfen.


Es folgen etliche Details zu Fahndung, Haftstraßen, Erschütterung des Gentleman-Images der Geiselnehmer usw. Und auch zur Beute:

Es bleibt die Frage nach dem Geld. Sie drängte sich besonders mit der Euro-Einführung im Jahr 2002 noch einmal auf. Denn wie tauscht man größere Summen, ohne dabei aufzufallen? Bis zum Frühjahr 1996 konnten die Fahnder 5,3 Millionen Mark in Brandenburg, Niedersachsen und Damaskus sicherstellen. Bei den ursprünglich 5,6 Millionen Mark, die von SEK-Beamten übergeben worden waren, wäre damit kaum noch etwas von der Beute übriggewesen. Doch aus 206 privaten Schließfächern im Keller der Bank hatten die Verbrecher nach groben Schätzungen weitere zehn Millionen Mark geholt. Konkrete Summen wurden nie genannt, und Experten zweifeln, ob tatsächlich alle Schließfach-Besitzer wahrheitsgemäß angegeben hatten, welche Beträge in der Bank deponiert waren. "Die in der Ecke nicht", hatte einer der Tunnelgangster beim Aufbrechen der Kleintresore seinen Komplizen zugeraunt. Woher hatte er dieses Wissen? Und woher kannten die Kriminellen den Schwachpunkt der Bank, nämlich die dünne Kellersohle? Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen Unbekannt ein, doch ohne Ergebnis. Heute sind die Akten zum Tunnelgangster-Fall geschlossen. Auch der Euro und die drohenden Wertlosigkeit der Beute führten nicht dazu, daß größere Beträge aus dem Verbrechen auftauchten. Wo der Rest versteckt liegt, bleibt ein Geheimnis."

Am Ende auch hier noch ein Respekt vom damaligen SEK-Einsatzleiter:

Mit dem Abstand von zehn Jahren zieht Martin Textor sein persönliches Fazit: "Die Tunnelgangster waren die ausgebufftesten Profis, die mir in meiner Laufbahn untergekommen sind. Sie waren in der Lage, das Handeln der Polizei vorauszudenken und daraus ihre Vorteile zu ziehen, auch wenn es ihnen am Ende nichts genützt hat."

10 Jahre Tunnelraub

Im Montagsinterview der Berliner Lokalausgabe der taz (27.6.2005) feiert die taz nochmals den Berliner Tunnelraub sowie den Fahndungserfolg der Berliner Polizei von vor zehn Jahren. So haben wir es gern: Alle sind Sieger. Selbst der zuständige Kommissar zollt dem Tunnelteam Respekt:

"Es ist der Jahrhundertfall, der größte Coup der deutschen Kriminalgeschichte: Heute vor zehn Jahren - am 27. Juni 1995 - stürmten Maskierte die Commerzbank Schlachtensee. Sie nehmen 16 Kunden und Angestellte als Geiseln und fordern 17 Millionen Mark Lösegeld, einen Hubschrauber und einen Fluchtwagen. Die Bankräuber entkommen durch einen zuvor gegrabenen Tunnel. Selten hat sich die Polizei so blamiert. Aber Kriminalhauptkommissar Arnold Fischer (60) und seine Leute machen die Schlappe wieder wett. Fünf Wochen später nehmen sie die sechs Tunnelgangster fest. "Es war uns eine Genugtuung", sagt der pensionierte Kommissar."

Das taz-Interview wird von einer PLUTONIA PLARRE geführt, bei der zumindest der Name wie aus einem Erika-Fuchs-Panzerknacker-Epos entnommen scheint. Na ja, vielleicht ist auch das ganze Interview ein Fake, jedenfalls möglich erscheint uns heutzutag schließlich vieles. Entscheiden Sie selbst:

"taz: Herr Fischer, die Tunnelgangster, was sagt ihnen das noch?

Arnold Fischer: Das war ja mindestens ein Jahrhundertfall und der absolute Höhepunkt meiner beruflichen Laufbahn. So was hat es auf der ganzen Welt nicht noch mal gegeben. Logistik, Planung und Tatausführung waren schon genial. (...)

taz: Als die Täter flüchteten, war die Bank von Spezialeinheiten und Scharfschützen umstellt. Die Polizei hat sich selten so blamiert.

Das haben die Medien so dargestellt. Aber so einfach war das nicht. Dass da unten noch ein Tunnel war, war überhaupt nicht absehbar. (...)


JournalistInnen interessieren sich für Details. Besonders das Graben und Schaufeln, aber auch der Tunnel an sich, hat etwas phantastisches, das die Imagination beflügelt:

taz: Wer ist als Erster in den Tunnel rein?

In den 100 Meter langen Regenwasserkanal haben wir erst einen Roboter von den Wasserwerken reingeschickt. Mit Kamera. Ganz vorsichtig. Wir wussten ja nicht, ob da drinnen vielleicht Fallen eingebaut sind. Das waren hochprofessionelle Täter. Man musste mit jeder Schweinerei rechnen. War aber nicht. Die waren wohl froh, mit dem Geld zu entkommen. Im restlichen Teil des Tunnels, den die eigenhändig gegraben hatten, mussten meine Leute krauchen.

taz: Der Schacht hatte einen Durchmesser von einem Meter - nichts für Klaustrophobiker. Wie war der Tunnel von innen gesichert?

Der Stollen war gut gemacht. Wände und Decken waren mit Holzbohlen abgestützt. Aber man musste damit rechnen, dass was einstürzt. Die Täter hatten ja selber zweimal eine Panne, wie wir später erfahren haben.

taz: Was war passiert?

Einmal ist Sand nachgerutscht. Dabei ist einer fast erstickt. Ein anderes Mal ist Regenwasser eingedrungen. Einer ist fast ertrunken. (...)


Immerhin findet sich eine professionelle Berufsauffassung, die genau weiss, wer für was zuständig ist:

taz: Was war mit der Beute?

Dafür hat sich die Presse immer besonders interessiert. Uns ging es in erster Linie darum, die Straftat aufzuklären. Die Wiederbeschaffung der Beute ist eigentlich Sache der Versicherung. (...)


Sportlich, uneigennützig und fair zeigt sich der ehemalige Berliner Kriminalkommissar; kann er auch. Hat schließlich die "Ehre" der Berliner Polizei "wieder hergestellt":

taz: Sind Sie nach der Aufklärung des Falls befördert worden?

Meinen höchsten Dienstgrad hatte ich schon 1985 erreicht. Weiter als bis zum Ersten Kriminalhauptkommissar ging es für mich nicht mehr. Aber für meine Leute und mich war es eine persönliche Genugtuung. Wir haben es unseren hochintelligenten Gegnern gezeigt. Die Täter waren super, aber wir waren noch besser. Und wir haben einen Beitrag zur Wiederherstellung des Ansehens der Berliner Polizei geleistet, über die so viel Häme ausgegossen worden ist."

Geld wurde nie gefunden

Der BLICK (12.5. 2005)
GENF – 15 Jahre nach dem Jahrhundert-Postraub von Genf hat ein Pariser Geschworenengericht einen Mittäter zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Der 46-jährige Korse war selbst aber nicht vor Gericht, der Urteilsspruch erfolgte in Abwesenheit. Der Mann wird beschuldigt, zusammen mit seinen Kumpanen am grössten Bankraub der Geschichte beteiligt gewesen zu sein. Sie hatten am 25. März 1990 bei einem Überfall auf die damalige Schweizerische Bankgesellschaft in Genf 31 Millionen Franken erbeutet. Das Geld wurde nie gefunden.

 

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