Ein abenteuerliches Leben
Lorenz Schröter hat für das Deutschlandradio und den BR-Zündfunk
anlässlich des Erscheinens der Autobiographie von Ludwig Lugmeier mit dem ehemaligen Bankräuber gesprochen. Das Portrait vom 22.9. 2005 lässt sich hier auch als Audio on Demand herunterladen:
"Ludwig Lugmeier tritt heute als Märchenerzähler auf. Vor 25 Jahren überfiel er zwei Geldtransporte und erbeutete mehrere Millionen Mark. Dabei sollte er Maurer werden wie sein Vater. Doch er hatte einen Bibliotheksausweis und las von der großen weiten Welt jenseits Oberbayerns und den herrlichen Abenteuern darin.
Ich habe Banken überfallen, weil es last not least auch eine Herausforderung war.
Ludwig Lugmeier sieht eigentlich ganz gemütlich aus mit seinem Schnurrbart, der stämmigen Figur und dem Strohhut über der Halbglatze. Doch vor 25 Jahren überfiel er zwei Geldtransporte und erbeutete zweieinhalb Millionen Mark. Dabei sollte er Maurer werden wie sein Vater. Doch er hatte einen Bibliotheksausweis und las von der großen weiten Welt jenseits Oberbayerns und den herrlichen Abenteuern darin.
In erster Linie Piratenbücher der Rote Freibeuter, den habe ich mit Begeisterung verschlungen, denn dieses Piratenleben, frei auf offener See. Das hätte mir schon sehr gut gefallen.
Also bricht er in einen Supermarkt ein, wird geschnappt und statt ein Geständnis abzulegen und mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen, hält er es mit seinen Romanhelden und schweigt eisern.
Ich war 15, knapp 16 und in der Jugendstrafanstalt, und eigentlich wollte ich da auch drin sein. Das Gefängnis ist für mich eine Art Station gewesen, von der man aus ein neues, abenteuerliches Leben beginnen kann, und dort ist mir jemand begegnet, ein Italiener, der mir gesagt hat, dass es in Palermo Anwerbestellen der Mafia gibt.
Der junge Lugmeier flieht aus dem Gefängnis, trampt nach Italien, aber findet die Mafia nicht. Auf dem Rückweg heuert er bei einem Wanderzirkus an. Eines Tages, der Mann der normalerweise mit dem Bären kämpft war auf einer Sauftour verschwunden, bekommt Lugmeier seine Chance und er darf mit dem Bären kämpfen. Doch dann fordert er mehr vom Leben.
"Der Überfall selbst hatte eine lange Vorbereitung gefordert. Denn dieses Viertel in Frankfurt, das ist fast wie eine Art Labyrinth angelegt. Es gab so gut wie keine Möglichkeit von dort aus zu fliehen. Und da haben wir sehr, sehr lange danach gesucht, bis ich schließlich auf den Einfall kam, dass wir genau zu dieser Stelle zurück müssen, wo der Überfall gelaufen sei, dort erwarte man uns nicht. Und von dort aus die Flucht in die entgegengesetzte Richtung nehmen. Denn so wie man selbst, wenn man zu fliehen versucht, natürlich wegkommen will, rechnet die Polizei damit, dass derjenige auch wegzukommen versucht und nicht, dass er dort wieder an die Stelle zurückkehrt wo der Gefahrenpunkt ist."
Nach ein paar Monaten wurde Ludwig Lugmeier geschnappt und tat den Satz seines Lebens, der ihn berühmt machte: Am 4. Februar 76 nutzte er ein offenes Fenster im Gerichtsaal, knallte auf das harte Pflaster Frankfurts und rannte um sein Leben. Zwei Jahre war er auf der Flucht, England, Mexiko, Istanbul, Island, Bahamas, überall wo es Casinos gab.
"Ich habe sehr viel im Roulett verloren. Es war nicht ganz eine Million, aber es hat nicht mehr viel gefehlt dazu.
"Das war sicher von der ganzen Geschichte der Spannendste, denn der Rouletttisch ist jener Platz, jener Ort in der Welt, in dem sich das Glück zentriert und wo man direkt auf den Punkt der eigenen Existenz als Glücksspieler beheimatet ist."
Nach zwei Jahren war Lugmeiers Flucht zu Ende. Er wird zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. In Straubing sitzt er mit dem Oetker-Entführer und RAF-Mitgliedern ein. Dort fängt seine zweite Karriere an.
"Ich hab im Gefängnis mich zurückgezogen. Ich hab geschrieben. Viel gelesen. Über fast 10 Jahre lang die Arbeit verweigert."
Nach seiner Entlassung arbeitet er als fest angestellter Märchenerzähler in einer Ostberliner Stadtbibliothek. Sein Arbeitgeber und die Kinder ahnen nicht, dass der nette Onkel, der ihnen den Räuber Hotzenplotz vorliest, selbst mal ein gefährlicher Räuber war.
Straffällig ist Lugmeier nicht mehr geworden. Die Literatur, die ihn einst auf die schiefe Bahn gebracht hat, rettet ihn zum Schluss auch wieder.
"Was heißt die schiefe Bahn? Es war auf jeden Fall nicht der vorgezeichnete Lebensweg, ich bin so gesehen ganz froh, das ich den nicht gegangen bin, wahrscheinlich wäre ich dann schon längst erstickt."
Und vielleicht gab es unter seinen Zuhörern ein romantisches, wildes Kind wie Ludwig es einmal war oder ein Leser wird Lugmeiers spannendes Buch zuklappen und mit feurigen Wangen sagen: Ja, auch ich will abenteuerliches Leben führen.
"Ich denke, jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich. Wer eine Bank überfallen will, soll sie von mir aus überfallen, aber bitte, er soll sich nicht auf mich berufen. Der soll schon selbst dafür einstehen, was er macht."
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Für den BR-Zündfunk (16.9. 2005) spricht Lorenz Schröter mit Ludwig Lugmeier über den Überfall auf den Geldtransporter in Frankfurt, seine Flucht durch zahlreiche Länder und über seinen Gefängnisaufenthalt gesprochen. Hier die "Täterbeschreibung:
"Früher raubte er Banken aus, überfiel Geldtransporte und flüchtete jahrelang vor der Polizei. Heute lebt Ludwig Lugmeier als Schriftsteller und Märchenerzähler in Berlin. Nächste Woche erscheint sein neues Buch.
"Ich habe versucht mich bei der Mafia zu bewerben. Ich war 15, knapp 16 und in der Jugendstrafanstalt. Ich habe dort meine erste Jugendstrafe abgesessen und eigentlich wollte ich da auch drin sein. Das Gefängnis ist für mich eine Art Station gewesen, von der aus man ein neues, abenteuerliches Leben beginnen kann. Dort ist mir jemand begegnet, ein Italiener, der mir gesagt hat, dass es in Palermo Anwerbestellen der Mafia gibt." (Ludwig Lugmeier)
Ludwig Lugmeier stammt vom Kochelsee, sein Vater war Maurer und das sollte auch er werden. Doch der kleine Ludwig hatte einen Bibliotheksausweis. Dort hat er sich Bücher gesucht, die zu ihm passten, vor allem Piratenbücher, wie der Rote Freibeuter. Das Piratenleben, frei und auf offener See, das war war seine Sehnsucht.
"Und ich bin daraufhin vom Torfstich, wo ich gearbeitet habe, abgehauen und habe mich auf den Weg gemacht nach Palermo und bin da auch hingekommen und habe dort nach der Anwerbestelle der Mafia gesucht. Habe lange gesucht und gefragt und einen Zettel geschrieben, auf dem Mafia mit "?" stand. Aber die Anwerbestelle habe ich nicht gefunden und so bin ich halt nie Mafioso geworden. Bin wieder zurückgekehrt und Mafia-frei geblieben." (Ludwig Lugmeier)
Heute ist Lugmeier Schriftsteller und Märchenerzähler. In der Ostberliner Stadtbibliothek wusste niemand, dass der knuffige Onkel mit dem komischen Räuber-Hotzenplotz-Dialekt früher einmal ein gefährlicher Räuber war. Dabei hatte er am Anfang Angst davor, einer Horde 5jähriger Geschichten zu erzählen."
"Da wusste ich nicht so recht wie ich das machen soll. Da habe ich aber nach drei Sätzen gemerkt, ich muss einfach nur erzählen, wie ich erzählen kann. Und die Geschichten so erzählen, wie sie sich in meinem Kopf zutragen, wie sie ablaufen. Dann habe ich auf einmal gemerkt, wie die alle ganz fasziniert da saßen und mir zugehört haben. Und dann habe ich drei Jahre lang Märchen und Geschichten erzählt." (Ludwig Lugmeier)
Eine wesentlich längere Version hiervon findet sich beim (
Lorenz Schröter hat für das Deutschlandradio und den BR-Zündfunk
anlässlich des Erscheinens der Autobiographie von Ludwig Lugmeier mit dem ehemaligen Bankräuber gesprochen. Das Portrait vom 22.9. 2005 lässt sich hier auch als Audio on Demand herunterladen:
"Ludwig Lugmeier tritt heute als Märchenerzähler auf. Vor 25 Jahren überfiel er zwei Geldtransporte und erbeutete mehrere Millionen Mark. Dabei sollte er Maurer werden wie sein Vater. Doch er hatte einen Bibliotheksausweis und las von der großen weiten Welt jenseits Oberbayerns und den herrlichen Abenteuern darin.
Ich habe Banken überfallen, weil es last not least auch eine Herausforderung war.
Ludwig Lugmeier sieht eigentlich ganz gemütlich aus mit seinem Schnurrbart, der stämmigen Figur und dem Strohhut über der Halbglatze. Doch vor 25 Jahren überfiel er zwei Geldtransporte und erbeutete zweieinhalb Millionen Mark. Dabei sollte er Maurer werden wie sein Vater. Doch er hatte einen Bibliotheksausweis und las von der großen weiten Welt jenseits Oberbayerns und den herrlichen Abenteuern darin.
In erster Linie Piratenbücher der Rote Freibeuter, den habe ich mit Begeisterung verschlungen, denn dieses Piratenleben, frei auf offener See. Das hätte mir schon sehr gut gefallen.
Also bricht er in einen Supermarkt ein, wird geschnappt und statt ein Geständnis abzulegen und mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen, hält er es mit seinen Romanhelden und schweigt eisern.
Ich war 15, knapp 16 und in der Jugendstrafanstalt, und eigentlich wollte ich da auch drin sein. Das Gefängnis ist für mich eine Art Station gewesen, von der man aus ein neues, abenteuerliches Leben beginnen kann, und dort ist mir jemand begegnet, ein Italiener, der mir gesagt hat, dass es in Palermo Anwerbestellen der Mafia gibt.
Der junge Lugmeier flieht aus dem Gefängnis, trampt nach Italien, aber findet die Mafia nicht. Auf dem Rückweg heuert er bei einem Wanderzirkus an. Eines Tages, der Mann der normalerweise mit dem Bären kämpft war auf einer Sauftour verschwunden, bekommt Lugmeier seine Chance und er darf mit dem Bären kämpfen. Doch dann fordert er mehr vom Leben.
"Der Überfall selbst hatte eine lange Vorbereitung gefordert. Denn dieses Viertel in Frankfurt, das ist fast wie eine Art Labyrinth angelegt. Es gab so gut wie keine Möglichkeit von dort aus zu fliehen. Und da haben wir sehr, sehr lange danach gesucht, bis ich schließlich auf den Einfall kam, dass wir genau zu dieser Stelle zurück müssen, wo der Überfall gelaufen sei, dort erwarte man uns nicht. Und von dort aus die Flucht in die entgegengesetzte Richtung nehmen. Denn so wie man selbst, wenn man zu fliehen versucht, natürlich wegkommen will, rechnet die Polizei damit, dass derjenige auch wegzukommen versucht und nicht, dass er dort wieder an die Stelle zurückkehrt wo der Gefahrenpunkt ist."
Nach ein paar Monaten wurde Ludwig Lugmeier geschnappt und tat den Satz seines Lebens, der ihn berühmt machte: Am 4. Februar 76 nutzte er ein offenes Fenster im Gerichtsaal, knallte auf das harte Pflaster Frankfurts und rannte um sein Leben. Zwei Jahre war er auf der Flucht, England, Mexiko, Istanbul, Island, Bahamas, überall wo es Casinos gab.
"Ich habe sehr viel im Roulett verloren. Es war nicht ganz eine Million, aber es hat nicht mehr viel gefehlt dazu.
"Das war sicher von der ganzen Geschichte der Spannendste, denn der Rouletttisch ist jener Platz, jener Ort in der Welt, in dem sich das Glück zentriert und wo man direkt auf den Punkt der eigenen Existenz als Glücksspieler beheimatet ist."
Nach zwei Jahren war Lugmeiers Flucht zu Ende. Er wird zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. In Straubing sitzt er mit dem Oetker-Entführer und RAF-Mitgliedern ein. Dort fängt seine zweite Karriere an.
"Ich hab im Gefängnis mich zurückgezogen. Ich hab geschrieben. Viel gelesen. Über fast 10 Jahre lang die Arbeit verweigert."
Nach seiner Entlassung arbeitet er als fest angestellter Märchenerzähler in einer Ostberliner Stadtbibliothek. Sein Arbeitgeber und die Kinder ahnen nicht, dass der nette Onkel, der ihnen den Räuber Hotzenplotz vorliest, selbst mal ein gefährlicher Räuber war.
Straffällig ist Lugmeier nicht mehr geworden. Die Literatur, die ihn einst auf die schiefe Bahn gebracht hat, rettet ihn zum Schluss auch wieder.
"Was heißt die schiefe Bahn? Es war auf jeden Fall nicht der vorgezeichnete Lebensweg, ich bin so gesehen ganz froh, das ich den nicht gegangen bin, wahrscheinlich wäre ich dann schon längst erstickt."
Und vielleicht gab es unter seinen Zuhörern ein romantisches, wildes Kind wie Ludwig es einmal war oder ein Leser wird Lugmeiers spannendes Buch zuklappen und mit feurigen Wangen sagen: Ja, auch ich will abenteuerliches Leben führen.
"Ich denke, jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich. Wer eine Bank überfallen will, soll sie von mir aus überfallen, aber bitte, er soll sich nicht auf mich berufen. Der soll schon selbst dafür einstehen, was er macht."
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Für den BR-Zündfunk (16.9. 2005) spricht Lorenz Schröter mit Ludwig Lugmeier über den Überfall auf den Geldtransporter in Frankfurt, seine Flucht durch zahlreiche Länder und über seinen Gefängnisaufenthalt gesprochen. Hier die "Täterbeschreibung:
"Früher raubte er Banken aus, überfiel Geldtransporte und flüchtete jahrelang vor der Polizei. Heute lebt Ludwig Lugmeier als Schriftsteller und Märchenerzähler in Berlin. Nächste Woche erscheint sein neues Buch.
"Ich habe versucht mich bei der Mafia zu bewerben. Ich war 15, knapp 16 und in der Jugendstrafanstalt. Ich habe dort meine erste Jugendstrafe abgesessen und eigentlich wollte ich da auch drin sein. Das Gefängnis ist für mich eine Art Station gewesen, von der aus man ein neues, abenteuerliches Leben beginnen kann. Dort ist mir jemand begegnet, ein Italiener, der mir gesagt hat, dass es in Palermo Anwerbestellen der Mafia gibt." (Ludwig Lugmeier)
Ludwig Lugmeier stammt vom Kochelsee, sein Vater war Maurer und das sollte auch er werden. Doch der kleine Ludwig hatte einen Bibliotheksausweis. Dort hat er sich Bücher gesucht, die zu ihm passten, vor allem Piratenbücher, wie der Rote Freibeuter. Das Piratenleben, frei und auf offener See, das war war seine Sehnsucht.
"Und ich bin daraufhin vom Torfstich, wo ich gearbeitet habe, abgehauen und habe mich auf den Weg gemacht nach Palermo und bin da auch hingekommen und habe dort nach der Anwerbestelle der Mafia gesucht. Habe lange gesucht und gefragt und einen Zettel geschrieben, auf dem Mafia mit "?" stand. Aber die Anwerbestelle habe ich nicht gefunden und so bin ich halt nie Mafioso geworden. Bin wieder zurückgekehrt und Mafia-frei geblieben." (Ludwig Lugmeier)
Heute ist Lugmeier Schriftsteller und Märchenerzähler. In der Ostberliner Stadtbibliothek wusste niemand, dass der knuffige Onkel mit dem komischen Räuber-Hotzenplotz-Dialekt früher einmal ein gefährlicher Räuber war. Dabei hatte er am Anfang Angst davor, einer Horde 5jähriger Geschichten zu erzählen."
"Da wusste ich nicht so recht wie ich das machen soll. Da habe ich aber nach drei Sätzen gemerkt, ich muss einfach nur erzählen, wie ich erzählen kann. Und die Geschichten so erzählen, wie sie sich in meinem Kopf zutragen, wie sie ablaufen. Dann habe ich auf einmal gemerkt, wie die alle ganz fasziniert da saßen und mir zugehört haben. Und dann habe ich drei Jahre lang Märchen und Geschichten erzählt." (Ludwig Lugmeier)
Eine wesentlich längere Version hiervon findet sich beim (
sparkassenkunde - am Donnerstag, 6. Oktober 2005, 11:23 - Rubrik: Biographien des Bankraubs